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Der vorgeschriebene Weg ist nun so: Falls sich die Koalition in Berlin einig werden sollte, müsste schnellstens die Wahlkreiseinteilung im Bundestag neu beschlossen werden – und dazu würden vorab alle Landesregierungen um eine Stellungnahme gebeten. Eigentlich dürfen die Parteien seit dem 24. Juni bereits Bundestagskandidaten aufstellen, aber mehrere Parteizentralen in Hannover bremsen und bitten ihre lokalen Gliederungen um Geduld. Nichts wäre peinlicher, als ein aufgestellter Kandidat für einen Wahlkreis, den es nach der Reform nicht mehr geben wird. Wenn nun in Niedersachsen anstelle von 30 nur noch 28 Bundestagswahlkreise eingeteilt werden, wäre das ein riesiger Kraftakt. Da die Vorgabe besteht, dass in allen Wahlkreisen eine annähernd gleiche Zahl von Wahlberechtigten wohnen soll, sind umfangreiche Neuzuschnitte erforderlich. Grundlage ist dafür zunächst der Bericht einer Kommission, die regelmäßig die Wahlkreisgrößen untersucht und Abweichungen vom Mittelwert bewertet. Der letzte Bericht vom Januar 2019 stellte fest, dass zwei Wahlkreise um rund 16 Prozent nach oben ausschlagen – Unterems an der Grenze zu Holland und Hannover-Land-Süd. Ein Wahlkreis weist aber in den vergangenen Jahren deutliche Bevölkerungsverluste aus, nämlich Rotenburg-Heidekreis mit minus 18,8 Prozent in fünf Jahren. Da man zwei Wahlkreis opfern müsste, läge eine Auflösung dieses Wahlkreises nah. Das Problem ist nur, dass diesen Wahlkreis 2017 ein hochrangiger SPD-Politiker überraschend gewonnen hatte, da das Gebiet eigentlich als „schwarz“ gilt, nämlich SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil. Will man Klingbeil das zumuten?
SPD und CDU ringen um Neuzuschnitt
Walsrode, die Heimat Klingbeils, könnte an den Nachbarwahlkreis Osterholz-Verden angegliedert werden, dort hatte 2017 die SPD-Politikerin Christina Jantz-Herrmann kandidiert, aber verloren. Der Neuzuschnitt in dieser Region berührt nun ebenso mächtige CDU-Interessen: CDU-intern gilt der Wahlkreis Harburg als tabu, das ist die Bastion des mächtigen CDU/CSU-Fraktionsgeschäftsführers Michael Grosse-Brömer. Auch der einflussreiche Cuxhavener MdB Enak Ferlemann stammt aus einem Nachbarwahlkreis. Nun dürfte im Raum Stade/Cuxhaven/Rotenburg ein Neuzuschnitt unausweichlich werden. In der CDU wird gemutmaßt, MdB Oliver Grundmann aus Stade könne um seine Neuaufstellung bangen müssen, sollte nach dem Neuzuschnitt seines Wahlkreises Stade-Rotenburg der Anteil der Gemeinden aus dem Cuxhavener Raum wesentlich größer als bisher werden. Dies könnten dann nämlich die Cuxhavener als Ermunterung zur Gegenkandidatur begreifen.