
"Die einheitliche Stromzone führt zu falschen Preissignalen, belastet die Erzeugerregionen und verhindert, dass Strom dort verbraucht wird, wo er erzeugt wird": Mit dieser klaren Diagnose erneuert Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer (Grüne) seine langjährige Forderung nach einer Reform des deutschen Strommarkts. Rückenwind bekommt er nun von "Entso-e", dem Verband der europäischen Übertragungsnetzbetreiber. In einer neuen Studie sprechen sich die Netzexperten erstmals explizit für eine Aufteilung Deutschlands in mehrere Strompreiszonen aus. Das Modell mit fünf Regionen („DE5“) hätte laut Berechnung den größten volkswirtschaftlichen Nutzen. Das Einsparpotenzial beträgt rund 339 Millionen Euro jährlich.
Die Autoren der Studie kritisieren, dass die heutige Preisbildung auf der Annahme unbegrenzter Netzkapazitäten basiert. Das führe zu Verzerrungen: Wenn im Norden viel Wind weht, sinken die Börsenpreise – aber auch im Süden, obwohl der Strom physisch nicht dorthin gelangt. Die Folge: Wärmepumpen und Speicher springen an, fossile Kraftwerke müssen dazugeschaltet werden, Windräder im Norden werden abgeregelt. „Das Merit-Order-Prinzip wirkt wie ein Bumerang gegen die Erzeugerregionen“, sagt Meyer. Die Redispatch-Kosten, also der Aufwand für diese Eingriffe ins Netz, summieren sich inzwischen auf fast drei Milliarden Euro pro Jahr. "Entso-e" urteilt: Das System sei teuer, ineffizient – und veraltet.
Meyer sieht in der Reform auch eine Frage der Gerechtigkeit: „Der Norden trägt die Hauptlast der Energiewende – und zahlt die höchsten Netzentgelte. Das ist strukturell falsch.“ Eine faire Aufteilung der Strompreiszonen würde seiner Ansicht nach nicht nur die Haushalte entlasten, sondern auch die energieintensive Industrie langfristig stärken. Auch andere Bundesländer wie Schleswig-Holstein, Bremen und Mecklenburg-Vorpommern signalisieren Unterstützung. Für Meyer steht fest: „Wir brauchen endlich Marktpreise, die sich an der Realität im Netz orientieren – nicht an einem politisch gepflegten Wunschbild.“
Widerstand gegen die Aufteilung in mehrere Strompreiszonen kommt unter anderem aus Bayern und von den Industrieverbänden. Der Verband der Chemischen Industrie (VCI) warnt vor „jahrelanger Unsicherheit“, die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) befürchtet Bürokratie und steigende Strompreise für den Süden. Der bayerische Staatskanzleichef Florian Herrmann nennt die Pläne ein „Standortrisiko für ganz Deutschland“. Meyer kontert: „Es geht nicht darum, Bayern zu bestrafen. Aber wer über Jahre den Ausbau der Erneuerbaren Energien und der Netze blockiert, darf sich nicht wundern, wenn das System an Grenzen stößt.“ Sollte es auf EU-Ebene keine Einigung geben, will die Kommission im Frühjahr 2026 entscheiden. Niedersachsen hat seine Position jedenfalls klargemacht.