Neue Regelung zum Online-Glücksspiel wird Schwarzmarkt nicht verschwinden lassen
Von Martin Brüning
Windhunderennen sind kein Sportereignis. Im Satz „Ein Sportereignis ist ein sportlicher Wettkampf zwischen Menschen nach definierten Regeln oder ein Windhunderennen“ strichen die Chefs der Staatskanzleien bei ihrem Treffen am Wochenende das Wort „Windhunderennen“ kurzerhand wieder heraus. Eine Petitesse im neuen geplanten Glücksspielstaatsvertrag, dessen Reform in eine Richtung geht, die noch vor wenigen Monaten kaum möglich schien.
Lesen Sie auch:
Experten befürchten Klagewelle gegen das neue Glücksspielrecht
Kollateralschaden im Staatsvertrag: Landtag besiegelt das Aus der Sportwette „Oddset“
Zu Beginn der Diskussion wollte die Mehrheit, angeführt von den SPD-regierten Ländern, am generellen Verbot des Online-Glücksspiels festhalten. Gerade Niedersachsen, zuständig für das Blocken des Zahlungsverkehrs zwischen Spielern und illegalen Glückspielanbietern, sah durch zunehmende Erfolge bei diesem Verfahren einen guten Grund dafür, an der bisherigen Regelung festzuhalten. Zugleich aber wurde der Druck auf die Länder immer größer. Während das Online-Glücksspiel zwar eigentlich verboten war, fand es im Internet dennoch Tag für Tag statt. Insgesamt liegen die Bruttospielerträge laut den Daten der Länder bei etwa 14 Milliarden Euro pro Jahr. Der Anteil der Angebote, die man je nach Einstellung Grau- oder Schwarzmarkt nennen kann, bewegt sich dabei im dreistelligen Millionenbereich und steigt seit Jahren weiter rasant an. Der Spielerschutz blieb bei diesen nicht regulierten Angeboten staatlicherseits allerdings auf der Strecke, zudem gingen Millionen theoretischer Steuergelder verloren.
Kompromiss ist ein Befreiungsschlag in einer hart geführten Debatte
Vor allem Nordrhein-Westfalen, so ist zu hören, soll in der Länderrunde die Reform des Glücksspielstaatsvertrages und damit eine sinnvollere Regulierung vorangetrieben haben. Hilfreich war wohl, dass in NRW auf Seiten der CDU die Koordinierung der B-Länder (CDU-geführt) liegt, während der Koalitionspartner FDP die Zusammenarbeit der sogenannten F-Länder koordiniert. Aber auch die anderen Länder schwenkten im Laufe der Zeit auf diese Linie ein, wobei zwei Fragen für alle Länder im Mittelpunkt standen: Wie erreicht man die beste Suchtprävention? Und wie einigen wir uns auf eine gemeinsame Regelung der 16 Bundesländer?
Der Kompromiss, der jetzt auf dem Tisch liegt, ist ein Befreiungsschlag in einer lange und hart geführten Debatte. Wer Poker im Internet spielen oder das Rouletterad digital drehen möchte, kann das, wenn alle Länderparlamente die Pläne absegnen, ab Mitte kommenden Jahres legal machen. Am 19. Februar soll es noch eine zentrale Anhörung mit Interessenverbänden in Nordrhein-Westfalen geben, am 5. März wollen die Ministerpräsidenten die neue Regulierung beschließen. Aber ist der neue Vertrag überhaupt der große Wurf und das erwünschte Aus für den Schwarzmarkt? Hier besteht nach wie vor Unsicherheit. Vor allem in der Glücksspielbranche ist man skeptisch. Dort sieht man zu hohe Hürden für Konsumenten, die künftig bei legalen Anbietern spielen wollen. Das Registrierungsverfahren sei zu kompliziert.
Wer es einfach und schnell mag, könnte weiter den Schwarzmarkt nutzen
Grundlage des Verfahrens wird voraussichtlich die Sperrdatei Oasis (Onlineabfrage Spielerstatus), die in Hessen bereits genutzt wird. Spieler werden beim Glücksspielanbieter unter anderem Namen, Lichtbild sowie Geburtsdatum und -ort angeben müssen. Die Daten landen auch in der zentralen Datei. Hinzu kommt, dass Spieler den Plänen zufolge nicht mehr als 1000 Euro im Monat für Online-Spiele ausgeben sollen. Auch das muss vom Anbieter und in der Sperrdatei überwacht werden. Glücksspielanbieter befürchten, dass das zu hohe Hürden für Spieler sein könnten, um sich bei dann legalen Anbietern anzumelden. Wer es lieber einfach und schnell mag, könnte auch wie bisher die Angebote auf dem Schwarzmarkt nutzen. Dieses Problem sieht man durchaus auch in der Politik. Es bestehe die Gefahr, dass Spieler im Schwarzmarkt bleiben, heißt es auch in Niedersachsen. Allerdings lässt sich heute noch nicht die Frage beantworten, wie viele das sein werden. Schließlich hätte eine Liberalisierung des Glücksspielmarktes in anderen EU-Ländern bisher gezeigt, dass auch dort keine hundertprozentige Legalisierung möglich gewesen sei – auch ohne die 1000-Euro-Regelung.
Standort für die neue Behörde ist noch nicht klar
Klar ist schon heute, dass das Oasis-System künftig mit gigantischen Datenmengen arbeiten muss. Der erste große Lackmustest dürfte bei der Fußballweltmeisterschaft 2022 anstehen, wenn landesweit tausende Spieler zeitgleich auf Fußballspiele wetten werden. Dann muss das System sekundengenau erfassen, wer laut zentraler Sperrdatei auch zum Spiel berechtigt ist und ob dessen Limit von 1000 Euro das Spiel überhaupt zulässt.
Unklar ist noch, wo die Bundesbehörde, die all die Datenströme prüft und die neue Glücksspielregulierung durchsetzt, ihren Sitz haben wird. Hessen hat Interesse angemeldet, schließlich werde das hessische Sperrsystem genutzt. Auch Nordrhein-Westfalen, Bayern und Sachsen-Anhalt haben die Hand gehoben und hoffen auf den Zuschlag für eine Behörde, die mit Sicherheit eine dreistellige Anzahl von Mitarbeitern benötigen wird. Aus Verhandlungskreisen heißt es, es sei wahrscheinlich, dass eher ein Land den Zuschlag bekommt, das sich in der Debatte weder in die eine noch in die andere Richtung zu stark positioniert habe. Hessen hätte durch das Oasis-System auf jeden Fall keinen Vorrang.
Auszuschließen ist derzeit auch nicht, dass die neue große Glücksspielbehörde am Ende ihren Sitz in der Lausitz haben könnte. Schließlich hat man den bald ehemaligen Kohlerevieren zugesagt, sie mit (Behörden-)Infrastruktur zu unterstützen.
Legalisierung spielt wohl zweistellige Millionensumme in den Haushalt
Zufrieden zurücklehnen kann man sich in Niedersachsen derweil im Finanzministerium und bei der Lotto-Gesellschaft. Im Ministerium, weil durch die Steuermehreinnahmen wegen der Legalisierung von Anbietern vermutlich eine zweistellige Millionensumme in den Haushalt fließen wird.
nd beim staatlichen Glücksspielanbieter, weil durch eine „Lex Lotto“ das staatliche Glücksspiel separiert wurde. Wer Lotto spielt, soll mit der Sperrdatei nichts zu tun haben und muss auch keine Spielverbote befürchten. „Von dem Verbot ausgenommen ist die Teilnahme an Lotterien, die nicht zweimal pro Woche veranstaltet werden“, heißt es im aktuellen Entwurf. Allerdings ist es nicht unwahrscheinlich, dass die klagefreudige Glücksspielbranche juristisch prüft, wie gerichtsfest diese Regelung ist. Man könnte darauf wetten.