Nur noch elf Monate hat die Landesverwaltung Zeit, um die rund 610.000 Hektar für die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) Natura 2000 gemeldeten Flächen in Schutzgebiete umzuwandeln. Schafft sie das nicht, nimmt die Europäische Union das Vertragsverletzungsverfahren wieder auf, dem Bund und damit Niedersachsen drohen hohe Bußgelder. Noch sind mehr Verfahren für die Unterschutzstellung von Gebieten offen als abgeschlossen. Mitten in diese geschäftige Endphase platzte vor zwei Monaten die Ankündigung von SPD und CDU im Koalitionsvertrag, man wolle das ganze Verfahren zur Ausweisung der Schutzgebiete noch einmal überprüfen. Vielleicht gebe es ja noch einen anderen Weg zur Erfüllung der Pflicht gegenüber der EU, ohne den harten Kurs des damaligen Grünen-Umweltministers einschlagen zu müssen. In der Folge waren Land- und Waldbesitzer, aber auch die Landkreise als untere Naturschutzbehörden irritiert. Sollte der bisherige Aufwand etwa umsonst gewesen sein?

Naturschutzgebiet Celle. Foto: Christian Link

Verbesserung für Waldbesitzer

Bisher hieß es aus der Koalition, der Weg in dieser Sache sei noch nicht spruchreif, Agrar- und Umweltministerium sollten sich abstimmen. Umweltminister Olaf Lies gab dennoch gestern in der Veranstaltung des Landkreistages Entwarnung. Es bleibe nahezu alles beim Alten, auch weiterhin seien die Kreistage für die Ausweisung der Schutzflächen zuständig und würden jeweils einzeln entscheiden, ob Flächen Landschafts- oder Naturschutzgebiete würden. Lediglich für die Waldbesitzer gebe es eine Verbesserung. Sie bekämen in jedem Fall den sogenannten Erschwernisausgleich vom Land gezahlt, auch wenn ihr Land lediglich zum Landschaftsschutzgebiet erklärt wird. Bisher gab es diese Zahlung nur, wenn das Waldstück als Naturschutzgebiet ausgewiesen worden war. Hier gelten jedoch wesentlich strengere Auflagen für das Bewirtschaften der Fläche. Lies betonte, dass man sich beim Runden Tisch mit dem Niedersächsischen Landkreistag (NLT), betroffenen Landkreisen und den Forstverbänden einig geworden sei, dass die bisherige Vorgehensweise die sinnvollste ist. „Allerdings haben wir den Leitfaden zur Ausweisung der Natura-2000-Flächen noch einmal präzisiert.“ Nur die Flächen, die vor rund 20 Jahren als mögliche Schutzgebiete an die EU gemeldet worden sind, sollten auch als solche ausgewiesen werden. Und das solle mit dem mildesten Mittel geschehen. „Wo also ein Landschaftsschutzstatus ausreicht, soll er gegeben werden. Das wiederum liegt im Ermessen der zuständigen Landkreise“, sagt Lies.

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Der Schutzgrad hatte in der Vergangenheit immer wieder für Diskussionen zwischen Interessensverbänden, Betroffenen und Politik geführt. Erst im Sommer vergangenen Jahres hatten der damalige Umweltminister Stefan Wenzel und Lies in seiner früheren Rolle als Wirtschaftsminister einen         Disput darüber, ob die für die Schifffahrt bedeutenden Gebiete Tideweser, Außenems und Unterelbe unbedingt unter Naturschutz gestellt werden müssten oder ob die Ausweisung als Landschaftsschutzgebiet reicht. Lies vertritt weiterhin diese Ansicht. „Mich hat es geärgert, dass das Naturschutzgebiet als einziges Mittel für die Erfüllung der Verpflichtung gegenüber der EU dargestellt worden ist“, sagte er. „Aber das ist falsch, denn auch ein Landschaftsschutzgebiet erfüllt die Anforderungen.“ Wie es mit den Flussmündungen demnach weitergeht, ist unklar, aber die Waldbesitzer können davon ausgehen, dass mehr ihrer Fläche nur als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen werden wird. Hier muss genau bestimmt werden, welche Teile des Gebietes nun zu welchen Zeiten und mit welchen Auflagen unter Schutz gestellt werden. Beim Naturschutzgebiet ist das umgekehrt, hier müssen die Ausnahmen festgelegt werden.

Darf nicht der Eindruck entstehen, das Thema sei nicht ernst

Bernhard Reuter, Präsident des NLT, zeigte sich erfreut über die schnelle Klärung über das weitere Vorgehen bei der Umsetzung der FFH-Richtlinie. „Ohne eine klare Linie wären wir in unserer Planung weit zurückgeworfen worden. Und die Konsequenzen sind zu groß, als dass wir zulassen dürfen, dass in den Landkreisen der Eindruck entsteht, das Thema sei nicht so ernst.“ NLT-Geschäftsführer Hubert Meyer zeigte sich optimistisch, dass ein Großteil der Gebiete zum Jahresende ausgewiesen sein können, aber nicht alle. „Es wird vermutlich noch offene Verfahren im zweistelligen Bereich geben.“ Derzeit sind 153 Ausweisungsverfahren abgeschlossen, aber 232 werden noch bearbeitet.