Der Wolf teilt die Geister. Der Streit zwischen denen, die Angst vor diesem Tier haben und den anderen, die den Wolf bewundern, wird immer heftiger. Holger Buschmann, der Landesvorsitzende des Naturschutzbundes (Nabu), mahnt zur Sachlichkeit und warnt vor Zuspitzungen. Im Gespräch mit Rundblick-Redakteur Niklas Kleinwächter erläutert er, wie aus seiner Sicht ein vernünftiger Umgang mit dem Wolf aussehen kann. Hören Sie hier den Politiknerds-Podcast: Soundcloud | Spotify | Apple-Podcast

„Wir sollten den Wolf schützen“, sagt Nabu-Chef Holger Buschmann im Podcast | Foto: Link

Rundblick: Wie bewerten Sie die aktuelle Politik der Landesregierung gegenüber dem Wolf?

Buschmann: Man hat fast den Eindruck, es werde eine Jagd auf den Wolf eröffnet. Dabei handelt es sich hier nach wie vor um ein geschütztes Tier, und längst leben nicht so viele Exemplare bei uns in Niedersachsen, dass man schon von einem erreichten „günstigen Erhaltungszustand“ reden könnte.

Rundblick: Viele meinen, dass der Wolf in eine Kulturlandschaft eindringt, in der er ein Fremdkörper ist. Er solle dort nichts zu suchen haben – zumal er, außer dem Menschen, keinen natürlichen Feind hat…

Buschmann: Der Wolf ist kein Ungeheuer, sondern ein sehr intelligentes, anpassungsfähiges Wesen, auch ein soziales Wesen, das nicht mit Wildnis gleichzusetzen ist. Er braucht ruhige Gebiete, um seinen Nachwuchs aufzuziehen. Genügend Nahrung findet der Wolf bei uns, denn die Dichte an Schalenwild in Deutschland ist hoch, sie war noch nie so hoch wie heute. Aus anerkannten Studien geht hervor, dass der Wolf im Nordosten Niedersachsens gute Lebensräume findet. Wir sollten den Wolf schützen.

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Rundblick: Auch die Problemwölfe?

Buschmann: Nein, auch dort sind wir dafür, sie abzuschießen. Es gibt zwei Voraussetzungen dafür, dass ein Wolf zum Problemwolf wird. Erstens, wenn er sich dem Menschen nähert, was auch daran liegen kann, dass er vorher angelockt wurde. Zweitens, wenn er die empfohlenen effektiven Schutzvorkehrungen überwindet und Nutztiere reißt, was auch nur ausnahmsweise geschieht.

Rundblick: Wie viele Wölfe haben wir nach Ihrer Schätzung in Niedersachsen – und sollte es nicht eine Obergrenze geben, wie Umweltminister Olaf Lies es sich vorstellt?

Buschmann: Wir gehen von 40 Rudeln aus, wobei diese meistens zwei erwachsene Tiere und zwei bis acht Jungtiere haben. Mit dem Begriff „Obergrenze“ kann ich als Biologe wenig anfangen. Es ist so, dass wir genügend Wildtiere haben, die den Wölfen als Nahrungsquelle dienen können. Diese Zahl und der Herdenschutz sind maßgeblich dafür, wie viele Wölfe es geben sollte.

Rundblick: Die Landesjägerschaft übernimmt das Wolfsmonitoring. Ist das nicht ein Fehler, da man den Jägern unterstellen kann, dass sie eher von zu vielen als zu wenigen Wölfen ausgehen?

„Eines darf nicht sein: Dass eine Abschussgenehmigung für einen Problemwolf gegeben wird, ohne dass es sich um einen Problemwolf handelt.“

Buschmann: Wir sind dafür, die Aufgabe den Jägern zu geben, denn das erhöht die Akzeptanz. Natürlich gibt es hin und wieder die Fälle mit den „drei S“, aber im Großen und Ganzen klappt das gut, denke ich.

Rundblick: „Drei S“?

Buschmann: „Schießen, Schaufeln, Schweigen“ – ein Hinweis auf illegale Wolfsabschüsse, die gar nicht auffallen.

Rundblick: Der Staatsgerichtshof hat das Umweltministerium verurteilt, mehr Informationen zu den Abschuss-Ausnahmegenehmigungen zu geben. Wie beurteilen Sie das Urteil?

Buschmann: Die Entscheidung hatte ich so erwartet. Das Umweltministerium hatte die Taktik angewandt, Informationen immer Stück für Stück herauszugeben. Was wir für die Zukunft erwarten, ist eine frühzeitige Einbindung der anerkannten Naturschutzverbände in solchen Fragen. Es geht nicht darum, Jäger oder Behördenmitarbeiter zu identifizieren, wie unterstellt wird. Es geht darum, die Kriterien für Abschuss-Ausnahmegenehmigungen zu erfahren und überprüfen zu können.

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Rundblick: Was genau meinen Sie?

Buschmann: Eines darf nicht sein: Dass eine Abschussgenehmigung für einen Problemwolf gegeben wird, ohne dass es sich um einen Problemwolf handelt. Wenn es etwa Nutztierrisse gibt, die darauf beruhen, dass die Zäune rund um die Herde nicht richtig gesichert waren, dann handelt es sich nicht um einen Problemwolf. Ein Problemwolf ist es dann, wenn er es schafft, einen 1,20 Meter hohen Schutzzaun, der elektrisch geladen ist, zu überwinden.

„Wenn nun einige meinen, mit der Aufnahme des Wolfs ins Jagdrecht einen Weg zu finden, den Wolf zu bejagen, dann irren sie.“

Rundblick: Wie muss denn ein solcher Zaun genau beschaffen sein?

Buschmann: Wichtig ist die unterste Litze des Zauns, die in 20 Zentimeter Höhe angebracht wird. Sie muss funktionieren – und die Weidetierhalter müssen sie ständig, alle paar Wochen, von Bewuchs frei halten. Bisher wird die Anschaffung, aber noch nicht die Pflege dieser Elektrozäune vom Staat unterstützt. Daran sollten wir arbeiten.

Rundblick: Sie setzen also auf Schutzzäune. Aber wie soll das in großen Gebieten wie der Heide oder am Deich gelingen?

Buschmann: Auch Deiche kann man einzäunen, das geht. Was den Schutz der Schafherden etwa in der Heidelandschaft angeht – hier muss der Staat die Schäfer unterstützen, dass es mehr Hirten gibt. Eine Alternative wäre, dass ein Hirte auf weniger Tiere aufpassen muss. Auch hier ist der Staat zur Hilfe gefordert, denn die Schäfer müssen von der Haltung weniger Tiere leben können.

Rundblick: Sie gehen gegen die neue Wolfsverordnung an. Warum? Außerdem protestieren Sie dagegen, den Wolf ins Jagdrecht aufzunehmen…

Buschmann: Die neue Wolfsverordnung ermöglicht es, auch solche Wölfe zu töten, die keine Problemwölfe sind. Das widerspricht unserer Meinung nach dem EU-Recht und kann am Ende zu einem EU-Vertragsverletzungsverfahren führen. Wenn nun einige meinen, mit der Aufnahme des Wolfs ins Jagdrecht einen Weg zu finden, dann irren sie. Das geht gar nicht und soll nur den falschen Eindruck erwecken, man dürfe auf den Wolf jetzt schießen.

Rundblick: Wenn Sie nun für mehr und noch besser gesicherte Zäune eintreten – stört das nicht die biologische Vielfalt, da das dann Grenzen für andere Tiere werden?

Buschmann: Der Nabu Niedersachsen hat bereits länger ein Herdenschutzprojekt laufen und dabei bereits rund 700 Hektar eingezäunt, die Überprüfungen haben ein interessantes Bild ergeben. Tatsächlich werden Wölfe und Wildschweine von solchen Zäunen abgehalten, Rehe, Hirsche, Hasen und Igel aber kommen da ohne Probleme durch oder springen drüber.

Rundblick: Es ist mal behauptet worden, der Nabu wolle zwei Grizzlybären in Niedersachsen heimisch machen, die dann den Wolf regulieren sollten. Können sie über solche Scherze noch lachen?

Buschmann: Aber klar. Man muss bedenken, dass die Nahrung des Bären zu mehr als 80 Prozent aus Pflanzen besteht. Das ist ein Unterschied zum Wolf und die beiden Arten können sehr gut nebeneinander leben.