23. Juni 2025 · 
NotizGesundheit

Apotheker hadern mit Cannabis-Regelung

Die Einfuhr von Medizinalcannabis hat sich 2024 mehr als verdoppelt. Der Verdacht auf Missbrauch liegt nahe. Eine verhängnisvolle Rolle spielen Onlineportale.

Die Apothekerkammer Niedersachsen ist besorgt über die Zunahme von Online-Verschreibungen von medizinischem Cannabis ohne persönlichen Kontakt mit Ärzten und Apothekern. „Es gibt Portale, auf denen braucht man nur einen standardisierten Fragebogen ausfüllen und erhält dann ein gültiges Rezept für Medizinalcannabis, das jede Apotheke einlösen muss“, sagt Kammerpräsidentin Cathrin Burs. Im Jahr 2024 hat sich die Einfuhr von getrockneten Cannabisblüten für medizinische und wissenschaftliche Zwecke mehr als verdoppelt auf 72 Tonnen gegenüber 32,5 Tonnen im Vorjahr, rechnet die Apothekerkammer mit Verweis auf das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte vor. Der Verdacht liegt nahe, dass Konsumenten die Online-Verschreibungen nutzen, um sich Cannabis zu Genusszwecken zu besorgen. Burs schlägt daher der Bundesregierung vor, medizinisches Cannabis wieder als Betäubungsmittel einzustufen. Seit April 2024 ist es lediglich rezeptpflichtig, fällt aber nicht mehr unter das Betäubungsmittelgesetz. Die Online-Portale organisieren oft nicht nur das Rezept, sondern auch den Versand der Substanz, sodass sowohl die persönliche Untersuchung durch einen Arzt als auch die Beratung durch eine Apotheke umgangen wird. „Wer Medizinalcannabis einnimmt, sollte die Wirkung von einem Arzt überprüfen und gegebenenfalls nachjustieren lassen“, empfiehlt Burs. Die Online-Verfügbarkeit verleite aber zu einem „Sorten-Hopping“, sodass Konsumenten unkontrolliert verschiedene Produkte ausprobieren, ohne über Wirkungen und Nebenwirkungen aufgeklärt zu sein. Die Präsidentin wünscht sich mehr Offenheit auf Seiten der Ärzte dafür, Cannabis zur Therapie von Schmerzen, Spastiken oder Übelkeit infolge einer Chemotherapie zu verschreiben, denn dafür gebe es gute bis moderate Evidenzen. Sie hofft, dass dann weniger Patienten, bei denen es eine medizinische Indikation gibt, auf die Onlineportale ausweichen. Die Gesundheitsministerkonferenz hat das Problem ebenfalls erkannt und fordert die Bundesregierung auf, Leitplanken für die Telemedizin zu entwickeln.

Dieser Artikel erschien in Ausgabe #116.
Anne Beelte-Altwig
AutorinAnne Beelte-Altwig

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