Die regionale Vielfalt in Niedersachsen hat auch manche sonderbaren Verwaltungsstrukturen zur Folge. So gibt es landesweit vier Träger der Unfallversicherung, die sich auf das Land und die Kommunen beziehen – „Gemeindeunfallversicherungsverbände“ (GUV) in Hannover, in Oldenburg und in Braunschweig, sowie daneben noch die Feuerwehr-Unfallkasse (FUK). Diese sind, ebenso wie Renten- und Krankenversicherung, Teile der Selbstverwaltung, die paritätisch von Arbeitgebern und Versicherten getragen wird.

Seit vielen Jahren gibt es nun Diskussionen darüber, ob man nicht die drei GUV und die FUK in einer einzigen Organisation vereinen könnte. Bisher ist das immer gescheitert, doch nun soll ein neuer Referatsleiter aus dem Sozialministerium, das die Aufsicht führt, den Begriff „Zwangsfusion“ verwendet haben. Zur Sozialwahl 2029 solle der Schritt vollzogen sein. Hinter den Kulissen ist nun der Aufruhr groß.
Bisher war das Nebeneinander von vier eigenständigen GUV in Niedersachsen von der aufsichtführenden Landesregierung toleriert worden. Wie es hieß, war das auch ein Akt des Respekts vor den regionalen Befindlichkeiten. Noch im März teilte die Landesregierung dem Landtag mit, den Prozess einer Fusion müsse man „aufgrund der jahrzehntelang deutlich formulierten Bedenken“ aus einzelnen Regionen „sorgfältig begleiten“. Eine „gute Kommunikation“ sei nötig. Damals war noch eine Referatsleiterin für die GUV-Aufsicht im Einsatz, die offenbar den Stab nicht über die Struktur brechen wollte.
Ihr Nachfolger, seit wenigen Wochen im Amt, hat nun offenbar in einem Vermerk die Reformnotwendigkeit unterstrichen und dabei auch die Möglichkeit einer verordneten Fusion beschrieben. Bestätigt wird das offiziell nicht, doch in kommunalen Kreisen macht der Vorgang längst die Runde. Stephan Siefken, Landrat der Wesermarsch und Vorstandsvorsitzender der GUV Oldenburg, bezeichnet das Vorgehen des Referatsleiters gegenüber dem Politikjournal Rundblick als „Angriff auf die Selbstverwaltung“.

Ein großer Anteil der GUV-Leistungen betrifft die Schüler. Sie sind seit mehr als 50 Jahren auf dem Weg zur Schule, in der Schule und auf dem Rückweg versichert. Weitere Leistungen betreffen die Studenten und die Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes. Vor einigen Jahren betrug der Landeszuschuss an die Landesunfallkasse Niedersachsen für Schüler, Studenten und Beschäftigte rund 27 Millionen Euro jährlich. Der Landesrechnungshof hatte schon vor Jahren Überlegungen angestellt, wie eine Reform der GUV-Einheiten aussehen könnte und welchen Nutzen das hätte.
Sehr weit gehen konnten die Prüfer dabei zunächst nicht. Denn obwohl schon im Sozialgesetzbuch des Bundes die Auflage bestand, bis Ende 2008 Reformkonzepte vorzulegen, wehrten sich einige GUV gegen die Finanzkontrolle des Rechnungshofes – auch mit Blick auf ihre Selbstverwaltungshoheit. Während es in anderen Bundesländern gelang, landsmannschaftliche Traditionen aufzulösen und je eine GUV für das ganze Land zu schaffen, klappte das in Bayern und in Niedersachsen bisher nicht. Die GUV in Oldenburg und Braunschweig entschieden, gemeinsam mit der FUK und der Unfallkasse Bremen eine „Verwaltungsgemeinschaft“ zu bilden – offensichtlich in der Absicht, bestimmt nicht mit der GUV Hannover vereint zu werden.
Die GUV Hannover und die Landesunfallkasse (LUK) sind sowieso schon eng verzahnt, sie haben einen gemeinsamen Geschäftsführer – und so erscheinen die Hannoveraner vermutlich in Oldenburg und Braunschweig als „zu dominant“ in Niedersachsen. Nun hatte der Landesrechnungshof in seinem Bericht 2021 festgestellt, dass die Verwaltungskosten erheblich abweichen. Die Kosten je Versicherungsverhältnis waren 2018 in der GUV Hannover bei 5,41 Euro, in Braunschweig bei 6 Euro und in Oldenburg bei 6,92 Euro, bei der FUK bei 7,32 Euro. In einer der beiden bayerischen GUV lag der Betrag bei nur 3,90 Euro. Der Grund dürfte darin liegen, dass gerade in Oldenburg und Braunschweig vergleichbare wenige Versichertenfälle auf einen stabilen Mitarbeiterstab der GUV treffen.