Bei der E-Mobilität gilt der ehemals größte Autobauer der Welt nicht gerade als Vorreiter. Während Tesla im Jahr 2021 weltweit fast 940.000 Elektroautos auslieferte, verkaufte VW gerade mal 263.000 vollelektrische Personenwagen. Selbst der gesamte Volkswagen-Konzern inklusive Audi, Skoda, Porsche, Seat und Cupra konnte zusammen nur etwa halb so viele E-Autos absetzen wie der Konzern von Elon Musk.

Der „Volksstromer“ ID.Life (ab 2025), der nur 20.000 Euro kosten soll, und die E-Limousine „Trinity“ (ab 2026) sollen das Blatt zugunsten der Wolfsburger wenden. Bei der Ladetechnologie will sich Volkswagen erst gar nicht von der Konkurrenz abhängen zu lassen: Im Innovation Hub Knoxville arbeitet VW bereits an der Abschaffung des Ladekabels, gleichzeitig entwickelt die Technologieschmiede Volkswagen Group Components (VGC) einen autonomen Laderoboter. Doch im Kampf um die innovativste Ladetechnik bekommt VW nun ausgerechnet Konkurrenz aus Niedersachsen.

Der Anteil der Elektrofahrzeuge an den Neuzulassungen ist in Deutschland sprunghaft gestiegen. 2020 lag der Anteil noch bei 13,5 Prozent. 2021 hatten bereits 26,0 Prozent der insgesamt 2,6 Millionen neuen Autos in Deutschland einen Elektroantrieb, berichtet das Kraftfahrzeugbundesamt. Der Ausbau der Ladeinfrastruktur kommt dagegen eher schleppend voran. Derzeit gibt es bundesweit gerade mal rund 50.000 öffentliche Ladestationen, obwohl laut einer Studie des Bundesverkehrsministeriums (BMVI) bis 2030 mindestens zehnmal so viele benötigt werden. „Die Zahl ist abhängig davon, wie viel private Ladeinfrastruktur verfügbar und wie stark ausgelastet die öffentlich zugängliche Ladeinfrastruktur ist“, heißt es in der BMVI-Studie von November 2020. Der Großteil der Ladevorgänge wird sich 2030 jedoch im privaten Bereich abspielen. Das Studienteam prognostiziert einen Bedarf von 5,4 bis 8,7 Millionen privaten Ladepunkten am Wohnort. „Für den Arbeitsplatz ergibt sich ein Bedarf an etwa 2,5 bis 2,7 Millionen Ladepunkten“, heißt es weiter. Hinter der privaten Ladeinfrastruktur steckt also ein Milliardengeschäft, was auch die KfW-Förderung für private Ladestationen verdeutlicht: Innerhalb eines Jahres waren alle 800 Millionen Euro vergriffen, bei der pro Ladepunkt pauschal 900 Euro ausgezahlt wurden.
Im privaten Bereich ist die sogenannte „Wallbox“ derzeit die beste Möglichkeit, um ein Elektroauto aufzuladen. Die Wallbox lädt den Akku mit ihren 22 Kilowatt fünf- bis zehnmal schneller auf als eine normale Haushaltssteckdose (2,3 Kilowatt). Zahlreiche Anbieter tummeln sich hier bereits auf dem Markt – auch VW bietet mit dem „ID.Charger Connect“ ein durchaus konkurrenzfähiges Produkt an. Doch das ist Volkswagen nicht genug. Der Konzern will mit sich einem autonomen Roboter die Vorherrschaft über das Aufladen in Parkhäusern und Tiefgaragen sichern. „Unser Laderoboter ist nur einer von mehreren Ansätzen, sicher aber einer der visionärsten“, sagte Thomas Schmall, Vorstandsvorsitzender von Volkswagen Group Components, bei der Ankündigung des technischen Wunderwerks im Dezember 2020. Der Roboter funktioniert dabei als Stromüberbringer zwischen den Autos und einer zentralen Ladestation: Er steuert die geparkten Fahrzeuge völlig autonom an, öffnet die Ladeklappe automatisch und lädt sie auch völlig selbstständig auf. Ohne großen baulichen Aufwand können die Betreiber von Parkplätzen, Parkhäusern und Tiefgaragen dadurch jeden Stellplatz elektrifizieren.

Mit etwas größerem baulichen Aufwand ist der Laderoboter von Continental verbunden. Hier benötigt jeder Stellplatz eine eigene Bodeneinheit, die allerdings ganz einfach per Kabel ans Stromnetz angeschlossen werden kann. Die Entwickler von Continental Engineering Services (CES) haben zusammen mit dem Schweizer Startup Volterio folgende Tankvorgang ausgetüftelt: Der Fahrer parkt das E-Auto ungefähr über der Bodeneinheit, wobei der Laderoboter laut Conti eine Abweichung von 30 Zentimetern toleriert. Dann stellt der Roboter automatisch eine Steckverbindung zwischen den Komponenten auf dem Garagenboden und einem Modul am Unterboden des Fahrzeugs her, um das Auto aufzutanken. „Unser Laderoboter ist ein echter Evolutionsschritt, um die Elektromobilität komfortabler und alltagstauglicher zu machen“, verspricht CES-Geschäftsführer Christoph Falk-Gierlinger und kündigt die Serienanfertigung des Geräts für 2024 an. Damit wird die Conti-Innovation vermutlich vor dem VW-Roboter auf den Markt kommen, für den es noch keinen Starttermin gibt.

Bei Smartphones ist das induktive Aufladen ohne Kabel bereits selbstverständlich. Demnächst soll diese Technologie auch für Elektrofahrzeuge verfügbar werden. Im Innovation Hub Knoxville entwickelt die amerikanische VW-Tochter bereits ein derartiges Ladesystem, das die große Schwäche der Induktion beheben soll – den enormen Ladeverlust bei der Stromübertragung. Nach Angaben der „Volkswagen Group of America“ wurde ein erster Prototyp bereits im Oktober erfolgreich an einem Porsche Taycan getestet. Das Ergebnis: 98 Prozent der Energie erreichten bei der Übertragung von Spule zu Spule die Fahrzeugbatterie. Bevor das induktive Laden jedoch auch in der Praxis interessant ist, muss die Ladeleistung noch deutlich gesteigert werden. Die Entwickler konnten die Leistung zwar schon von 6,6 auf 120 Kilowatt erhöhen. Das Ziel liegt jedoch bei 300 Kilowatt, wodurch der Porsche Taycan innerhalb von 10 Minuten zu 80 Prozent aufgeladen werden kann. Damit wäre die Induktion sogar noch schneller als eine aktuelle Hochleistungsladesäule. Diese benötigt laut Herstellerangeben etwa 22,5 Minuten, um die Batterie des elektrischen Sportwagens auf 80 Prozent zu bringen.

Der chinesische Autohersteller Aiways plant mit „Carl“ einen ähnlichen Laderoboter wie VW. „Carl wird per App bestellt, findet das Auto selbständig und dockt automatisch an, ohne dass der Fahrer vor Ort sein muss“, heißt es in einer Pressemitteilung von April 2020. Laut Aiways braucht der Roboter weniger als 50 Minuten, um eine Batterie auf 80 Prozent aufzuladen. Wann „Carl“ tatsächlich über die ersten Parkplätze rollen wird, ist unbekannt. Anfang 2022 soll zunächst einmal der erste Elektro-SUV von Aiways auf den europäischen Markt kommen.

In China erfreut sich das Konzept „Tauschen statt Laden“ großer Beliebtheit. Der chinesische Autobauer Nio beispielweise hat inzwischen mehr als 500 Batteriewechselstationen in Betrieb, an denen die leer gefahrenen Akkus einfach gegen volle ausgetauscht werden. Zusammen mit chinesischen Energieriesen Sinopec (400 Milliarden Euro Jahresumsatz) will Nio diesen Akkutausch künftig auch noch automatisieren. Die „Power Snap Station 2.0“ verfügt laut Hersteller über 239 Sensoren sowie vier Cloud-Computing-System und ermöglicht es dem Benutzer, „einen Batteriewechsel mit nur einem Klick selbst durchzuführen, während er im Auto sitzen bleibt“. Pro Tag und Station sind laut Nio bis zu 312 Tauschvorgänge möglich. In den nächsten Jahren sollen 5000 solcher Stationen entstehen – zunächst in China. Aber auch auf dem deutschen Markt will der Autobauer demnächst Fuß fassen. Im vierten Quartal 2022 soll der „Tesla-Jäger“ Nio ET7 auf den deutschen Markt kommen. Der Kaufpreis für die rund 650 PS starke Elektrolimousine ist noch nicht bekannt.
