Mehrere heikle Personalfragen lasten auf Innenminister Pistorius
Wie geht es weiter bei der Polizei? In den kommenden Wochen sind mindestens zwei, wenn nicht drei leitende Posten neu zu besetzen – alle betreffen wichtige Funktionen ganz oben in der Hierarchie. Was wird Innenminister Boris Pistorius (SPD) tun? Einige der Personalfragen sind nicht ganz unproblematisch, und das Personalkarussell im Ministerium beginnt sich schon zu drehen. Viele Beobachter rechnen damit, dass es bis zu einer Klärung nicht mehr lange dauert.
Die absolut wichtigste Frage betrifft den Landespolizeipräsidenten – das ist der höchste Polizist im Lande, angesiedelt direkt unter dem Minister und dem Staatssekretär. Amtsinhaber Uwe Binias (61) hatte wenige Tage vor der Landtagswahl unter öffentlichem Protest die CDU verlassen und in einem Interview erklärt, dass er unter einer enormen Belastung stehe. Da er bei CDU und FDP „kein Vertrauen mehr“ genieße, fürchte er, sein Amt nicht mehr so ausfüllen zu können, „wie es sein müsste“. Daraufhin war unter anderem vom Beamtenbund der Verdacht laut geworden, Binias wolle auf Weisung des Ministers von seiner Position entbunden werden – ein Schritt, der ihm eine höhere Pension bescheren würde als im Fall eines eigenen Antrags auf vorzeitige Pensionierung. Doch eine Entlassung müsste eine echte Vertrauensstörung voraussetzen, die aber weder Pistorius und die SPD noch der neue Koalitionspartner CDU gegenüber dem Landespolizeipräsidenten hegen. Das Gegenteil trifft zu: Die CDU hat dem Spitzenbeamten erst kürzlich ausdrücklich ihr Vertrauen ausgesprochen.
Damit ist die Lage verzwickt: Es gibt keine politischen Gründe der Landesregierung, sich von Binias zu lösen, denn er genießt den Zuspruch des Kabinetts. Dass er auf eigenen Wunsch Abschied nehmen will, ist aber bisher nicht zu erkennen. Wird der Landespolizeipräsident also doch im Amt bleiben? Dagegen spricht, dass er im Oktober erklärt hatte, sein Amt nicht mehr in der gewohnten Weise ausfüllen zu können. Das ist eigentlich ein Alarmsignal, wenn der oberste Polizist im Lande eine solche Aussage trifft. Mit Spannung wird nun erwartet, wie der Innenminister diese Personalfrage klären wird. Für die Landesregierung am einfachsten wäre es wohl, wenn Binias doch auf eigenen Wunsch den Vorruhestand anstreben und dabei die Versorgungsabschläge in Kauf nehmen würde. Eine Entlassung birgt die Gefahr, dass die Opposition mit kritischen Nachfragen zu ergründen versucht, ob das Vertrauensverhältnis tatsächlich gestört war oder dies nur vorgegeben wurde. Einen ähnlichen Fall hatte es vor 17 Jahren schon einmal gegeben, seinerzeit im Zusammenhang mit dem damaligen Verfassungsschutzpräsidenten Rolf-Peter Minnier.
Die Gerüchteküche brodelt
Aber das Amt des Landespolizeipräsidenten ist nicht die einzige Stelle, die vermutlich neu besetzt wird. Zunächst geht es um die Leitung der Polizeiakademie. Hier ist die Situation relativ übersichtlich, als aussichtsreicher Anwärter für den Posten des bisherigen Direktors Dieter Buskohl gilt Carsten Rose, der jetzt schon in der Akademie tätig ist. Mitte März wird zudem Uwe Kolmey, Präsident des Landeskriminalamtes, in den Ruhestand wechseln. Anders als bei Binias handelt es sich hier, wie auch bei Buskohl, nicht um die Position eines politischen Beamten, der über ein besonderes Vertrauensverhältnis an den Minister gebunden ist, sondern um eine reguläre Laufbahn-Beamtenstelle. Da für die LKA-Position eine besondere Kenntnis der Kripo und ihres Arbeitsumfelds erforderlich ist, bleibt der Kreis der möglichen Bewerber eingeschränkt. Thomas Ring, LKA-Vizepräsident, käme ebenso in Betracht wie Axel Brockmann, Leiter des Referates Kriminalitätsbekämpfung im Innenministerium. Brockmann gilt als Allzweckwaffe im Ministerium, er ist ein Fachmann bei der Analyse des Kriminalitätsgeschehens, war früher lange im LKA, beim Staatsschutz und auch schon in anderen Positionen des Innenministeriums. Pistorius, heißt es, hält auf ihn große Stücke – auch wenn Brockmann der CDU angehört und 2014 für das Amt des hannoverschen Regionspräsidenten kandidierte. Der Beamte gilt als kenntnisreich und loyal, und manche meinen sogar, Brockmann wäre nicht nur für Kolmeys Stelle, sondern auch für die Binias-Nachfolge ein geeigneter Kandidat. Kaum jemand kenne den Polizeiapparat besser als er.
Allerdings brodelt es in der Gerüchteküche, und für leitende Aufgaben werden noch andere Namen gehandelt. Das gilt weniger für den Posten des LKA-Präsidenten, das nach B4 besoldet wird, wohl aber für den Posten von Binias, der wie alle Abteilungsleiter in den Ministerien mit B6 eingestuft ist. Zwei SPD-nahe Polizeipräsidenten werden zuweilen genannt, Johann Kühme aus Oldenburg und Bernhard Witthaut aus Osnabrück. Für beide wäre das aber mit dem Umstand verknüpft, dass sie nach Hannover umziehen müssten. Der parteilose hannoversche Polizeipräsident Volker Kluwe wird hin und wieder erwähnt, er genießt in Polizeikreisen einen guten Ruf. Unklar ist, ob er wechseln würde. Dass Landespolizeidirektor Knut Lindenau aufrückt, der immerhin eine hohe SPD-Affinität hat, gilt intern als unwahrscheinlich. Er fühle sich auf seinem jetzigen Posten wohl, heißt es. Neuer Chef des Landespolizeipräsidiums müsste aber auch kein Polizist werden, in Betracht käme auch ein Jurist aus dem Haus.
Zu den Nachwuchshoffnungen aus dem Ministerium gehört etwa der bisherige Ministerbüroleiter Thorsten Kornblum, der im vergangenen Jahr schon einmal kurz davor stand, Abteilungsleiter zu werden, wenn auch nicht in der Polizeiabteilung. Dann aber kamen der Übertritt von Elke Twesten und der Verlust der rot-grünen Landtagsmehrheit dazwischen – und am Ende wurde die damals von Pistorius geplante größere Umorganisation des Innenministeriums mit Rücksicht auf die damals politisch aufgewühlten Zeiten nicht umgesetzt. Kornblum blieb auf seinem Posten, Pistorius verzichtete darauf, die Strukturen an die neuen Aufgaben, etwa für eine Digitalisierungsoffensive, anzupassen und beispielsweise eine Abteilung mit einem juristischen Schwerpunkt zu schaffen. Nicht ausgeschlossen ist, dass alte Pläne nun wieder aufleben, wenn auch modifiziert. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben – dieser Grundsatz gilt ja auch in der Landespolitik. (kw)