Massiver Ärger über die heimliche Rückkehr des „Widerspruchsverfahrens“
Als Schwarz-Gelb noch regierte, freute sich die Koalition über eine große Weichenstellung: Die „Widerspruchsverfahren“ wurden weitgehend abgeschafft. Wer fortan einen Bescheid einer Behörde bekam, etwa über Abwassergebühren, konnte dagegen nur noch mit einer Klage vorgehen. Die zuvor gegebene Möglichkeit, erst noch einmal eine höhere Verwaltungsinstanz mit einer kostenfreien Überprüfung zu beauftragen, wurde gestrichen. Nun plant Rot-Grün offenbar die Rückkehr dieses „Widerspruchsverfahrens“ – und das durch die Hintertür.
Wenn heute der Innenausschuss über das neue Kommunalabgabengesetz berät, liegt den Abgeordneten eine geharnischte Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft der Kommunalverbände vor. Städtetag, Städte- und Gemeindebund und Landkreistag sprechen darin von „erheblichen Irritationen“ und einer „erheblichen Verärgerung“. Denn in aktuellen Änderungsvorschlägen der rot-grünen Koalition, die dem Gesetz vor der Verabschiedung im Landtag einen letzten Schliff geben sollen, sind viele von den Kommunen gewünschte Klarstellungen nicht enthalten. So hätten sich die Verbände erhofft, dass die Bestimmungen zur Erhebung von Straßenreinigungsgebühren und zu Fremdenverkehrsbeiträgen noch konkreter gefasst werden, damit sie mit der aktuellen Rechtsprechung übereinstimmen. Dies sei aber nicht geschehen.
Auf der anderen Seite sind die Kommunalverbände verstimmt, weil Rot-Grün in der nachgereichten Vorlage nun plötzlich an mehreren Stellen in mehreren Landesgesetzen eine Rückkehr des „Widerspruchsverfahrens“ einleiten will. Das betrifft etwa die kommunalen Abgaben, das Pflanzenschutzrecht, den ökologischen Landbau, das Bodenschutz- und Gentechnikgesetz, das Wasserhaushalts- und das Naturschutzgesetz. Die angepeilte Reform zu den Kommunalabgaben wird also mit mehreren anderen Gesetzesänderungen verknüpft. Dabei ist wiederholt vom „Behördenoptionsmodell“ die Rede. Das bedeutet, dass die betreffende Behörde, also auch die Kommune, selbst entscheiden kann, ob sie einen Bescheid zunächst als „Vorverfahren“ tituliert oder gleich als endgültigen Bescheid. Im ersten Fall wäre ein Widerspruch zur Entscheidung einer höheren Behörde möglich, im zweiten Fall müsste wie bisher gleich gegen einen Bescheid geklagt werden.
Geplant ist von der Koalition, bei der Novelle des Kommunalabgabengesetzes im „Huckepack“ gleich das Justizgesetz zu ändern und dort das „Behördenoptionsmodell“ einzuführen. Dieser Schritt, der auch im Koalitionsvertrag mit einem knappen Satz angekündigt worden war, erzürnt nun die Kommunen. Sie meinen, dass einige Ministerien wohl auf der Rückkehr des „Widerspruchsverfahrens“ gedrängt hätten, weil sie sonst das Kommunalabgabengesetz nicht mitgezeichnet hätten. Dies werde von den Kommunen „kritisch beurteilt“. Das Verwaltungsverfahrensrecht könne „nicht Spielwiese für innovative Methoden sein“. Das Behördenoptionsmodell sei im Übrigen schwer anzuwenden, sei „so kompliziert, dass hier nur massenhaft Rechtsfehler entstehen können“. Die Reform verursache hohe Bürokratiekosten und schaffe Unübersichtlichkeit, wenn in einer Behörde zu einem Verwaltungsvorgang ein „Widerspruchverfahren“ möglich ist, in einer anderen aber nicht. Die Kommunen seien mit der Integration der Flüchtlinge schon belastet genug. „Warum in dieser Situation zusätzliche bürokratische Verfahren eingeführt werden müssen, ist für uns nicht nachvollziehbar“, heißt es.Dieser Artikel erschien in Ausgabe #199.