Die norddeutschen CDU-Landesverbände haben am Mittwochabend im hannoverschen Kongresszentrum über den Entwurf des neuen Grundsatzprogramms der Partei diskutiert. Anfang Mai soll der Bundesparteitag das Papier beschließen, über das es heißt, es trage eine deutlich konservativere Handschrift als die früheren Leitlinien der Christdemokraten.

Vor mehr als 500 Teilnehmern im Kuppelsaal traten führende CDU-Politiker auf, um die Inhalte des Programmentwurfs vorzustellen und der Basis Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. An der Spitze erschienen CDU-Chef Friedrich Merz, Generalsekretär Carsten Linnemann, der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther und der niedersächsische CDU-Landesvorsitzende Sebastian Lechner.
„Wenn bei mir in der Firma jemand eine neue Idee hat, dürfen alle fünf Minuten lang nur Gründe dafür nennen – erst danach darf widersprochen werden.“
Zum Auftakt propagierten CDU-Politiker einige einprägsame Thesen. Linnemann etwa erwähnte das Beispiel eines Unternehmers, der ihm gesagt habe: „Wenn bei mir in der Firma jemand eine neue Idee hat, dürfen alle fünf Minuten lang nur Gründe dafür nennen – erst danach darf widersprochen werden.“ Das, sagt Linnemann, sei eine gute Antwort auf die deutsche Neigung, immer nur die Bedenken vorzutragen. Für den Generalsekretär sind zwei Forderungen „typisch CDU“: Wenn Überstunden oder der Zuverdienst der Rentner (ab dem gesetzlichen Rentenalter) steuerfrei gestellt werden – „dann sollten wir das einfach mal ein paar Jahre lang ausprobieren“. Niedersachsens CDU-Chef Lechner fordert, die Gesetze dürften den Menschen ihr Verhalten nicht im Detail vorschreiben, wie es etwa mit dem Heizungsgesetz oder dem Verbrenner-Verbot geschehen sei. „Wir müssen den Leuten etwas zutrauen.“

Der Kieler Ministerpräsident Daniel Günther betont, er sei stolz auf den deutschen Sozialstaat mit der gezielten Hilfe für alle, die das brauchen. „Ich war in den USA, dort klafft zwischen wirtschaftlicher Hochleistung und bitterer Armut eine riesige Lücke. Bei uns ist das nicht so, und das ist gut.“ Günthers Bildungsministerin Karin Prien erntet Beifall für die Forderung: „Jedes Kind, das in die Schule kommt, muss deutsch sprechen können.“ Der frühere niedersächsische CDU-Chef Bernd Althusmann betont die christliche Orientierung der Politik – als Wertmaßstab für alle, die zuwandern, gleich mit welcher Religion. Der in dieser Veranstaltung sehr präsent und kraftvoll auftretende Althusmann ist es auch, der die Forderung aufstellt, dass sich Deutschland und Europa langfristig auch selbst verteidigen können müssen – notfalls auch ohne Hilfe der USA, wenn diese sich zurückziehen sollte. „Das wird viel Geld kosten.“ Philipp Amthor aus Greifswald sagt: „Wir dürfen nicht zu tolerant sein gegenüber Leuten, die unsere Werte nicht akzeptieren.“ Gitta Connemann von der Mittelstandsunion sagt: „Die CDU ist 2021 nicht mehr gewählt worden, weil sie nicht mehr offen gesagt hat, was ihre Meinung ist.“ Connemann verbindet das mit einem Plädoyer für die weitere friedliche Nutzung der Kernenergie.
„Es ist die Aufgabe der CDU, darauf Antworten zu finden. Und diese Antworten geben wir jetzt auch mit unserem Grundsatzprogramm.“
Erst nach knapp anderthalb Stunden tritt dann CDU-Chef Friedrich Merz auf das Podium – und beginnt seine Rede mit der Bemerkung, das neue CDU-Grundsatzprogramm sei „der Beweis dafür, dass wir es besser können als die gegenwärtige Bundesregierung“. Eine vernichtende Kritik an Kanzler Olaf Scholz schließt sich an, als Merz meint, alle bisherigen Kanzler hätten in der gegenwärtigen außenpolitischen Krisensituation auf ein stabiles deutsch-französisches Verhältnis geachtet. Scholz aber hinterlasse in der gegenwärtigen Lage gerade „ein vollkommenes Zerwürfnis mit Frankreich“. Dabei habe die Zeitenwende-Regierungserklärung des Kanzlers am 27. Februar 2022 viel Hoffnung geweckt. „Auch wir als CDU/CSU wollten uns damals hinter dem Kanzler versammeln. Aber seither hat die Bundesregierung nicht etwa das Falsche getan, sie hat gar nichts getan. Da kann man nur noch verzweifeln“, meint Merz unter kräftigem Beifall der Teilnehmer.

Kräftige Zustimmung ertönt, als Merz vom kulturellen Halt in einer Gesellschaft spricht, der heute „nötiger denn je“ sei. Merz nennt es „Leitkultur“. Erneut sagt der CDU-Chef, dass „alle demokratischen Parteien miteinander koalitionsfähig sein müssen“ und macht zwei Einschränkungen: „Wir schließen nur eines aus: die Parteien ganz links und vor allem die eine Partei ganz rechts. Mit der wird es keine Form der Zusammenarbeit geben.“ Die AfD weise auf „den einen oder anderen Punkt hin, der ein Problem ist“. Aber, betont Merz: „Es ist die Aufgabe der CDU, darauf Antworten zu finden. Und diese Antworten geben wir jetzt auch mit unserem Grundsatzprogramm.“