Linke fordern bundesweiten Mietendeckel und drohen mit Zwangsenteignung
Niedersachsens Linke drängt auf bezahlbare Mieten und kann sich dabei durchaus radikale Schritte vorstellen. „Wir schrecken auch nicht davor zurück, Miethaie zu enteignen“, sagt Heidi Reichinnek, Co-Vorsitzende der niedersächsischen Linken, am Montag bei einer Protestveranstaltung in Hannover. Der Bundestagsabgeordnete Diether Dehm unterstützt sie darin und verweist auf den Artikel 14 des Grundgesetzes, in dem es heißt, dass eine Enteignung „nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig“ ist. „Was die da in Berlin machen, ist also völlig grundgesetzkonform“, sagt Dehm über den rot-rot-grünen Senat in der Bundeshauptstadt.
Um ihre Drohung optisch zu verdeutlichen, haben die Linken vor dem Conti-Hochhaus der Uni Hannover einen meterhohen Hai aufgestellt, den sie „zu Fischstäbchen“ verarbeiten wollen, wie es auf einem Transparent heißt. Vor der Uni wollen sie die Erstsemester ansprechen, die in dieser Woche ihr Studium aufnehmen. Die Studenten erleben den Engpass auf dem Wohnungsmarkt zurzeit besonders deutlich, denn günstige Wohnungen gibt es immer weniger und gerade zum Semesteranfang stehen noch viele Studenten ohne ein Zimmer an ihrem neuen Studienort da.
Die Studentenwerke führen lange Wartelisten von bis zu neun Monaten. In Hannover warten laut offiziellen Angaben zurzeit 2034 Studenten auf einen Wohnheimplatz, in Göttingen sind es 1853 und in Braunschweig immerhin noch 635. Bei diesen Zahlen sind diejenigen, die sich gar nicht erst auf einen der wenigen Wohnheimplätze beworben haben, noch nicht mitgezählt.
Linke wollen gesamten Wohnungsmarkt neu gestalten
Doch die Aktion vor dem Uni-Gebäude hat für die Linken nur symbolischen Charakter. Ihnen geht es nicht um die Studenten allein, sondern um die gesamte Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt, den sie gerne grundlegend anders gestalten wollen. „Die Mieten in Niedersachsen steigen flächendeckend“, klagt Reichinnek. Wie das Bundesinnenministerium in einer Antwort auf eine schriftliche Anfrage vom Linken-Bundestagsabgeordneten Victor Perli darlegt, ist die Angebotsmiete in Wolfsburg zwischen 2012 und 2018 am stärksten angestiegen, nämlich um 63,1 Prozent. In Braunschweig ist sie im selben Zeitraum um 45,3 Prozent und in Hannover um 42,4 Prozent angestiegen.
Die Mieter werden schleichend enteignet, indem sie immer mehr von ihren Löhnen und Renten für die Wohnung ausgeben müssen.
In Lüneburg liegt die durchschnittliche Angebots-Nettokaltmiete mit 9,52 Euro pro Quadratmeter insgesamt am höchsten. Danach kommen Seevetal (wegen der unmittelbaren Nähe zu Hamburg) mit 9,34 und die Studentenstadt Göttingen mit 9,06 Euro je Quadratmeter. „Die Mieter werden schleichend enteignet, indem sie immer mehr von ihren Löhnen und Renten für die Wohnung ausgeben müssen“, sagt Perli. „Die Politik muss sich dafür einsetzen, dass wohnen bezahlbar bleibt.“
Kommunen sollen Miet-Obergrenze festlegen können
Linken-Landesvorsitzende Reichinnek formuliert deshalb drei Sofortmaßnahmen: Neben der Möglichkeit der Enteignung fordert sie einen kommunalen Mietendeckel und die Gründung einer Landes-Wohnungsbaugesellschaft. Der Anstieg des Angebotsmietpreises führe im nächsten Schritt dazu, dass der Mietspiegel angehoben wird und dadurch dann wiederum alle Mieten weiter ansteigen, erklärt Perli. „Die Mietpreisbremse versagt in Niedersachsen.“ Sie sei zu bürokratisch, niemand nehme den langen Weg auf sich, um einen Verstoß tatsächlich zu melden. Deshalb brauche es einen bundesweiten Mietendeckel, um das Grundrecht auf Wohnen umzusetzen.
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Dazu solle zunächst ein Gesetz beschlossen werden, erklärt Reichinnek, dass es den Kommunen ermöglicht, eigenständig eine Höchstmiete festzulegen. Sie möchte nicht vorschreiben, bei welchem Quadratmeterpreis die Miete gedeckelt wird – auch wenn die Linke sich prinzipiell eine Miet-Obergrenze von 5,60 Euro vorstellen könne. Bezahlbares Wohnen definieren die Linken deshalb so, dass die Miete nicht mehr als 30 Prozent des Nettoeinkommens ausmachen dürfe.
Darüber hinaus solle eine neue Landes-Wohnungsbaugesellschaft den Kommunen unter die Arme greifen, erläutert Perli. „Die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften sind nicht stark genug, um die Situation zu bewältigen.“ Jährlich würden 2000 Sozialwohnungen weniger gebaut, als in derselben Zeit aus der Bindung fallen. In den letzten 30 Jahren sei die Zahl der Sozialwohnungen bundesweit von 3 Millionen auf 1,2 Millionen gesunken.