Liebes Tagebuch,…
Liebe Niedersachsen,
die Erkenntnis, dass die Würde des Menschen in der Wahl besteht, kommt vom Schriftsteller Max Frisch, der heute vor 109 Jahren geboren wurde. Und sie ist in Frage zu stellen. Denn wir haben derzeit zwar die Wahl zwischen verschiedenen Mund-Nasen-Schutz-Masken, aber so richtig würdig sieht man damit ja nicht aus, wenn man mal ehrlich ist. Man fragt sich auch, warum die Ärzte im Fernsehen kurz vor der OP mit der Maske irgendwie respekteinflößend aussehen, man selbst aber wie der letzte Trottel mit Maske und beschlagener Brille an der Supermarktkasse steht.
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Ebenfalls keine Wahl haben viele Eltern mit Kindern im Kita-Alter. Vor acht Wochen wurden die Kitas geschlossen, und inzwischen herrscht immer noch mehr Not als Betreuung. Nach der TagesKolumne gestern haben mir Eltern einmal Einblick in ihren Alltag gegeben – an dieser Stelle vielen Dank für die Mails! Drei wichtige Hinweise an die Landesregierung kann man aus den Zuschriften schon einmal zusammenfassen:
- Home-Office ist trotz teilweise anderslautender Meinungen kein Synonym für Kinder-Nebenbei-Betreuung.
- Ob es für Eltern gut läuft oder nicht, hängt maßgeblich vom Management der jeweiligen Kita ab.
- Kaum einer blickt bei den Verordnungen noch durch – und das betrifft nicht unbedingt nur Verordnungsmuffel.
Vielleicht liegt es einfach auch nur daran, dass die politischen Entscheidungen in der Mehrheit von Männern aus der Kategorie 50 plus getroffen werden. Und nichts gegen Stephan Weil, aber jetzt sage ich Ihnen mal, was in diesem Land wirklich systemrelevant wäre: eine Ministerpräsidentin 40 minus mit kleinen Kindern.
Darüber spricht gerade niemand
Alle reden über Corona. Deshalb fallen viele andere Themen unter den Tisch. Das Politikjournal Rundblick lässt Politiker zu jenen Themen zu Wort kommen, über die zurzeit niemand spricht. Der dritte Teil unserer #AllesAusserCorona-Serie: Jörn Domeier und die Lebendtiertransporte – Artikel lesen
Noch mehr Stress als junge Mütter haben Sie im Moment vermutlich nur, wenn Sie in diesen Zeiten wirklich den falschen Job haben – zum Beispiel, wenn Sie unbedingt Schulleiter werden mussten. Mani Taghi-Khani leitet die KGS Schneverdingen und muss gerade die Abschlussprüfungen für die neunten und zehnten Klassen organisieren – und wenn man schon mal dabei ist, können die Schüler der 12. Klassen auch gleich noch ihre Klausuren schreiben. Mal kurz nachrechnen:
Halbe Gruppen + Extra-Räume für Risikoschüler + Räume für Schüler mit akuten Symptomen + Lehreraufsicht zur Vermeidung zur Gruppenbildung + Aufsichtskräfte vor den Toiletten = 41 Lehrer in 31 Räumen in allen acht Trakten der Schule.
„Erlaubt ist, was gelingt“, hat Max Frisch gesagt. Hört sich für mich so an, als würde das mit den Prüfungen an der KGS Schneverdingen klappen. Chapeau! Mehr dazu heute bei uns.
Frisch war übrigens der Auffassung, dass die Tagebuchform die einzige ihm entsprechende Prosaform sei und er sie genauso wenig wählen könne wie die Form seiner Nase. Wir wiederum würden unsere Nase wahnsinnig gerne einmal in das Tagebuch der SPD-Fraktionsvorsitzenden Johanne Modder reinstecken. Was darin nach Ihrer Wiederwahl mit nur 65 Prozent wohl stand? Liebes Tagebuch, …
- …wenn mir die 16 Galgenvögel, die mich nicht gewählt haben, beim nächsten Mal unter die Augen kommen, dann….
- Oder: …Geschieht dem Panti (Christos Pantazis, die Redaktion) ganz recht, dass er noch mieser abgeschnitten hat als ich!
- Oder:…Ich werde hier nicht der Christian Wulff der SPD im Landtag. Ich nicht!
All diese Einträge entspringen natürlich nur unserer überbordenden Phantasie, vermutlich ist die geschätzte Johanne Modder auch viel zu geerdet, um Tagebuch zu schreiben. Und wenn sie es tun würde, stünden bestimmt keine Gemeinheiten darin. Eine zielgenauere Analyse zur Lage der SPD nach der schwierigen Wahl im Fraktionsvorstand lesen Sie heute bei uns (kostenloses Probe-Abo hier).
Lesen Sie online:
Eltern fordern schnelle Öffnung von Kitas
Sie fanden diese TagesKolumne heute langweilig? Dann muss ich Ihnen ein Kompliment machen: „Geist ist die Voraussetzung der Langeweile“. Kommt natürlich auch von Max Frisch. Ich nehme am Wochenende einmal wieder „Stiller“ aus dem Regal. Und Sie?
Ich wünsche Ihnen einen geistvollen Wochenausklang
Martin Brüning