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Die Leuphana ist schon ein Musterbeispiel dafür, wie ein Mix aus besonderen Bedingungen zu einem fragwürdigen Bauvorhaben führt. Unter normalen Verhältnissen hätte es in dieser Stadt mit ihren rund 9000 Studenten keinen überdimensionierten Audimax gegeben, der 2000 Sitzplätze hat. Aber hier war es anders, und das liegt an unterschiedlichen Faktoren:
Erstens die Hochschule: 2005 mussten Fachhochschule und Uni in Lüneburg fusionieren, das Projekt wurde als wegweisendes Modell gepriesen, doch beide Seiten standen sich tatsächlich in tiefer Abneigung, teilweise Feindseligkeit gegenüber. Ein junges, agiles Team aus dem Präsidenten Sascha Spoun (Spezialgebiet Uni-Management) und Vizepräsident Holm Keller (Theaterwissenschaftler, Unternehmensberater und Komponist) trat an die Spitze, wollte interne Konflikte ausblenden und Minderwertigkeitskomplexe beseitigen: mit spektakulärer Werbung und großen Visionen. Sie holten zum Semesterstart Prominente wie den früheren US-Präsidenten Jimmy Carter nach Lüneburg, vor allem Keller knüpfte international Kontakte, bildete Seilschaften und nutzte sie. Dass die Leuphana als Stiftungs-Uni relativ frei und unabhängig vom Wissenschaftsministerium agieren konnte, begleitet von einem nicht wirklich zur Kontrolle fähigen Stiftungsrat, kam ihnen gelegen. Spoun und Keller preschten mutig vor, kritisch beäugt lediglich von studentischen Gremien, denen das Wirken der Uni-Spitze oft nicht ganz geheuer vorkam.
Zweitens die Region: Lüneburg ist eine selbstbewusste Stadt mit vorwärtstreibenden Kommunalpolitikern. Manchen war ein Dorn im Auge, dass die Uni von den Kasernenbauten der dreißiger Jahre geprägt war, also für eine NS-Vergangenheit stand – und so fand Kellers Idee, sich von dieser Tradition mit einem futuristischen Bau eines weltbekannten jüdischen Architekten bewusst abzugrenzen, gleich großen Anklang. Als die Planungen begannen, war die Region Lüneburg ein Förderschwerpunkt der EU – wegen des niedrigen Durchschnittseinkommens hier. Damit bot sich die Chance, EU-Zuschüsse zu organisieren, und der pfiffige Keller ging beherzt – und am Ende erfolgreich – an diese Sache. Die Stadt Lüneburg, die bis heute darunter leidet, dass sie nicht kreisfrei ist und landesweit nicht immer die nötige Anerkennung erfährt, ließ sich von Kellers Künsten verführen. Von Anfang an unterstützten die lokalen Politiker das Vorhaben vehement.
Drittens die Landespolitik: Keller und Spoun verstanden es geschickt, die wichtigen Akteure in Hannover zu umgarnen. Wenn von Lüneburg aus ein Leuchtturm ins Land strahlt, könnte auch die Landesregierung davon erhellt werden. Diese Vision reichte schon. Zumindest zwei der drei Wissenschaftsminister, die mit dem Projekt dann von Amts wegen näher zu tun hatten (Lutz Stratmann, Johanna Wanka und Gabriele Heinen-Kljajic), verzweifelten mit der Zeit und hielten Keller selbstherrliches Agieren vor. Der Vizepräsident änderte mehrfach seine Berechnungen, blieb wichtige Antworten schuldig, präsentierte zweifelhafte Finanzierungsmodelle und erntete Vorwürfe, er würde mit befreundeten Firmen unter einer Decke stecken. Eingeplant wurde etwa eine Vorsteuererstattung von drei Millionen Euro – bei einer unterstellten späteren gewerblichen Nutzung des Gebäudes, die bis heute fraglich bleibt. Als es um die Verlängerung des Vertrages mit Libeskind als Honorarprofessor ging und Wanka mit dem Gedanken an einen Schlussstrich spielte, mobilisierte Keller in Berlin die Unterstützer in der Sache, und so wurde von außen Druck – und von oben - auf die Landesregierung ausgeübt. Ständig schien es so, dass die Uni-Leitung ganz bewusst bis an die Grenzen der Zumutung ging – im festen Glauben, dass die Politik es nie wagen würde, die ganze Sache scheitern zu lassen. Dieser Glaube war wohl berechtigt. Auch Korruptionsvorwürfe der EU-Prüfbehörde Olaf, die im Mai 2013 in einem Bericht niedergeschrieben wurden, konnten das Projekt nicht mehr stoppen. Da war von einem merkwürdigen Vertrag mit Libeskind die Rede und von seltsamen Parallel-Aufträgen an verschiedene Architekten. Kurz flammte das Thema öffentlich auf, dann wurde es jedoch toleriert.
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Mit Beginn dieser Woche sind wohl all diese Vorgänge Geschichte. Jetzt steht der Leuchtturm da und will bestaunt werden. Und man ahnt: Diese Geschichte kann sich jederzeit wiederholen. (kw)