5. Mai 2021 · Bildung

Verbände fordern Geld für Schulen und Lehrer – statt Nachhilfe

Können eine Sommerschule oder Zusatzunterricht am Sonnabend dabei helfen, den Corona-bedingten Bildungsrückstand wieder aufzuholen? Niedersächsische Bildungsverbände raten von solchen Plänen ab und warnen sogar vor den Begrifflichkeiten. Allein schon die Bezeichnungen würden Kinder aus bildungsfernen Schichten eher abschrecken, meint Franz-Josef Meyer, Landesvorsitzender vom Verband Bildung und Erziehung (VBE). Teilnehmen würden stattdessen eher Kinder aus Akademikerhaushalten, die aber nicht zur angestrebten Zielgruppe zählten. Was den Schülern im Sommer stattdessen geboten werden müsse, seien Angebote für Bewegung, Abenteuer, Teamgeist und Kreativität, meint Meyer.

Pauken und Nachsitzen ist nicht das, was die Kinder jetzt brauchen.

Auch Laura Pooth, Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), mahnt: „Pauken und Nachsitzen ist nicht das, was die Kinder jetzt brauchen.“ Zusätzliche Unterricht am Wochenende könnte die Lehrkräfte zudem überlasten, fürchtet sie. Kritik übt die GEW-Chefin auch an dem von Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) angekündigte Förderprogramm für Nachhilfeunterricht in Höhe von zwei Milliarden Euro. Pooth bezeichnete es als „den falschen Weg, jetzt private Nachhilfe-Institute zu fördern“. Stattdessen wäre das Geld aus ihrer Sicht in festangestellte Fachkräfte besser investiert. Der Staat müsse Bildung als seine langfristige Aufgabe anerkennen, statt die Privatisierung der Bildung zu stützen, sagte Pooth.

Die drei niedersächsischen Bildungsverbände GEW, VBE und der Verband Niedersächsischer Lehrer (VNL) fordern vom Land daher jährliche Mehrausgaben für den Bildungsbereich in Höhe von 750 Millionen Euro. Insgesamt schulde das Land Niedersachsen dem Bildungsbereich sogar die stolze Summe von 5,6 Milliarden Euro, wie die Verbände errechnet haben. Dabei berufen sie sich auf eine Selbstverpflichtung von Bund und Ländern aus dem Jahr 2008.

Damals wurde die Zielmarke vereinbart, spätestens ab 2015 jährlich zehn Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) für Bildung auszugeben. Komplett umgesetzt worden sei diese Vereinbarung derweil nicht, weshalb nun die Baustellen im Bildungssektor allerorten offenkundig würden. „Niedersachsen hat endlich seinem selbst gesteckten Ziel nachzukommen, zehn Prozent des BIP in Bildung zu investieren. Das Land muss in den anstehenden Haushaltsberatungen dazu eindeutig Farbe bekennen“, sagte Torsten Neumann vom VNL.

GEW fordert 7000 zusätzliche Lehrerstellen

Investiert werden sollte dieses Geld laut GEW-Landeschefin Pooth in 7000 neue Lehrerstellen für Niedersachsens Schulen. Zusätzlich würden zudem weitere Stellen in der Schulsozialarbeit und Schulpsychologie benötigt, erklärte sie. Dass es einen großen Bedarf an Lehrkräften gebe, habe schließlich auch das Kultusministerium längst erkannt. Bereits 2018 habe eine Arbeitszeit-Kommission des Ministeriums ermittelt, dass rund 3600 zusätzliche Stellen eingerichtet werden müssten – allein um die Mehrarbeit der Lehrer an Grundschulen, Gesamtschulen und Gymnasien auszugleichen.

Pooth erklärte gestern, sich bei ihrer Forderung nach 7000 Stellen auch auf die Ergebnisse eben jener Kommission zu berufen. Sie habe jedoch die Bedarfe an Haupt-, Real- und Oberschulen, Sonderschulen und Berufsschulen hinzugerechnet, so Pooth.

Gewerkschaft fürchtet geringere Investitionsbereitschaft

Zum fehlenden Personal kommen erhebliche bauliche Mängel, wie der VBE-Landesvorsitzende Meyer gestern vor Journalisten erklärte. „Corona hat die Schwachstellen offengelegt“, sagte er und listete auf: verstopfte und kaputte Schultoiletten, kaputte Heizungen und Fenster, die sich nicht öffnen ließen. Hinzu komme die fehlende Ausstattung mit WLAN in den Schulen. Knapp 60 Prozent der niedersächsischen Schulen müssten saniert werden, meint Meyer. Um dem Sanierungsstau beikommen zu können, würden Schätzungen zufolge 5 Milliarden Euro benötigt. Hinzu kämen notwendige Investitionen in zusätzliche Räume für Ganztag, Inklusion und Sprachförderungen.

Das vom Land bereits aufgelegte Sanierungsprogramm in Höhe von 289 Millionen Euro bezeichnete der VBE-Chef als „Tropfen auf den heißen Stein“. Meyer befürchtet, dass die Auswirkungen der Corona-Pandemie die Investitionsbereitschaft der Kommunen nun noch weiter senken könnten. Seiner Ansicht nach brauche es nun eine gemeinsame Kraftanstrengung von Bund, Land und Kommunen.

Dieser Artikel erschien in Ausgabe #085.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

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