Legal, halb-legal, illegal? Die Glücksspiel-Regulierung bleibt schwierig
„Lotto ohne Grenzen“ oder auch „Die größten Jackpots der Welt“ verspricht ein Anbieter wie Lottoland in seiner Werbung. Das Werbebudget ist riesig, Millionen investiert das Unternehmen aus Gibraltar jedes Jahr angeblich in Deutschland. Der Unternehmer David von Rosen will mit Lottoland am Lotteriemarkt kräftig mitverdienen. Immerhin acht Milliarden Euro geben die Deutschen im Jahr für Lotterien aus und der Onlinemarkt, auf dem Lottoland aktiv ist, wächst. Da spielt es auch keine Rolle, dass es bei Lottoland nur so genannte „schwarze Wetten“ gibt. Es wird gar kein richtiges Lotto gespielt, sondern nur auf Lottoergebnisse gewettet. Der Kunde merkt das im Zweifel überhaupt nicht.
Bei Lotto Niedersachsen geht man davon aus, dass die illegalen Anbieter in Deutschland im vergangenen Jahr vermutlich rund 700 Millionen Euro umgesetzt haben. Das ist allerdings nur geschätzt. Offizielle Bilanzzahlen kennt man nicht. Von „Verbrauchertäuschung und Produktpiraterie“, sprechen Axel Holthaus und Sven Osthoff von Lotto Niedersachsen. Die illegalen Anbieter führten Kunden in die Irre, umgingen Steuerpflichten in Deutschland und erwirtschafteten keine Zweckerträge für das Gemeinwohl.
Dass von Rosens Unternehmen nicht in Deutschland, sondern in Gibraltar sitzt, hat einen Grund: Lotto ist in Deutschland streng reguliert und monopolisiert. Schon im ersten Paragraphen des gültigen Glücksspielstaatsvertrages heißt es, das Ziel sei, „durch ein begrenztes, eine geeignete Alternative zum nicht erlaubten Glücksspiel darstellendes Glücksspielangebot den natürlichen Spieltrieb der Bevölkerung in geordnete und überwachte Bahnen zu lenken sowie der Entwicklung und Ausbreitung von unerlaubten Glücksspielen in Schwarzmärkten entgegenzuwirken“.
Anbieter wie Lottoland sind nach Auffassung des niedersächsischen Innenministeriums deshalb vor allem eines: illegal. „Die einschlägige Rechtsprechung lässt keinen Raum für Zweifel an der Rechtswidrigkeit entsprechender Angebote“, heißt es in einer Antwort des Innenministeriums auf eine Anfrage der FDP-Landtagsfraktion. Das Ministerium beruft sich dabei auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im vergangenen Jahr. Aber ob legal, halb-legal oder illegal: Auch das merkt Kunde im Zweifel nicht. Immerhin läuft Lottoland-Werbung zum Beispiel im deutschen Privatfernsehen. Wer kann sich schon vorstellen, dass im durchregulierten Medienmarkt Werbung für etwas Illegales durchgehen könnte?
Ein möglicher erster Hebel gegen „schwarze Wetten“ ist damit ein Verbot von Werbung. Bisher hat es das zumindest bei den privaten Sendern noch nicht gegeben. Aber: „Sobald eine vollziehbare Untersagungsverfügung der Glücksspielaufsicht vorliegt, gehen die Medienanstalten gegen TV-Werbung des Glücksspielanbieters vor“, heißt es aus der niedersächsischen Landesmedienanstalt. Wegen der TV-Werbung für die Internetseite lottoland.gratis seien bereits 16 private Veranstalter von neun zuständigen Landesmedienanstalten angehört worden. Die endgültige Entscheidung steht derzeit noch aus.
So funktioniert Payment Blocking
Der zweite Hebel, um gegen illegale Glücksspielanbieter vorzugehen, ist das sogenannte Payment Blocking. Damit werden Zahlungen von Kunden an den Anbieter blockiert. Das Payment Blocking ist für die Behörden eine Art Nothebel, weil Untersagungsverfügungen gegen Anbieter im Regelfall nur schwer vollstreckt werden können. Denn diese sitzen nicht ohne Grund auf Malta oder in Gibraltar. Niedersachsen hat die zentrale bundesweite Zuständigkeit, es hat auch bereits erfolgreiche Verfahren gegeben. Der Weg ist allerdings bei jedem einzelnen Verfahren immer wieder lang: Zunächst muss dem Anbieter eine Verfügung zugestellt werden. Schon das ist oftmals nicht ganz einfach, weil der im Ausland sitzende Anbieter nicht immer das internationale Einschreiben annimmt – schließlich kann er bereits ahnen, was sich im Umschlag befindet. Wenn die Verfügung aber zugestellt wurde, wird der Zahlungsanbieter kontaktiert, um Geldströme zu blockieren.
Der Ansprechpartner muss dabei nicht unbedingt die Hausbank der Spieler sein, schließlich bieten Anbieter auch Zahlungen über Visa oder Mastercard an. Man verfolge einen „kooperativen Ansatz“ und arbeite derzeit mit mehreren betroffenen Zahlungsanbietern im In- und Ausland zusammen, heißt es aus dem Innenministerium. Die Kreditinstitute sind durchaus kooperationsbereit, weil sie ein eigenes Informationsinteresse haben. Auch für sie ist es schwer zu überblicken, was im Glücksspielmarkt legal und was illegal ist. Und sie wollen ihre eigene Marke schützen.
FDP warnt vor „chinesischen Verhältnissen“
Dennoch bleibt es bei einem aufwendigen Hase-und-Igel-Spiel zwischen Behörden und den ausländischen Lotto-Anbietern. „Das ist Ausdruck der verkorksten Gesetzgebung im Glücksspielwesen“, kritisiert Christian Grascha, Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion, der die Glücksspielanfrage an die Landesregierung gestellt hat. „Der Staat wird immer in der ‚Hase-Rolle‘ bleiben, solange es keinen regulierten Markt mit legalen Anbietern gibt.“ Das Sperren von Internetseiten ist für Grascha keine Lösung, er spricht von „chinesischen Verhältnissen“.
Aus dem Innenministerium heißt es, aus fachlicher Sicht seien auch andere Regulierungsmodelle des Online-Glücksspielmarktes denkbar. Es ließe sich aber nicht eindeutig feststellen, ob sie besser funktionierten. Einen konkreten Verbesserungsvorschlag gibt es allerdings aus dem Ministerium: „Die Aufsicht über Online-Glücksspielangebote wäre durch eine länderübergreifend zuständige Behörde grundsätzlich effektiver leistbar.“
Hessen und Nordrhein-Westfalen könnten im bundesweiten Kampf gegen illegales Glücksspiel die neuen Sorgenkinder sein.
Die Bekämpfung des Online-Glückspiel bleibt derweil nicht nur komplex, sondern auch fragil. „Sonderwege einzelner Länder bei der Glücksspielregulierung gilt es zu vermeiden; sie drohen den Vollzug in allen Ländern zu schwächen“, heißt es in der Antwort des Ministeriums auf die FDP-Anfrage. Hessen und Nordrhein-Westfalen könnten die neuen Sorgenkinder sein. Denn während Schleswig-Holstein schon seit längerer Zeit eigene Wege geht, stimmten jetzt auch Hessen und NRW gegen einen geänderten Glücksspielstaatsvertrag, in dem es allerdings lediglich um die Sportwetten ging.
Sollten mehrere Länder beim Glücksspiel künftig unterschiedliche Wege verfolgen, bekommen die Behörden gleich zwei Probleme. Zum einen könnten die Anbieter die Länder gegeneinander ausspielen. Zum anderen könnte auch der Europäische Gerichtshof dem aktuellen Vorgehen einen Strich durch die Rechnung machen. Denn dann gäbe es in Deutschland keine kohärenten Glücksspielregulierung und Verfolgung mehr.
„Gefahren rechtzeitig erkennen!“, steht über der Internetseite zur Spielsuchtprävention von Lotto Niedersachsen. Für die Behörden ist das im Kampf gegen illegales Glücksspiel gar nicht so einfach – denn die Gegner agieren 2700 Kilometer entfernt im Steuerparadies Gibraltar. (MB.)