29. Mai 2023 · 
Parteien

Landtagsverwaltung betont: Wir hatten ein früheres Ende der Greenpeace-Aktion gewollt

Die Nachwirkungen der Greenpeace-Störaktion während der Landtagssitzung am 3. Mai schlagen politisch immer noch hohe Wellen. In der vergangenen Woche hatte zunächst eine Vertreterin des Innenministeriums im Landtags-Innenausschuss über den Polizeieinsatz berichtet.

Foto: Kleinwächter

Ende vergangener Woche übte dann Landtagsdirektor Udo Winkelmann in einer Pressekonferenz Kritik an den Abläufen: „Es wäre gut gewesen, wenn die Protestaktion von Greenpeace frühzeitiger zum Abschluss gekommen wäre.“ Die Gründe für alles, was sich an dem Tag draußen am Landtagsgebäude ereignete, lägen aber „im Verantwortungsbereich der Polizei“ und nicht des Parlaments. Die Lageeinschätzung der Polizei „kann von uns nicht bewertet werden“, fügte Winkelmann hinzu.


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Am Morgen des 3. Mai waren 18 Greenpeace-Aktivisten mit zwei Hebebühnen auf das Dach des Landtags gelangt. Sie hatten rund um den Plenarsaal Spruchbänder befestigt und Transparente aufgehängt, auf denen sie gegen die geplante Erdgas-Förderung vor der Insel Borkum protestierten. Die Landtagsverwaltung hatte schon am frühen Morgen vor 6 Uhr die Polizei alarmiert. Im Innenausschuss erklärte die Referatsleiterin des Innenministeriums für Polizeieinsätze, dass die Polizisten die Lage gepeilt, Personalien aufgenommen und die Demonstranten zur Friedlichkeit aufgerufen hätten.

Landtagsdirektor Udo Winkelmann und Landtagspräsidentin Hanna Naber in der Landespressekonferenz. | Foto: Wallbaum

Erst gegen Mittag habe die Polizei dann die Teilnehmer vehement aufgefordert, das Dach zu verlassen – und von einer womöglich notwendigen Räumung gesprochen. Vertreter von CDU und AfD im Landtag warfen zu der jetzt vorgenommenen Nachbetrachtung der Ereignisse die Frage auf, ob das zurückhaltende Agieren der Polizei womöglich seinen Grund in einer Unentschlossenheit der Landtagsverwaltung gehabt haben könne. Denn erst gegen Mittag, nach drei Stunden Plenarberatung unter dem Eindruck der Greenpeace-Störaktion, hatte die Landtagsverwaltung eine Anzeige wegen Hausfriedensbruchs gestellt.



Landtagsdirektor Winkelmann widersprach dieser Vermutung nachdrücklich: „Die Strafanzeige hat überhaupt keinen Einfluss auf die Polizeistrategie gehabt“, betonte er und fügte hinzu: „Wir hatten am Morgen die Polizei angerufen in der Erwartung, dass die Polizei die Aktion schnell beendet.“ Zu mehreren Gesprächen, die es am Vormittag zwischen Polizei und Landtagsverwaltung gegeben hatte, nahm Winkelmann nicht näher Stellung, hob aber hervor: „Für die Landtagsverwaltung war bei jedem Gespräch mit der Polizei klar: Das Dach muss geräumt werden.“ Ein Journalist fragte, ob das vorsichtige Agieren der Ordnungskräfte auch mit der Uneinigkeit im Landtagspräsidium zu tun gehabt haben könnte.

„Das Hausrecht im Landtag übt die Landtagspräsidentin aus, die Landtagsvizepräsidenten haben keine Exekutivgewalt.“

Udo Winkelmann

Landtagsvizepräsidentin Meta Janssen-Kucz (Grüne) hatte nämlich am Morgen öffentlich ihre Solidarität mit der Greenpeace-Aktion erklärt. Winkelmann sagte dazu: „Das Hausrecht im Landtag übt die Landtagspräsidentin aus, die Landtagsvizepräsidenten haben keine Exekutivgewalt.“ In der Plenarsitzung am 3. Mai war auch kritisch gerügt worden, dass die Polizei sich nicht der Feuerwehr bedient habe, die frühzeitig die Transparente hätte entfernen können. Die Transparente hatten bis zum Mittag gehangen.

Die Polizei hatte offenbar eine Deeskalationsstrategie verfolgt in der Sorge, bei einer zwangsweisen Räumung des Landtags-Daches hätten Greenpeace-Akteure oder Polizisten verletzt werden können. Landtagspräsidentin Hanna Naber räumt auf Nachfragen ein, dass sie die Landtagssitzung am Morgen zwar habe „ordnungsgemäß eröffnen“ können. Es sei aber durchaus möglich, dass anschließend bei Abgeordneten ein Störgefühl entstanden ist.



Landtagspräsidentin stellt Aktionsplan vor:

Landtagspräsidentin Hanna Naber hat unterdessen ihr Arbeitsprogramm für die Wahlperiode vorgestellt. Sie will sich mit Grundproblemen der Demokratie befassen – wie Wahlrechtsreform, Ergänzung des Parlamentes durch Bürgerforen mit ausgelosten Mitgliedern, Debattenkultur und Repräsentation. Unter dem Motto „Präsidentin vor Ort“ will sie niedersächsische Demokratieprojekte besuchen. Die Vizepräsidenten sollen in den Schulen auftreten. Das Jahr 2023 steht für Naber unter dem Oberbegriff „Liebe Demokratie, bist Du für alle da?“, die Folgejahre können andere Leitfragen haben – so beispielsweise: Hat die Demokratie Reformkraft, schafft sie die Integration der Gesellschaft, fördert sie eine gute Gesprächskultur und kann sie sich weiter entwickeln? Mit den Plänen der Koalition, ein Landtagswahlrecht für 16- und 17-Jährige einzuführen, soll sich am 26. Juni eine große Konferenz in Zusammenarbeit mit der Landeszentrale für politische Bildung beschäftigen.

Dieser Artikel erschien am 30.5.2023 in Ausgabe #97.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

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