Soll die nach dem früheren Nachtjäger-Piloten Helmut Lent benannte Kaserne des Jägerbataillons 91 in Rotenburg umbenannt werden? Eine kritische Äußerung von Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) von vor wenigen Tagen legt die Vermutung nahe, die Spitze des Ministeriums befürworte die Namensänderung. Dagegen stemmt sich eine Initiative von Soldaten der Kaserne – und auch die Spitze der Kommunalpolitik. Sowohl Rotenburgs Bürgermeister Andreas Weber (SPD) als auch Landrat Hermann Luttmann (CDU) plädieren für ein Festhalten an dem Namen, den die Kaserne seit 1964 trägt. Luttmann warnt vor ungerechten Folgen einer Umtaufe der Kaserne: „Wenn wir jetzt den Namen Lent entfernen, vermitteln wir den Eindruck, er sei ein überzeugter Nazi gewesen. Das haben weder er noch seine heute noch lebenden Töchter verdient“, sagte Luttmann gestern dem Politikjournal Rundblick.

Helmut Lent war in den letzten Lebensjahren ein sogenannter „Nachtjäger“, der eingesetzt wurde, um britische Luftangriffe auf deutsche Städte zu bekämpfen. Er starb im Oktober 1944 mit 26 Jahren, als sein Flugzeug zwischen Stade und Paderborn unter bisher nicht geklärten Umständen abstürzte. Die Nazis hatten den erfolgreichen Jagdflieger als Helden gefeiert und für ihre Propaganda genutzt, obwohl er – abgesehen von Funktionen im Jungvolk – nicht Mitglied der Partei war. Zwar gibt es keine regimekritische Äußerung von Lent, aber Luttmann erläutert, warum er trotzdem vermutet, dass dieser Jagdflieger eben kein überzeugter Anhänger des NS-Systems war: In einer Todesanzeige sei er als „christlicher deutscher Soldat“ bezeichnet worden, er war mit einer Russin verheiratet und zwei seiner Brüder waren Pastoren, einer davon sogar in der „Bekennenden Kirche“. Ein Bruder habe großen Ärger mit dem NS-Regime gehabt. Luttmann meint, man könne nicht ausschließen, dass Lents familiäre Umstände den Nazis zuwider gewesen waren.

In Rotenburg gibt es neben Anhänger des Namens „Lent-Kaserne“ auch Kritiker, die sich für eine Namensänderung einsetzen. Der Landrat, der auch Kontakt zu Lents Töchtern hält, will das Thema Mitte Juni im Kreistag beraten lassen. Aufmerksam wurde im Landkreis eine wenige Tage alte Äußerung der Verteidigungsministerin registriert, die Lent – wie auch den ebenfalls jung gestorbenen Jagdflieger Hans-Joachim Marseille – als „nicht mehr sinnstiftend für die heutige Bundeswehr“ bezeichnete. Ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums erklärte dem Rundblick auf Anfrage, von der Leyen habe das „beispielhaft“ gemeint. Er fügte hinzu, dass es einige Kriterien gebe, nach denen Soldaten beurteilt werden können. Dazu zähle, ob sie ihr Verhalten reflektiert hatten und womöglich nach 1945 Verdienste um den Aufbau der Bundeswehr hatten. Beides gilt für Lent wohl nicht, da er früh ums Leben kam. Auch Kontakte zum Widerstand gegen Hitler hatte er, als 26-Jähriger, damals nicht. Kommt es nun zur Umbenennung, über die letztendlich wohl – nach Beteiligung der Soldaten und der Kommunen – das Ministerium entscheidet? „Wir sind erst am Anfang des Verfahrens“, sagt der Sprecher des Verteidigungsministeriums. Er weist auch darauf hin, dass der Umgang mit der Traditionspflege der Bundeswehr bis zum Ende der Wahlperiode, also bis Oktober, generell überprüft und geändert werden soll. Landrat Luttmann beklagt, dass in der ganzen Debatte die Würdigung der Rolle von Helmut Lent zu kurz komme. „Kein deutscher Militärhistoriker hat sich bisher näher mit ihm befasst. Das ist nicht gut.“