In den niedersächsischen Unternehmen lassen sich allmählich immer mehr Frauen in Spitzenpositionen finden. Zu diesem Ergebnis kommt der jüngste „Women-on-Board-Index“ (WoB-Index), der die Führungs- und Aufsichtsgremien von 103 öffentlichen und privatwirtschaftlichen Firmen aus Niedersachsen untersucht. Doch die Studienautorinnen von der Initiative „Frauen in die Aufsichtsräte“ (FidAR) sind mit dem Resultat nicht zufrieden. „Im Vergleich zum Vorjahr sind nur minimale Änderungen festzustellen. Das ist immer noch zu wenig“, kommentierte Studienleiterin und Organisationsforscherin Prof. Michèle Morner.

FidAR-Präsidentin Prof. Anja Seng fordert die Politik deswegen zum Handeln auf. „Es ist mehr Druck nötig. Wir fordern, dass der Geltungsbereich der Geschlechterquote für Aufsichtsräte und des Mindestbeteiligungsgebots für Vorstände auf deutlich mehr Unternehmen ausgeweitet wird“, sagte sie. Von der Landesregierung in Hannover erwartet sie Nachbesserungen beim Niedersächsischen Gleichberechtigungsgesetz (NGG). Das Land müsse seine Landesbeteiligungen noch viel nachdrücklicher in die Pflicht nehmen, damit diese sich ehrgeizigere Zielgrößen setzen und transparenter werden. Bei Aufsichtsgremien sollten die vom Land zu besetzenden Sitze zudem grundsätzlich paritätisch bestimmt werden. Hier könne sich Niedersachsen ein Beispiel am Bund nehmen.
Laut dem niedersächsischen WoB-Index liegt der Frauenanteil in Aufsichtsratsgremien bei 27,5 Prozent (plus 0,8 Prozent). In den Top-Managementorganen beträgt er 20,3 Prozent (plus 1,7 Prozent). Dass es im Vergleich zum Vorjahr kaum vorangeht, liegt nicht zuletzt auch an den 44 untersuchten Landesbeteiligungen, wo Stagnation angesagt ist. Bei den 25 kommunalen Unternehmen geht es aber ebenfalls kaum voran. Mehr Dynamik ist zwar in der Privatwirtschaft zu beobachten, die beim Frauenanteil in Aufsichtsgremien an den Landesbeteiligungen vorbeizieht.
Wenn es um Frauen im Topmanagement geht, kommen die 34 Privatunternehmen jedoch nur auf eine Quote von 15,4 Prozent. Das sind zwar drei Prozent mehr als im Vorjahr, für Prof. Morner aber immer noch viel zu wenig: „Wir sehen, dass die Privatwirtschaft hier weit abgeschlagen ist.“ 18 von 34 Unternehmen haben sogar ein komplett frauenfreies Top-Management – ein Zustand, den es bei den Landesbeteiligungen und den kommunalen Unternehmen überhaupt nicht gibt.
Wenig überraschend führen deswegen auch öffentliche Firmen das Ranking an. Auf den ersten fünf Plätzen rangiert die Tourismus-Marketing GmbH Niedersachsen (TMN) gefolgt vom hannoverschen Verkehrsbetrieb Üstra, dem Institut für pharmazeutische und angewandte Analytik (InphA), dem Niedersächsischen Staatstheater Hannover und der Metropolregion Hannover-Braunschweig-Göttingen-Wolfsburg. Das höchstgerankte Unternehmen der Privatwirtschaft ist der Fotodienstleister Cewe aus Oldenburg auf Platz 14. Auch der Versicherer Hannover Rück und das Energieunternehmen Avacon schaffen es noch in die „Top 20“. Am Ende der Tabelle finden sich die Vertreter typischer „Männerbranchen“ wie etwa das Logistikunternehmen Hellmann Wordwide, der Baustoffhändler Hagebau, der Elektrofachhändler Expert oder die Tankstellenkette „Q1 Energy“.
Sozialminister Andreas Philippi (SPD) teilt die Zielvorstellungen der FidAR-Initiative. „Unser Ziel muss die paritätische Besetzung von Führungspositionen sein. Gerechte Führung haben wir nur dann, wenn Frauen in Führungspositionen genauso normal sind wie Männer“, sagte er. Während Frauen vielerorts ausgebremst werden, würden sich ihre männlichen Kollegen häufig nicht aufgrund ihres eigenen Verdienstes auf der Überholspur befinden.
„Nicht immer sitzen die besten auf den Chefsesseln, sondern diejenigen, die den Chef an sein jüngeres Ich erinnern“, spottete Philippi und forderte das Aufbrechen von „althergebrachten Männer-Netzwerken, in denen Posten und Ressourcen weitergegeben werden“. In seinem Grußwort stellte er außerdem eine Novellierung des Niedersächsischen Gleichberechtigungsgesetzes in Aussicht. „Mit dem Gesetz schaffen wir effektive Regelungen zur Verwirklichung der Gleichstellung im öffentlichen Dienst“, verspricht der Gleichstellungsminister. Konkrete Details dazu nannte Philippi allerdings nicht.