Ungewöhnliche Wechsel: Landrat statt Landtag
Drei Landtagspolitiker, die in ihren Parteien auch als gut geeignet für höhere Aufgaben im Landesparlament oder in der Landesregierung gegolten hatten, entdecken ihre Zuneigung zur Kommunalpolitik. In Stade will Kai Seefried, derzeit CDU-Generalsekretär, bei der Landratswahl am 12. September 2021 neuer Landrat werden. Seefried hat sich, wie berichtet wird, im Vorfeld durchaus schwer getan mit der Entscheidung, die politischen Ebenen zu wechseln. Aber seine Verbundenheit zur Stader Region habe dann am Ende den Ausschlag gegeben.
Ebenfalls am 12. September ist auch die Landratswahl in Goslar, dort tritt Landrat Thomas Brych (SPD) nicht mehr an. Für die Sozialdemokraten kandidiert dann der bisherige Generalsekretär der Niedersachsen-SPD, Alexander Saipa aus Goslar. Ihm werden im Raum Goslar ebenso wie Seefried im Raum Stade gute Chancen eingeräumt – zumal starke Gegenkandidaten bislang nicht sichtbar sind.
Noch ein dritter Politiker mit großem landespolitischen Potenzial strebt in die Kommunalpolitik: Der bisherige Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion, Jens Nacke, ist von den CDU-Gremien im Ammerland als Landratskandidat aufgestellt worden – er soll nach den Vorstellungen der Christdemokraten am 12. September 2021 zum Nachfolger des bisherigen Landrats Jörg Bensberg gewählt werden. Der 60-Jährige Bensberg hatte überraschend auf eine neue Bewerbung verzichtet.
Warum der Wechsel ins Kommunale?
Was treibt nun diese drei Politiker an, warum ist für sie ein kommunales Mandat erstrebenswerter als eine Fortsetzung ihrer Karriere im Landtag? Einige Beobachter meinen, diese Entscheidung hänge auch mit einer gewissen Erstarrung der Landespolitik in Routineprozesse zusammen. Wegen der übergroßen Mehrheit der SPD/CDU-Koalition ist die Opposition auf eine relativ kleine Kopfzahl beschränkt, das hat auch Folgen für die Schärfe und die Nachhaltigkeit der parlamentarischen Auseinandersetzungen
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Die Corona-Krise mit ihrem Übergewicht der Exekutive hat diesen Vorgang noch einmal verschärft. Immer wieder beklagen vor allem Grüne und FDP, dass es eine „Entparlamentarisierung“ gebe, weil wichtige Einschnitte in die Grundrechte per Verordnung des Sozialministeriums und nicht über ein Gesetz festgelegt werden. Immerhin hat die CDU jetzt angekündigt, den Zustand alsbald beenden zu wollen und innerhalb der Großen Koalition auf eine stärkere Einbeziehung des Landtags in die Entscheidungen über die Corona-bedingten Einschnitte in Grundrechte zu drängen.
Wie einige Abgeordnete des Landtags hinter vorgehaltener Hand sagen, hat die Kombination aus Corona-Krise, Übergewicht der Exekutive und übergroßer Dominanz der Großen Koalition im Parlament schon zu einem Attraktivitätsverlust der Landtagsarbeit geführt.
Größere Gestaltungsspielräume
Andere wiederum verweisen auf die besondere Stellung der Landräte, Bürgermeister und Oberbürgermeister, die als direkt vom Volk gewählte Chefs der Verwaltungen in den Rat- und Kreishäusern einen relativ großen Gestaltungsspielraum haben. Das ist schon ein Unterschied zu Landtagsabgeordneten, die allein meist wenig zur Prägung eines Gesetzes beitragen können, sondern dazu stets die Unterstützung anderer brauchen, weil sie sich ständig auch um Mehrheiten für ihre Positionen kümmern müssen. Objektiv ist für die Landtagsabgeordneten auch die Verknüpfung von kommunaler Leitfunktion und Arbeit im Landesparlament schwieriger geworden.
Zur Kommunalwahl 1996 hatte der damalige Landtag die „Eingleisigkeit“ eingeführt. Bis dahin waren Landräte, Oberbürgermeister und Bürgermeister nur die ehrenamtlichen Vorsitzenden ihrer Räte und Kreistage, sie konnten daneben noch ein Mandat im Landtag wahrnehmen. Damals war von der „Fraktion der Bürgermeister und Landräte“ die Rede, von eine überparteilichen Einigkeit dieser Gruppe in Fragen etwa der Kommunalverfassung oder der Kommunalfinanzen. Gegen diese Macht konnte früher eine Regierungsfraktion wenig ausrichten. Da Landräte und Bürgermeister inzwischen aber flächendeckend hauptamtliche Verwaltungschefs und damit Beamte sind, dürfen sie nicht mehr nebenher ein Landtags- oder Bundestagsmandat ausüben.
Die CDU-Landtagsfraktion muss sich darüber hinaus noch auf einen weiteren möglichen Verlust einstellen: Fraktionsvize Mareike Wulf aus Hannover trägt sich mit Plänen, für den Wahlkreis Hameln/Holzminden als CDU-Bundestagskandidatin anzutreten. Auch die Steuerberaterin Irmgard A. Lohmann aus Emmerthal hat Interesse an einer Aufstellung für den Bundestag bekundet.