21. Sept. 2021 · 
Soziales

Land verschärft Druck auf Nicht-Geimpfte und hebt Einschränkungen bei 2G auf

Das Land Niedersachsen hat die Corona-Verordnung gründlich überarbeitet. Die neue Vorschrift macht die 2G-Regel noch attraktiver, definiert die Warnstufen 2 und 3, führt einen neuen Inzidenzwert ein und erlaubt wieder Großveranstaltungen mit bis zu 25.000 Teilnehmern. Die Verordnung gilt ab Mittwoch und ist bis zum 10. November gültig. „Damit haben wir die Herbstferien miteinbezogen“, erläutert Corona-Vize-Krisenstabsleiterin Claudia Schröder die ungewöhnlich lange Geltungsdauer. Die neue Corona-Verordnung setzt das um, was Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) in seiner Regierungserklärung vor einer Woche bereits angekündigt hatte: „Die jetzt geimpften Bürgerinnen und Bürger haben aber einen Anspruch darauf, dass sie ihr altes Leben uneingeschränkt führen können. Der Erfolg in der Pandemiebekämpfung ist ihr Erfolg, und sie sollen ihn auch merken.“ Möglich wird das durch die Ausweitung der 2G-Regel, auf die sich Veranstalter, Gastronomen und Betreiber ungeachtet aller Warnstufen beziehen können.

Auch Niedersachsen setzt im Umgang mit Corona künftig ganz auf die 2G-Regel. /Foto: Bihlmayer Fotografie

2G-Regel hebt Einschränkungen auf: Die sogenannte 2G-Regel beschränkt den Zutritt einer Veranstaltung, eines Lokals, Geschäfts oder Betriebs auf Genesene oder Geimpfte. „Wir haben klar geregelt, dass Veranstalter optional das 2G-Modell wählen können“, sagt Schröder und betont die Vorzüge, die eine solche Entscheidung mit sich bringt: „2G bedeutet immer, dass ich unabhängig von der Warnstufe keine Maske und auch keinen Abstand halten muss.“ Dort, wo keine 2G-Regel festgelegt wurde, gilt automatisch die 3G-Regel. Nicht-Geimpfte benötigen dann entweder einen Schnelltest oder einen PCR-Test (ab Warnstufe 2). „Dort, wo ich eine 2G-Regel habe, gilt diese auch für das Personal“, sagt Schröder: „Wer sich nicht offenbaren mag, muss einen entsprechenden Test nachweisen und eine Maske tragen, wenn der Abstand von 1,5 Metern zu den Gästen unterschritten wird.“ Regierungssprecherin Anke Pörksen stellt dazu klar: „Das ist kein Impfzwang, aber ein Impfdruck. Die Alternative zum Impfen ist unbequem und mühsam. Das tut uns auch leid, aber das ist nicht zu vermeiden.“ Eine Auskunftspflicht über den Impfstatus gegenüber dem Arbeitgeber gibt es nicht. „Die Beschäftigten sind nicht verpflichtet, ihrem Arbeitgeber das offen zu legen“, bestätigt Schröder. Doch praktisch wird die neue Regelung zur Folge haben, dass eine maskentragende Bedienung bei geltender 2G-Regel sich quasi öffentlich als Impfverweigerer outet. Pörksen: „Wir halten das für verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Aus unserer Sicht ist die aktuelle Verordnung ein Mittelweg, der vielleicht ansatzweise alle Interessen berücksichtigt.“

Allgemeinverfügungen jetzt auch vom Land: Bei der Festlegung der Warnstufen zählen künftig drei Indikatoren: Die Hospitalisierungs-Inzidenz, die landesweite Belegung der Intensivbetten und die altbekannte Sieben-Tage-Inzidenz. Eine neue Warnstufe wird dann ausgerufen, wenn neben dem Leitindikator „Hospitalisierung“ mindestens ein weiterer Indikator den zulässigen Wert übersteigt oder unter den festgelegten Wert sinkt. Sobald die Sieben-Tage-Inzidenz und ein zweiter, beliebiger Indikator betroffen sind, wird die entsprechende Allgemeinverfügung vom Landkreis oder der kreisfreien Stadt erlassen. Wenn es gleichzeitig um die Hospitalisierung und die Intensivbettenbelegung geht, hebt das Sozialministerium die Warnstufe fürs gesamte Bundesland an – oder senkt sie entsprechend ab. „Dabei gilt wie auch jetzt schon die Fünf-Tage-Regel“, sagt Schröder.

„Mit dem neuen Hospitalisierungswert schauen wir uns die Zahl der Neuaufnahmen an“, erläutert die Corona-Krisenstabsleiterin. „Der Fokus liegt dabei nicht auf der Belastung der Krankenhäuser, sondern auf den Neuinfektionen mit schweren Verläufen.“ Die Hospitalisierungs-Inzidenz hält fest, wie viele Menschen pro 100.000 Einwohner in den vergangenen sieben Tagen in Zusammenhang mit einer Corona-Infektion stationär in einem Krankenhaus aufgenommen wurden. „Der Wert liegt derzeit bei 3,3“, sagt Schröder. Warnstufe 1 wird erreicht, wenn die Inzidenz auf 6 steigt. Warnstufe 2 gilt ab einem Wert von 8, Warnstufe 3 ab einer Inzidenz von 11. Bei der Hospitalisierung werden nur die niedersächsischen Krankenhäuser erfasst. Wenn also etwa ein Niedersachse aus Buxtehude in ein Hamburger Hospital aufgenommen wird, wird er nicht gezählt.  Ganz unbeachtet bleiben diese Fälle aber nicht, versichert Schröder und sagt: „Wir haben einen grenznahen Austausch.“

Anke Pörksen und Claudia Schröder stellen die neue Corona-Verordnung für Niedersachsen vor. Foto: Link

„Freedom Day“ nicht in Sicht: Dass es überhaupt noch Corona-Beschränkungen in Niedersachsen gibt, liegt laut Schröder an der mäßigen Impfbereitschaft: „Wir müssen bei den Erwachsenen eine Impfquote von 80 bis 85 Prozent erreichen – und zwar bei allen Altersgruppen.“ Bislang liege nur die Altersgruppe über 60 Jahre im Soll. Hier beträgt die Impfquote laut RKI derzeit 87 Prozent. Dagegen sind nur 70 Prozent aller 18- bis 59-Jährigen vollständig geimpft. Bei den Jugendlichen (12 bis 17 Jahre) liegt die Quote bei 35 Prozent. „Wir müssen die Personengruppe der Ungeimpften besonders schützen“, gibt Schröder als Devise aus. „Das sind diejenigen, die sich infizieren und auch die schweren Krankheitsverläufe haben. 95 Prozent der Krankenhauspatienten sind ungeimpft“, sagt die Corona-Vize-Krisenstabsleiterin.

Für Discos gilt Ausnahme: Eigentlich schreibt die neue Corona-Verordnung für Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre keine Testpflicht vor, wenn die 2G-Regel gilt. Bei Diskotheken, Clubs oder Shisha-Bars gilt aber eine Ausnahme: Hier müssen auch Jugendliche immer zwingend einen Schnelltest vorweisen. „Discos und Clubs zeichnen sich dadurch aus, dass dort kein Abstand eingehalten wird“, begründet Schröder. Sie weist aber auch darauf hin, dass die Schnelltests für Kinder und Jugendliche bis 18 Jahren weiterhin kostenfrei bleiben – auch dann, wenn die Bundesregierung die kostenlose Bürgertests Mitte Oktober abschafft. Schwangere, stillende Mütter oder Personen, die aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden können, sollen ebenfalls weiterhin nicht für ihre Schnelltests zahlen müssen. Die Landesregierung kündigt zudem an, dass sie den Impffortschritt bei den Jugendlichen sehr genau beobachten wird. „Dieser Personenkreis hatte bisher deutlich weniger Zeit als alle anderen. Deswegen sind sie zunächst noch von der Maskenpflicht ausgenommen“, sagt Schröder. Doch sollte sich die Impfquote in dieser Altersgruppe nicht wie erwartet entwickeln, könnte die Ausnahmeregelung auch gekippt werden. „Wir schließen nicht aus, den Druck zu erhöhen“, sagt Pörksen.

Wir sind in Niedersachsen besonders vorsichtig. Und bislang sind wir auch ganz okay damit gefahren.

Anke Pörksen, Regierungssprecherin

Vorsicht bei Massenevents: Bei Großveranstaltungen gilt in Niedersachsen weiterhin eine Mengenbegrenzung. Die Teilnehmerzahl wird auf maximal 25.000 Besucher begrenzt. Zudem gilt, dass die Kapazität einer Veranstaltungsstätte nur bis zu 50 Prozent ausgereizt werden darf. Nur bei 2G-Regel darf die Auslastung 100 Prozent betragen. „Wir sind in Niedersachsen besonders vorsichtig. Und wir sind bislang auch ganz okay damit gefahren“, sagt Pörksen mit Blick auf andere Bundesländer, die derartige Beschränkungen nicht mehr kennen. 

Regeln für Weihnachtsmärkte in Arbeit: Die Landesregierung weiß, dass die Veranstalter von Advents- und Weihnachtsmärkten immer ungeduldiger werden. „Über eine ausdrückliche Regelung für Weihnachtsmärkte wird bereits nachgedacht“, verspricht Pörksen. Die neue Verordnung sei zwar bis zum 10. November gültig. Eine entsprechende Ergänzung zu den Weihnachtsmärkten könne aber auch schon früher aufgenommen werden.

Vor einem Lokal in der Altstadt von Hannover weist am Dienstag noch ein Schild auf die 3G-Regel hin. Foto: Link

Dieser Artikel erschien in Ausgabe #166.
Christian Wilhelm Link
AutorChristian Wilhelm Link

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