Im Schloss Marienburg knackt nicht nur das vom Hausschwamm zerfressene Gebälk, es knirscht auch im Verhältnis zwischen Land und Pächter. „Die größte Herausforderung, wie immer bei solchen Konflikten, lautet: Es menschelt“, sagt Wissenschaftsminister Falko Mohrs. Der stellvertretende Vorsitzende der Stiftung Schloss Marienburg betont zwar, dass er keinen Konflikt zwischen Kulturvermittlung und Massentourismus sieht. Dass diese beiden Aspekte in Einklang zu bringen sind, zeige zum Beispiel das Landesmuseum in Hannover auf ganz vorbildliche Art und Weise. Mohrs sagt aber auch: „Es gibt Abstimmungsbedarf. Mit bunter Beleuchtung habe ich kein Problem, aber damit, dass ich in einem historischen Gebäude Dinge präsentiere, die damit überhaupt nichts zu tun haben.“

Die Kritik an der Dekoration des jährlichen „Wintermärchens“ in der Marienburg teilt auch Restauratorin Christine Fiedler von der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst (HAWK) Hildesheim/Holzminden/Göttingen. „Das Aufhängen von Keksen an Weihnachtsbäumen ist zum Beispiel keine gute Idee, weil das Schädlinge wie Mäuse anlockt. Und wenn keine Kekse mehr da sind, suchen sich die Tiere andere Nahrungsquellen im Schloss“, sagte die Expertin. Der Pächter habe bereits mehrfach „konservatorische Anforderungen“ missachtet.

Im jüngsten Streit rund um die Nutzbarkeit der historischen Räume waren die Unstimmigkeiten zwischen beiden Parteien eskaliert. Gegenüber der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“ hatte Pächter Nicolaus von Schöning ein neues Gutachten darüber gefordert, ob tatsächlich alle derzeit gesperrten Räume wirklich unbenutzbar sind. Auch die Beschäftigten der Betreibergesellschaft der Marienburg, die zum Jahresende allesamt vom Pächter ihre Kündigung erhalten haben, wehren sich mit einer Online-Petition gegen eine Sperrung.
„Ich verschließe mich da nicht. Wenn der Pächter sagt, er hat einen Gutachter, den er reinschicken will, sage ich: Feel free“, meint Mohrs. Zwei voneinander unabhängige fachliche Stellungnahmen hätten die Notwendigkeit der Sperrung jedoch bestätigt. Den Verdacht, dass die Experteneinschätzungen irgendwie interessengeleitet sein könnten, bezeichnete er als abwegig. „Dieser Vorwurf ist konstruiert“, sagt Mohrs.

Mohrs weist auch den Vorwurf zurück, dass sein Ministerium bei der Sanierung zu lange untätig geblieben sei. Der Pilzbefall war zwar bereits seit 2013 bekannt, doch das Schloss sei erst im Januar 2020 aus dem Privatbesitz der Welfen in eine Stiftung überführt worden. Die Vorbereitung der Sanierung, die im zweiten Quartal 2024 nun endlich starten soll, sei aufgrund von Formalitäten nicht schneller möglich gewesen.
Schon vor der Corona-Pandemie hatten Bund und Land für das Vorhaben insgesamt 27,2 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Mohrs versichert jedoch, dass die Summe trotz aller Baukostensteigerungen ausreichen werde, um die Marienburg baulich instand zu setzen. „Auch damals ist schon ordentlich mit Risikoaufschlägen gearbeitet worden“, sagt Mohrs. Denkmalpflege-Referent Jobst Graf von Wintzingerode aus dem Wissenschaftsministerium erläutert, dass die Nettokosten für die Sanierung damals auf 16 Millionen Euro veranschlagt worden seien. Aus der Erfahrung heraus und weil bei solchen nicht-öffentlichen Projekten kein Fördermittel-Nachschlag möglich ist, sei der Gefahrenaufschlag großzügig gewählt geworden – rückblickend betrachtet eine goldrichtige Entscheidung.

Laut Fachleuten können der Ost-, Süd- und Westflügel des Schlosses nicht mehr benutzt werden sowie die historischen Wohn- und Repräsentationsräume, die bislang Teil der öffentlichen Führungen waren. „Diese Schritte sind absolut notwendig, um größtmögliche Sicherheit für Besucher und Mitarbeiter vor Ort zu gewährleisten“, bestätigt Regionspräsident Steffen Krach, der sowohl im Sitzungsrat sitzt, als auch für die Bauaufsicht verantwortlich ist. „Der aktuelle Pächter verzichtet erstmal freiwillig auf die Nutzung. Wenn der freiwillige Verzicht aber nicht mehr stattfindet, müssen wir als Bauaufsicht sofort einschreiten und die betroffenen Gebäudeteile sperren“, sagt Krach.

Die Teilsperrung des niedersächsischen Wahrzeichens, das auch viele Besucher von außerhalb von Niedersachsen anlockt, bezeichnet er als herben Rückschlag für den Tourismus in der Region. Ob auch der gegenwärtige Pächter zur Zukunft des Welfenschlosses dazugehören wird und ob es ab 2024 überhaupt eine Gastronomie in der Marienburg geben wird, ist unklar. „Das kann ich Ihnen heute noch nicht beantworten“, sagt Mohrs. Die Stiftung habe der Betreibergesellschaft Anfang der Woche einen neuen Pachtvertrag angeboten, der sich auf die nicht gesperrten Bereiche des Schlosses beschränkt. Auf diese Offerte habe es bisher noch keine Rückmeldung gegeben.
