Wie schön, wenn Aufklärungsarbeit Früchte trägt. Manche Kommune in Niedersachsen hat sich richtig reingehängt, um ihren Bürgern zu erklären: Wildfremden Menschen hinterher zu pfeifen oder zu -schmatzen ist kein Kompliment und auch kein aussichtsreicher Start für einen Flirt. Leuten Geld für Sex anzubieten oder ihnen ungefragt sexuelle Phantasien mitzuteilen ist einfach beleidigend. Im Landkreis Vechta war eine Ausstellung unter dem Titel „Was ich anhatte…“ zu sehen, in der Frauen die Outfits gezeigt haben, in denen sie belästigt und missbraucht wurden. Ich persönlich finde, dass man eher weniger als mehr darüber reden sollte, was Frauen anhaben. Aber wenn es seinen Zweck erfüllt – meinetwegen. In meiner Nachbarschaft in Hannover gibt es ein Anti-Catcalling-Wandgemälde, mobile Aufklärungsteams sind unterwegs und verteilen Sticker.

Wandgemälde der hannoverschen Künstlerin Etaja gegen Catcalling. | Foto: Landeshauptstadt Hannover


 Bei einem Mann ist die Botschaft angekommen. Das berichtete neulich das ehrenamtliche Projekt „Catcalls of Hannover“, das gewissenhaft die eingesandten Unverschämtheiten dokumentiert. „Ein Typ lief mit seinen 2 Kumpels lang und machte Kussgeräusche, als wenn er eine Katze anlocken wollte“, ist in einem Instagram-Post des Projektes zu lesen. „Als keine Reaktion kam, machte er das Geräusch nochmal, dieses mal lauter und rief: „Eeeh, ich catcalle dich!“ Wunderbar! Der Mann hat offenbar gelernt, was Catcalling bedeutet. Jetzt hätte er gerne noch ein Fleiß-Sternchen dafür.
 
Nicht nur deswegen finde ich es gut, dass sich Justizministerin Kathrin Wahlmann etwas Effektiveres überlegt hat als Aufklärungskampagnen. Niedersachsen bringt einen Gesetzentwurf im Bundesrat ein, der einen neuen Tatbestand der „verbalen und nonverbalen sexuellen Belästigung“ im Strafgesetzbuch vorsieht. Es droht eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe. Allerdings müssen die Taten eine „Schwelle der Erheblichkeit“ überschreiten. Das heißt, der Typ mit den Kussgeräuschen hätte gute Chancen, davonzukommen. Diese Schwelle, die zu definieren eine Menge Spielraum lässt, ist wahrscheinlich der Grund, warum ein Aufschrei von „Das wird man doch wohl noch sagen dürfen“-Leuten bisher ausgeblieben ist. (Oder vielleicht auch, weil „Man wird ja wohl noch schmatzen dürfen“ nicht so cool klingt?) Nur die AfD macht sich Sorgen, dass die „woke Szene“ oder Menschen, die des Deutschen nicht mächtig sind, das Gesetz ausnutzen könnten. Aber selbst der AfD-Abgeordnete Thorsten Moriße nennt Catcalling „respektlos, beleidigend und sehr verletzend“.
 
Wir behalten das für Sie im Blick. Jetzt wenden wir uns erstmal den Themen des Montags zu:

  • Wenn Beamte sich verfassungsfeindlich verhalten, soll die jeweilige Behörde sie künftig direkt aus dem Dienst entfernen können, plant die Innenministerin. Bei den Beamten regt sich Widerstand.
  • In der VW-Krise gibt es sehr widersprüchliche Interessen – und alle Stakeholder üben Druck auf Ministerpräsident Stephan Weil aus.
  • Die niedersächsischen Grünen zeigten sich gut gelaunt auf ihrem Parteitag in Gifhorn – was daran liegen könnte, dass Konflikte ausgeblendet wurden.

Kommen Sie gut in die Woche! Und nicht vergessen: Die Straße gehört Ihnen (genauso wie allen anderen auch)!
 
Ihre Anne Beelte-Altwig