7. Jan. 2024 · 
Inneres

CDU-Kritik: Verharmlost die Regierung die Dramatik der Ausschreitungen zu Silvester?

Die Ereignisse in der ersten Nacht des neuen Jahres lassen in der politischen Bewertung einige deutliche Unterschiede hervortreten. Innenministerin Daniela Behrens (SPD) hatte am Neujahrstag eine Pressemitteilung verschicken lassen, deren erster Satz lautete: „Für Niedersachsen können wir einen einsatzintensiven und dennoch weitestgehend friedlichen Jahreswechsel feststellen.“ Daran schließt sich ein Hinweis auf 1600 diensthabende Polizisten und die Wirksamkeit der „Feuerwerksverbotszonen“ an. Erst im zweiten Absatz ist dann von „bedauerlicherweise vereinzelt erneuten Angriffen auf Polizisten, Feuerwehrleute und Rettungskräfte“ die Rede. Sowohl diese Darstellung wie auch eine erste Einschätzung von Hannovers Polizeipräsidentin Gwendolin von der Osten hat beim CDU-Landtagsabgeordneten Dirk Toepffer klaren Widerspruch hervorgerufen. Seine Einschätzung klingt nun ganz anders als die Mitteilungen von Innenministerin und Polizeipräsidentin. „Der Rechtsstaat hat in der Silvesternacht kapituliert“, erklärte Toepffer. Er bezog sich auf Youtube-Videos, auf denen klar zu erkennen sei, dass sich „unter anderem am Steintor in Hannover niemand an das Feuerwerkverbot gehalten hat“. Besonders heftig war die Situation offenbar in Laatzen (Region Hannover), wo es gezielte Angriffe von Banden auf Feuerwehrkräfte gegeben haben soll.

Foto: Heiko Küverling

Aus Toepffers Erklärung lässt sich der Vorwurf ablesen, die Innenministerin und die hannoversche Polizeipräsidentin hätten ein geschöntes Bild der Ereignisse zum Jahreswechsel vermittelt – und damit die teilweise dramatischen Szenen in einigen Städten verharmlost. Der Vergleich zum Vorjahr, der für einige Orte eine Entspannung der Situation verheißt, wird damit in der offiziellen Darstellung der Landesregierung zu einem Bild der Normalität. So verweist die Innenministerin in ihrem am Neujahrstag verschickten Statement auf „veranstaltungstypische Einsatzlagen wie Körperverletzungen, Sachbeschädigungen, Brände, Streitigkeiten und so weiter“. Damit entsteht der Eindruck, die Vorkommnisse in der ersten Nacht des neuen Jahres könnten mittlerweile einem „gewohnten Bild“ zugeordnet werden. Dieser Ansicht widerspricht nun Toepffer vehement und fordert von der Polizei, künftig die verhängten Verbotszonen für Böller und Pyrotechnik auch als solche durchzusetzen: „Wer Verbote ausspricht, muss auch dafür sorgen, dass diese beachtet werden. Andernfalls sendet man das Signal, dass solche Verbote grundsätzlich nicht ernst zu nehmen sind“, betont der CDU-Politiker.

„Seit Jahren weisen wir immer wieder auf diese Probleme hin. Passiert ist leider bislang wenig.“

Auch der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Kevin Komolka, und der Vorsitzende des Verdi-Bundesfachvorstandes für die Feuerwehr, Mario Kraatz, verurteilten die Ausschreitungen zu Silvester in Niedersachsen. Nach den Vorkommnissen im vorangegangenen Jahr hätten viele Städte Präventionskonzepte entwickelt, die vielerorts auch gewirkt hätten. „Dennoch kam es diesmal an verschiedenen Orten wie Hannover, Osnabrück, Göttingen und Bremerhaven zu gezielten Angriffen und Bewurf mit Pyrotechnik auf die Einsatzkräfte“, erklären die Gewerkschafter. Kraatz sagt: „Seit Jahren weisen wir immer wieder auf diese Probleme hin. Passiert ist leider bislang wenig. Die Zahl der Übergriffe auf Feuerwehr- und Rettungskräfte hat in Niedersachsen im vergangenen Jahr einen traurigen Höchststand erreicht. Die Anzahl der Opfer in diesem Bereich ist laut offizieller Kriminalstatistik auf 19,89 Prozent angestiegen.“ Komolka ergänzt: „Beispielsweise in Göttingen wurde offensichtlich, dass sich der angesammelte Frust von Teilen der Gesellschaft schlagartig in einer Nacht auf dem Rücken meiner Kolleginnen und Kollegen entlädt. Die ersten greifbaren Repräsentanten des Staates mussten erneut die Köpfe hinhalten und wir können nur hoffen, dass es diesmal nicht bei warmen Worten bleibt, sondern das schnelle und harte Verurteilungen folgen werden.“ GdP und Verdi fordern eine verbesserte Aus- und Fortbildung von Einsatzkräften, Kameras und vollautomatische Verriegelungssysteme für Feuerwehr-Einsatzfahrzeuge. Dienstherrn, Kommunen und Arbeitgeber müssten rechtlich nicht durchsetzbare Schmerzensgeldansprüche für betroffene Einsatzkräfte übernehmen. Straftaten gegen Rettungspersonal müssten „schnell juristisch verhandelt werden“, Urteile dürften nicht erst Monate später fallen.

Dramatik in Laatzen: In mehreren Orten, so auch Hameln, sind Feuerwehrleute oder Polizisten in der Neujahrsnacht angegriffen worden, nach offiziellen Zahlen gab es landesweit 25 verletzte Einsatzkräfte. In Laatzen (Region Hannover) ist offenbar ein Feuerwehrwagen in einen Hinterhalt gelockt worden, etwa 40 Personen sollen die Einsatzkräfte dann mit Steinen und Eisenstangen angegriffen haben. Es wird die Frage aufgeworfen, ob die von den bedrängten Feuerwehrleuten gerufene Polizei lediglich mit einem Streifenwagen gekommen sei. Die SPD in Laatzen erklärte mittlerweile: „Wir müssen uns eingestehen, dass die Situation in Laatzen-Mitte rund um das betroffene Gebiet an der Haltestelle Laatzen-Zentrum längst aus dem Ruder gelaufen ist.“ In Laatzen gibt es jetzt sogar Zeugenberichte, die auf mögliche Schüsse in der Silvesternacht hinweisen. Damit wird dieser Fall immer gruseliger. Der hannoversche CDU-Kreisvorsitzende Maximilian Oppelt forderte unterdessen Aufklärung darüber, welche Tätergruppen bei den Ausschreitungen zu Silvester aktiv waren, wie viele Verhaftungen es gegeben habe und wie der Stand der Strafverfahren ist. Der Verdacht steht im Raum, an Ausschreitungen zu Silvester in Niedersachsen seien überdurchschnittlich viele junge Männer mit Migrationshintergrund beteiligt gewesen.

Dieser Artikel erschien am 8.1.2024 in Ausgabe #001.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

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