Kritik an Umweltminister Lies: Grüne fordern mehr Turbo beim Klimaschutz
Die Grünen im niedersächsischen Landtag fordern von der Landesregierung deutlich mehr Einsatz beim Ausbau der Erneuerbaren Energien sowie beim Klimaschutz. „Wir erleben gerade einen Klimaschutz-Turbo“, sagte Grünen-Fraktionsvize Christian Meyer gestern in einer aktuellen Debatte des Landtags. Sein Lob bezog sich allerdings nur auf die Bundesregierung, an der die Grünen beteiligt sind, nicht aber auf die Landesebene.
Dem Landesumweltminister Olaf Lies (SPD) stellte Meyer beim Ausbau von Wind- und Solarkraft hingegen ein schlechtes Zeugnis aus. In der Amtszeit von dessen Vorgänger, Stefan Wenzel (Grüne), seien im Jahr 2017 in Niedersachsen 485 Windkraftanlagen errichtet worden, 2021 seien unter Lies‘ Führung aber nur 82 neue Anlagen hinzugekommen. „Wir brauchen fünf- bis zehnmal so viele Windkraftanlagen wie bisher“, sagte er und forderte ambitionierte Ausbauziele. Vereinbart sind in Niedersachsen 2,1 Prozent der Landesfläche, die für Windkraft genutzt werden sollten – diese Zahl deckt sich mit der Quote, die sich die Ampel-Regierung in den Koalitionsvertrag geschrieben hat. Meyer erwartet von einem windreichen Land wie Niedersachsen allerdings deutlich mehr und schlägt eine Quote von 2,5 Prozent vor, die man sich „ehrgeizig zutrauen sollte“.
Auf den Dächern der 3000 landeseigenen Gebäude seien zudem nur magere 14 Solaranlagen installiert worden, rechnete Meyer im Landtag nach. Wie das Politikjournal Rundblick gestern berichtete, plant der Umweltminister in einer Novelle des Klimaschutzgesetzes, sämtliche Landesgebäude bis 2040 verpflichtend mit Photovoltaik-Anlagen auszustatten. Angesichts der Tatsache, dass aufgrund von Denkmalschutz-Bestimmungen bislang nicht einmal auf dem Dach des Umweltministeriums selbst Solaranlagen stehen dürfen, bezweifelt Meyer die Redlichkeit dieser Ankündigung.
Weil verteidigt Lies: Niedersachsen ist beim Solarstrom auf fünftem Platz im Ländervergleich
Aus den Reihen der Regierung wurden Meyers Angriffe entschieden zurückgewiesen. Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) antwortete in Vertretung für den an Corona erkrankten Umweltminister persönlich. Die Ausführungen Meyers bezeichnete er als „absolutes Zerrbild“. Als Beleg führte er an, dass in Niedersachsen 52 Prozent der Bruttostromerzeugung aus Erneuerbaren Energien komme, bundesweit nur knapp 45 Prozent. Beim Solarstrom befinde sich Niedersachsen auf dem fünften Platz im Ländervergleich, was den Ministerpräsidenten ebenfalls zufrieden zu stimmen scheint. Außerdem fahren die ersten Wasserstoffzüge der Republik in Niedersachsen, das Land sei Vorreiter bei der Transformation der Stahlindustrie am Standort Salzgitter und an den VW-Standorten würden Milliardenbeträge für eine klimaneutrale Wirtschaft investiert. Niedersachsen sei immerhin das zweite Land, das den Klimaschutz in die Verfassung geschrieben habe, stellte der Ministerpräsident heraus und kündigte an, dass am Klimagesetz nun natürlich nachgebessert werden müsse, weil sich die Grundlage geändert hat: „Wenn die EU die Klimaneutralität für 2045 beschlossen hat, dann gilt das selbstverständlich auch für ein europäisches Kernland wie Niedersachsen.“ Wie schnell der Ausbau der Erneuerbaren Energien gelinge, hänge laut Weil allerdings von den Rahmenbedingungen ab. 2021 habe Niedersachsen bundesweit die meisten Windenergieanlagen errichtet – allerdings nicht mehr auf demselben Niveau wie früher. „Woran liegt es? Planung und Genehmigung ähneln einem Malefiz-Spiel. Das müssen wir dringend beschleunigen“, sagte Weil und setzt dabei auf Unterstützung aus Berlin.
„Planung und Genehmigung (von Windenergieanlagen) ähneln einem Malefiz-Spiel. Das müssen wir dringend beschleunigen.“
Stephan Weil
Bei all den Maßnahmen mahnt der Ministerpräsident jedoch, dass auch über den „notwendigen Ausgleich“ gesprochen werden müsse, den er als „integralen Bestandteil einer Klimaschutzstrategie gerade in Zeiten steigender Energiepreise“ bezeichnete. „Klimaschutz braucht gesellschaftliche Zustimmung“, so Weil. Heizkostenzuschläge etwa müssten angepasst werden, und es sei gut, dass der Bund nun den Verbraucherschutz reformieren wolle, um die Bürger vor unseriösen Energieanbietern zu schützen. „Vergessen wir in solcher Situation auch nicht diejenigen, die eben noch nicht im Elektromobil unterwegs sein können, wenn sie Tag für Tag zu ihrer Arbeitsstelle fahren. Das ist ein ganz wichtiger Teil unserer Bevölkerung, der fair behandelt werden muss“, mahnte Weil und forderte eine Anpassung der Pendlerpauschale. Wie eine Entlastung der Mobilitätskosten aussehen könnte, deutete der Ministerpräsident allerdings nur vage an: „Wenn Sie fragen, wie das finanziert werden soll ist die Antwort relativ einfach: Von jedem Cent Diesel- und Benzinpreiserhöhung landen 55 Prozent in öffentlichen Kassen.“
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