Die Corona-Krise kostet die Krankenkassen viel Geld, allerdings steigen die Gesundheitskosten nicht erst seit Beginn der Pandemie. Die Kassen warnen deshalb jetzt vor einer finanziellen Schieflage, die dazu führen könnte, dass mittelfristig sogar Leistungen gekürzt werden müssen. Ein entsprechendes Positionspapier von AOK Niedersachsen und dem Verband der Ersatzkassen (VdEK) im Land wurde in dieser Woche in der Enquetekommission Gesundheit des Landtags diskutiert. Die Mitglieder der Kommission zeigten sich dabei offen, entsprechende Hinweise in der Präambel ihres Berichts aufzunehmen. „Die Finanzierungsfrage wird bei der Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung eine deutlich stärkere Rolle als in der Vergangenheit spielen, zum Teil auch zu einem echten Prüfstein werden“ meint Jörg Niemann, Leiter der VdEK-Landesvertretung Niedersachsen. Seiner Ansicht nach erhöht es die Glaubwürdigkeit der Enquetekommission, wenn sie diesen Aspekt in ihren Abschlussbericht aufnimmt.
In ihrem Papier weisen die Kassen darauf hin, dass ihre Ausgaben bereits vor Beginn der Corona-Krise zwischen 2009 und 2019 um fast 50 Prozent auf knapp 240 Milliarden Euro gestiegen sind. „Wesentliche Ursache hierfür ist eine Gesetzgebung, in deren Folge stetig weitere Ausgabensteigerungen erfolgen und für die kommenden Jahre bereits vorprogrammiert sind", heißt es in dem Dokument. „Man kann fast sagen, dass die Kosten durch die Pandemie und die Gesetzgebung von Bundesgesundheitsminister Spahn explodieren“, sagte Sabine Nowack-Schwonbeck, Geschäftsführerin für den Bereich stationäres Gesundheitsmanagement bei der niedersächsischen AOK. Die gesetzliche Kassen hätten demnach auch ohne Corona-bedingte Änderungen in diesem Jahr mit bis zu fünf Prozent höheren Ausgaben rechnen müssen. Durch die wirtschaftlichen Schwierigkeiten in der Pandemie hätten sich nun zusätzlich die finanziellen Spielräume geändert. Mehr Kurzarbeit und eine höhere Arbeitslosenquote lassen die Einnahmen der gesetzlichen Kassen sinken.
Die Kassen fordern deshalb in ihrem Positionspapier, dass die Faktoren Qualität, Effizienz und Wirtschaftlichkeit künftig stärker berücksichtig werden müssen. Zudem müssten „bei Entscheidungen zur Weiterentwicklung des Gesundheitswesens den entstehenden Kosten der konkrete Nutzen für die Patienten gegenübergestellt" werden. Mehrausgaben müssten durch substitutive Kostensenkung an anderer Stelle ausgeglichen werden. Nowack-Schwonbeck zufolge sei auch eine klare Trennung nötig zwischen den Kosten der Gesundheitsversorgung, die die Kassen übernehmen müssten, und der Daseinsvorsorge im Sinne von Bevölkerungsschutz und Krisenvorsorge. Letzteres sei eine klare Aufgabe des Bundes und der Länder, erklärte die AOK-Vertreterin. Das müsse klargestellt werden, fand auch der FDP-Abgeordnete Björn Försterling. Pandemiebekämpfung sei eine staatliche Aufgabe und keine Aufgabe der Kassen. Die Finanzkreise müssten deutlich getrennt werden. „Die Kassen sind nicht dazu da, dort gesellschaftspolitische Vorstellungen über die gesetzliche Krankenversicherung in die Bevölkerung zu tragen.“
Mark Barjenbruch, Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung in Niedersachsen (KVN), wies darauf hin, dass bereits jetzt gesetzlich festgelegt sei, die Vergütungen für Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung so auszugestalten, dass keine Beitragssatzerhöhungen notwendig sind. Es gebe aber auch Öffnungsklauseln, die berücksichtigt werden müssten. Bestimmte Innovationen könnten durchaus einmal mehr kosten, diese Kosten seien dann zu tragen, erklärte Barjenbruch.