5. Juni 2018 · 
Kommentar

Kommunale Fusionen – unbeliebt, aber am Ende unaufhaltsam

Darum geht es: Die Landesregierung hat gestern beschlossen, dass die Stadt Walsrode (23.000 Einwohner) und die Gemeinde Bomlitz (7000 Einwohner) miteinander fusionieren sollen. Damit wird ein lange gehegter Plan Wirklichkeit – wenn auch abgespeckt und mit Verzögerungen. Dazu ein Kommentar von Klaus Wallbaum. Wie es um die Popularität von Gebietsreformen in Niedersachsen bestellt ist, lässt sich sehr gut an der Politik der gegenwärtigen Großen Koalition erkennen. Als die neue Regierungsmehrheit zusammenfand, hieß es aus der SPD und der CDU zur Begründung, dass man notwendige und wenig populäre Schritte am besten mit einer so breiten Mehrheit im Landtag durchsetzen kann – unter anderem eben auch den Zusammenschluss von Kommunen. Zumindest in den Ecken des Landes, in denen der Handlungsbedarf überdeutlich wird. Aber dann begann das Kabinett Weil/Althusmann mit dem Regieren, der Koalitionsvertrag wurde als Basis angenommen und schrittweise umgesetzt. Doch von Überlegungen des Landes zu neuen kommunalen Gebietszuschnitten ist bis heute nichts zu hören. Das Thema, über dessen angebliche fehlende Popularität sich die Landespolitiker immer schnell einig werden, wurde einfach ausgeklammert. Dabei zeigt nun das Beispiel Walsrode, wie es laufen kann. Gestern hat das Kabinett einen Gesetzentwurf beschlossen, der bald Wirklichkeit werden soll. Wenn der Landtag zustimmt, womit allgemein gerechnet werden kann, sind die Stadt Walsrode und die benachbarte Gemeinde Bomlitz im Jahr 2020 eine einzige kommunale Gebietskörperschaft. Diese wird dann etwas mehr als 30.000 Einwohner haben, und das bedeutet nach den Regeln des kommunalen Finanzausgleichs auch eine Erhöhung der Zuschüsse. Die „Einwohnerveredelung“ führt für das neue Gebilde zu Mehreinnahmen aus den Landeszuschüssen. Denn noch immer gilt dort der Grundsatz: Je mehr Einwohner eine Kommune hat, desto mehr Zuschüsse je Einwohner werden vergeben. Warum eignet sich nun Walsrode als Vorbild für die Landespolitik? Kurz gesagt: Weil eine lange, engagierte und auch von Niederlagen begleitete Debatte am Ende doch zum gewünschten Ziel führt. Denn die kommunalen Akteure ließen sich nicht abschrecken und blieben eisern bei der Sache. Vor zehn Jahren nämlich wurde schon einmal intensiv über eine Fusion in der Region gesprochen, damals war neben Walsrode und Bomlitz noch Bad Fallingbostel (11.400 Einwohner) dabei. Die neue Stadt, so lautete damals der Plan, sollte „Böhmetal“ heißen und Anfang 2011 entstehen. Obwohl die Vorbereitungen gut gediehen waren, gelang das schließlich nicht, denn in einer Bürgerbefragung sprachen sich zwar die Walsroder und die Bomlitzer mit klarer Mehrheit für die Fusion aus, die Mehrheit in Bad Fallingbostel aber war dagegen. Lag es daran, dass Fallingbostel als Kreisstadt bangte, vom größeren Walsrode untergebuttert zu werden? Die neuen Fusionsbestrebungen klammerten nun Fallingbostel aus, und das erwies sich als segensreich. Denn der Zusammenschluss ist jetzt nicht mehr – wie vor zehn Jahren – von unterschwelligen Stimmungen überschattet. Und es bleibt ja noch ein Stufenplan denkbar: Wenn Walsrode und Bomlitz erst vereinigt sind, sehen die Fallingbosteler sich vielleicht früher oder später bemüßigt, auch dem Gebilde beizutreten. Eine Tatsache nämlich bleibt, allen Bedenkenträgern wegen der angeblich fehlenden Beliebtheit einer Gebietsreform zum Trotz: In vielen ländlichen Kommunen sinken die Einwohnerzahlen beständig, auf der anderen Seite wachsen die Probleme, für Fachpositionen in den Stadtverwaltungen geeignete Kräfte zu finden. Da sich in Zukunft immer mehr Verwaltungsdienstleistungen ins Netz verlagern, die Bürger also zunehmend vom heimischen Computer aus ihre Behördengänge regeln und nicht mehr während der Sprechzeiten in den Rathäusern, verliert die Zentralisierung von Verwaltungsaufgaben ihre Schreckhaftigkeit. Fusionen, wie sie zwischen Walsrode und Bomlitz passieren, dürften künftig zwangsläufig werden, wenn die kommunale Verwaltung ihre gewohnten hohen Standards weiter sicherstellen will. Und wo das nicht klappt, wird es verstärkt Verwaltungsverbünde geben – nämlich eine Regelung, nach der sich benachbarte Kommunen Fachleute teilen. Dies geht allerdings nur so lange gut, wie zwischen diesen Partnerkommunen weitgehende Harmonie herrscht. Von Walsrode lernen, heißt damit für die Große Koalition in Niedersachsen: Wer glaubt, das von den Politikern als unangenehm empfundene Thema Gebietsreform belaste einen nur deshalb nicht mehr, weil man selbst darum einen Bogen macht, ist ein großer Irrtum.   Mail an den Autor dieses Kommentars
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #105.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

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