4. Okt. 2021 · 
Kommunales

Kommunale Arbeitgeber verteidigen Flächentarif gegen Abwanderungstendenzen

Zwei große Männer der niedersächsischen Kommunalpolitik verabschieden sich in den Ruhestand – aber sie gehen nicht ohne einige mahnende Worte an ihre Nachfolger, die bisher noch nicht feststehen. Der Kommunale Arbeitgeberverband Niedersachsen (KAV) hat in seiner Mitgliederversammlung am Montag dem bisherigen Präsidenten Franz Einhaus, Landrat in Peine, und seinem Vize Ulrich Mädge, Oberbürgermeister in Lüneburg, Lebewohl gesagt.

Boris Pistorius würdigte den KAV-Präsidenten Franz Einhaus und Vize Ulrich Mädge für ihr jahrelanges Wirken. / Archiv-Foto: Screenshot Youtube/nkw

Beide Sozialdemokraten wechseln in den Ruhestand – und wurden für ihr jahrelanges Wirken noch einmal von Innenminister Boris Pistorius gewürdigt. In seiner Ansprache betonte Einhaus, dass ein wichtiges Ziel des KAV „die Erhaltung des Flächentarifs“ sei – also die Regel, dass die Besoldungen für bestimmte Positionen in der kommunalen Verwaltung landesweit und auch bundesweit einheitlich sein sollen. „Dann sind wir auch in der Lage zu solidarischen Lösungen“, betonte Einhaus. Mädge äußerte sich ähnlich, und Michael Bosse-Arbogast, Hauptgeschäftsführer der KAV, fügte hinzu: „Wir sind die Hüter des Flächentarifs. Alle sind gut beraten, wenn alle Sparten dafür sorgen, dass sich die kommunale Familie nicht auseinanderdividieren lässt.“

"Wir sind die Hüter des Flächentarifs. Alle sind gut beraten, wenn alle Sparten dafür sorgen, dass sich die kommunale Familie nicht auseinanderdividieren lässt.“

Michael Bosse-Arbogast, KAV-Hauptgeschäftsführer

Hintergrund der Mahnungen sind aktuelle Verspannungen in einem jahrelangen Konflikt zwischen der KAV und der Landeshauptstadt Hannover. Es geht immer wieder darum, dass die Landeshauptstadt ihre Mitarbeiter besser bezahlen, also von den Tarifbedingungen abweichen will. Jüngst gipfelte die Auseinandersetzung in der Frage, ob die Stadt Hannover einen eigenen Haustarifvertrag abschließen darf. Die Verständigung zwischen KAV und der Stadtverwaltung sah vor, dass der KAV das grundsätzlich gestattet, die Landeshauptstadt dann aber die Grundsätze des Tarifvertrages beachten und respektieren müsse – die Abweichungen dürften sich also nur auf Nuancen beziehen.

Vize Ulrich Mädge, Oberbürgermeister in Lüneburg, verlässt den KAV. / Foto: Hansestadt Lüneburg

Wie es heißt, hat aber das Vorgehen der Stadtverwaltung in einem Detail den Unmut des KAV erzeugt – nämlich in Bezug auf die Nachbeschäftigungszeiten der Auszubildenden. Dass sie ein Jahr nach Abschluss ihrer Ausbildung beim Arbeitgeber bleiben dürfen, ist unstrittig, die Landeshauptstadt aber will das auf zwei Jahre ausdehnen. Hier gibt es einen Dissens in der Sache, aber auch im Prinzip: Im KAV wird gemutmaßt, dass die Stadt Hannover, von Verdi gestützt, damit den bundesweiten Tarifvertrag für die Kommunalbeschäftigten sprengen wolle.

Einhaus schlägt vor, die gesplitteten Tarifverhandlungen wieder zusammenzuführen

Gegenüber früheren Jahren hat sich die Ausgangsposition der Kommunen stark geändert – es gibt einen Fachkräftemangel, ausreichend qualifizierte Bewerber stehen oft nicht bereit. Der Flächentarifvertrag soll nun verhindern, dass reichere Städte wie etwa Hannover in die Lage versetzt werden, Interessenten bessere Angebote als ärmere Städte machen zu können. Daneben lockt noch das Land mit eigenen Programmen – von der Privatwirtschaft ganz zu schweigen. Einhaus schlug in seiner Rede vor, die seit Jahren gesplitteten Tarifverhandlungen (Bund und Kommunen mit Gewerkschaften einerseits, Länder mit Gewerkschaften andererseits) wieder zusammenzuführen und damit das Gewicht des Flächentarifvertrags wieder zu erhöhen. Die Unterschiede zwischen Stadt und Land, Bund, Ländern und Kommunen seien viel größer geworden – und deshalb sei es umso wichtiger, in Tarifgesprächen zu einer einheitlichen Linie mit klar definierten Öffnungsklauseln zu kommen. Der KAV-Vize Ulrich Mädge unterstrich das noch und meinte, es sei bisher ein Fehler, dass die Tarifabschlüsse für Landesbedientete immer noch per Landtagsbeschluss auf die Beamten übertragen werden müssen. Dies solle künftig am besten „automatisch geschehen“. 

Seit Jahren haben Einhaus und Mädge an der Spitze der KAV gewirkt, 2018 übernahm Mädge auch den Vorsitz der Vereinigung Kommunaler Arbeitgeber (VKA), ist damit neben dem Bundesinnenminister (für die Bundesbediensteten) der Verhandlungsführer der Kommunen auf Bundesebene. Diese personelle Konstellation war Ausfluss einer merkwürdigen Situation rund um die Sparkassen: Beim Tarifabschluss 2018 misslang der Plan der kommunalen Arbeitgeber, den unter Druck geratenen Sparkassen Spielräume zu geben und sie nicht zu hohen Tarifsteigerungen zu zwingen. Daraufhin rückte Mädge an die Spitze der VKA, und beim Abschluss 2020 kam dann ein Ergebnis heraus, dass auch der schwierigen Finanzlage der Sparkassen gerecht wurde. Als Architekten dieser Regelung gelten Mädge und im Hintergrund Einhaus. Beide Akteure treten nun von der politischen Bühne ab.

Dieser Artikel erschien in Ausgabe #175.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

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