Der Bedarf an neuen Erziehern wird in den kommenden Jahren steil anwachsen: Der Landtag hat beschlossen, dass über kurz oder lang in den Kindergartengruppen eine dritte Fachkraft tätig werden soll. Außerdem wächst der Personalbedarf, weil die Ganztagsbetreuung der Grundschulkinder bald zu einem Rechtsanspruch wird. Und dann sind da noch die vielen Kinder aus der Ukraine, die vermutlich länger bleiben werden – und sowohl in den Kindertagesstätten sowie den Schulen betreut und gefördert werden müssen.
Nun hat der Kommunale Arbeitgeberverband Niedersachsen (KAV) scharfe Kritik an die Adresse der rot-schwarzen Landesregierung gerichtet. „Die Landesregierung tut zu wenig, um den Beruf der Erzieherin attraktiver zu gestalten“, sagt der Hauptgeschäftsführer des KAV, Michael Bosse-Arbogast. Mangelnde Attraktivität sei aus seiner Sicht der eigentliche Grund, warum nicht genügend junge Leute in diesen Beruf eine Zukunft sehen.

In dieser Woche hatten in Potsdam die Gewerkschaft Verdi und der Bundesverband der kommunalen Arbeitgeber über die Arbeitsbedingungen der 300.000 Beschäftigten im kommunalen Sozial- und Erziehungsdienst verhandelt, es geht um rund 30.000 Betroffene in Niedersachsen. Hierbei handelt es sich zu drei Vierteln um Erzieherinnen und Erzieher in den Kindergärten, früher wurden sie „Kindergärtnerinnen“ genannt. Die Verhandlungen waren von den Anfang 2023 wieder anstehenden Tarifverhandlungen über den öffentlichen Dienst der Kommunalbediensteten abgekoppelt worden.
Die Gewerkschaft Verdi wollte über die Eingruppierung und die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten reden. Der Verdi-Vorschlag, die Aufteilung der Gruppen in einfachere und gehobenere Tätigkeiten (8A und 8B) aufzuheben und alle Mitarbeiter in dem höheren Status einzugruppieren, stößt bei den Kommunalvertretern auf Ablehnung. KAV-Hauptgeschäftsführer Bosse-Arbogast meint: „Das ist eine Frage des Entgelts, nicht der Arbeitsbedingungen.“ Deshalb sei die Position in den Verhandlungen nicht angemessen. Hinzu komme, dass zwischen 8A und 8B ein großer Unterschied liege, der bis zu 400 Euro monatlich ausmachen könne – und folglich eine erhebliche Mehrbelastung der kommunalen Haushalte nach sich ziehen dürfte.
Der KAV-Hauptgeschäftsführer wagt nun die These, dass nicht die angeblich schlechte Bezahlung der Erzieherinnen der Grund dafür ist, dass das Interesse der Auszubildenden an diesem Beruf nicht so groß ist wie der Bedarf. Im Vergleich zu anderen Berufsgruppen im öffentlichen Dienst mit vergleichbaren Ausbildungswegen, etwa den Technikern, sei das Gehalt schon sehr gut. Gegen die These von der angeblichen Unterbezahlung spreche auch die Tatsache, dass viele Frauen, die diesen Beruf erwerben, dies in einer Teilzeitbeschäftigung tun – und ohne Umstände auch auf eine Vollzeitstelle wechseln könnten.
Der eigentliche Grund dafür, dass es in Niedersachsen nicht ausreichend angehende Erzieherinnen für die freien Plätze in Kindergärten gebe – schon gar nicht perspektivisch bei einer in Zukunft verpflichtenden dritten Fachkraft je Gruppe – bestehe im Ablauf der Ausbildung. Nach langem Ringen zwischen SPD und CDU sei festgelegt worden, dass ausgebildete Sozialassistenten zur Hälfte weiter ihrer Ausbildung nachgehen und zur anderen Hälfte vergütet als Mitarbeiter in den Kindergärten tätig werden, gegen eine Bezahlung von rund 1300 Euro monatlich. Das greife aber erst in der zweiten Hälfte der vierjährigen Ausbildung, also nach zwei Jahren ohne jegliche Vergütung.
Bosse-Arbogast wundert sich, dass Niedersachsen nicht den bereits von Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen eingeschlagenen Weg nutzt und von vornherein eine „praxisorientierte Ausbildung“ anpeilt, die vom ersten Tag an auch mit einer Ausbildungsvergütung verknüpft sein kann. „Damit wir das hier anwenden können, bräuchten wir eine landesrechtliche Regelung – und eine andere Strategie der Landesregierung“, meint Bosse-Arbogast.