Vier Jahre haben Polizei und Verfassungsschutz den Deutschsprachigen Islamkreis (DIK) in Hildesheim beobachtet, nun haben sie offenbar genug Beweismittel gesammelt: Mit einer Verfügung vom 7. März ließ das Innenministerium gestern den als Hochburg des radikalen Salafismus in Deutschland eingestuften Verein verbieten. Mehrere Hundert Polizisten durchsuchten Wohnungen und Gebetsräume, sie beschlagnahmten Vereinsvermögen. Innenminister Boris Pistorius bezeichnete das Verbot angesichts der Beweislage als alternativlos. Auch die Opposition hält die erzwungene Auflösung des Vereins für notwendig, kritisiert aber, die Regierung habe mit dem Verbot zu lange gewartet. Wertvolle Zeit sei etwa verstrichen, weil das Innenministerium einen informellen Antrag des Landeskriminalamts für eine Durchsuchung der Räume zunächst abgelehnt haben soll.
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Im Dezember 2015, zwei Jahre nach Beginn der Überwachung, leiteten die Sicherheitsbehörden ein vereinsrechtliches Ermittlungsverfahren gegen den DIK Hildesheim ein. Es lag der Verdacht nahe, dass dort Gläubige gezielt radikalisiert und als Unterstützer für die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) angeworben wurden. Bei zwei Razzien im Juli und November beschlagnahmten die Ermittler zahlreiche Dokumente und Datenträger. Zudem wurde bei der zweiten Durchsuchung im vergangenen November auch der hochrangige salafistische Prediger Abu Walaa verhaftet. Die beschlagnahmten Unterlagen seien nun ausgewertet worden und das Bild, das sich daraus ergebe, mache nach Angaben von Pistorius ein Verbot nicht nur möglich, sondern nötig. „Wir haben jetzt Beweise für alle drei Voraussetzungen, nach denen ein Verein verboten werden kann.“ Ein Verein kann nur aus drei Gründen verboten werden: Seine Ziele oder Handlungen sind strafbar, richten sich gegen die Verfassung oder arbeiten gegen die Völkerverständigung. Das muss die zuständige Behörde aber belegen können, mit gerichtsfesten Beweisen.
Dem Innenminister zufolge ist das der Grund, warum der Verein nicht früher aufgelöst worden war. „Das Verbot des DIK ist das Ergebnis eines langen Ermittlungsverfahrens“, sagte Pistorius. Ein Vereinsverbot sei ein tiefer Eingriff in ein Grundrecht und müsse daher sorgfältig geprüft werden. „Bei der jetzigen Beweislage kann unsere wehrhafte Demokratie die Aktivitäten des Vereins aber nicht länger hinnehmen.“ Polizeipräsident Uwe Binias geht ein wenig mehr ins Detail. 67 Seiten umfasst die Verbotsverfügung, darin seien unter anderem Beweise dafür aufgeführt, dass der DIK den Dschihad als Pflicht für Muslime deklariert hat, die Scharia und Gewalt gegen Ungläubige billigt und Mitglieder dazu gebracht hat, sich dem IS in Syrien und dem Irak anzuschließen. Doch konkrete Beispiele, auch zu möglichen geplanten Terroranschlägen, kommen nicht zur Sprache.
Eine Zeit lang hatte es geheißen, der DIK würde nicht verboten, um die gewaltbereiten Salafisten im Auge behalten zu können. Jetzt gehen die Behörden jedoch davon aus, dass durch das Verbot keine Nachteile für die Beobachtung der Szene entstehen. „Wir beobachten die Mitglieder des harten Kerns des DIK auch weiterhin und werden genau darauf achten, was sie tun, wo sie sich treffen und ob sie versuchen, die alten Strukturen wieder aufzubauen“, sagte Verfassungsschutzpräsidentin Maren Brandenburger. Natürlich sei klar, dass die Salafisten mit dem Verbot nicht bekehrt würden und versuchen werden, sich andere Plattformen zu schaffen. „Aber das Verbot nimmt ihnen eine wichtige Plattform.“
Für Jens Nacke, Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion, ist das Verbot keine Überraschung. „Vor dem Hintergrund, dass dort einer der schlimmsten Hassprediger Deutschlands wirkte, ist die Notwendigkeit eines Verbots offenkundig.“ Doch seiner Ansicht nach komme es deutlich zu spät. „Natürlich muss das Verbot vor Gericht halten und da geht Sorgfalt vor Eile. Doch der Innenminister hätte sich viel stärker engagieren müssen.“ Nacke spielt dabei unter anderem auf eine Aussage an, die der Landeskriminalamtspräsident Uwe Kolmey vergangene Woche im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss gemacht hat. Denn das LKA habe schon lange vor der Razzia im Juli 2016 beim Innenministerium eine Durchsuchung der DIK-Räume angeregt. Damals sei aber die Information zurückgekommen, dass das bei der derzeitigen Beweislage nicht möglich sei. „Das kann man auf mehrere Arten lesen, doch es zeigt auch eine gewisse Verunsicherung der rot-grünen Regierung im Umgang mit Moscheen“, sagt Nacke. Immerhin könne man davon ausgehen, dass das LKA für einen solchen Vorschlag seine Gründe habe.Dieser Artikel erschien in Ausgabe #50.