Für die einen steht die nächste Landtagswahl kurz bevor, die anderen sitzen noch mindestens vier Jahre sicher im Amt. Von daher ist es nicht überraschend, dass die bayerische Staatsregierung insgesamt etwas mehr Betriebsamkeit zeigt als die niedersächsische Landesregierung. Was im Bereich Wohnungsbauförderung passiert oder auch nicht passiert, ist allerdings auch nicht mehr mit gesteigertem oder reduziertem Elan zu erklären.

Krise? Was für eine Krise? In der niedersächsischen Landesregierung sieht man die Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt offenbar nicht ganz so dramatisch. | Foto: GettyImages/Rainer Elstermann

Im Rennsport würde man das Geschehen wie folgt beschreiben: Während der bayerische BMW schon die zweite Runde absolviert hat, ist man sich im niedersächsischen Rennstall noch im Unklaren darüber, wo bei so einem Volkswagen eigentlich die Reifen hingehören. Die rot-grüne Landesregierung in Hannover kann noch nicht einmal darauf verweisen, dass man sich wenigstens bei der Ampelkoalition in Berlin für irgendetwas stark gemacht hätte. Denn zuvor müsste Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) erst einmal überhaupt einen echten Arbeitsnachweis abliefern.

Bundesbauministerin Geywitz hat offenbar keinen Plan B

Tatsächlich klammert sich Geywitz aber wie der Steuermann der Titanic verzweifelt an das im Koalitionsvertrag vereinbarte Ziel, 400.000 Wohnungen pro Jahr bauen zu wollen. Gibt es konkrete Ideen, wie der Bund dabei für Schwung auf dem Wohnungsbaumarkt sorgen könnte? Fehlanzeige! Offenbar wollte die Ampelkoalition auf das Erreichen dieser Zielmarke niemals ernsthaft zusteuern, sondern ließ sich einfach von der positiven Marktentwicklung treiben. Deswegen haben Geywitz und ihre Mitstreiter jetzt, während der Wohnungsneubau immer stärker einbricht, auch keinen Plan B in der Tasche. Das einzige, was die Bauministerin dem total verpassten Wohnungsbauziel für 2022 und 2023 entgegensetzt, ist unerschütterlicher Optimismus. 2024 wird schon alles wieder gut, glaubt die Protestantin aus Potsdam.

Bundesbauministerin Klara Geywitz (rechts) wirbt auf der Immobilienmesse Real Estate Arena 2022 in Hannover für die Sanierung von Bestandsimmobilien. Nennenswerte Anreize dafür hat die SPD-Politikerin seitdem aber nicht geschaffen. | Foto: Link

In Bayern ist das Vertrauen darin, dass der liebe Herrgott die Lage auf dem Wohnungsmarkt schon richten wird, dagegen begrenzt. Erst hat die Regierung von Markus Söder (CSU) im Januar einen umfangreichen „Wohnbau-Booster“ mit vielen verschiedenen Maßnahmen und einem Volumen von einer Milliarde Euro beschlossen, dann die Aufnahme des vereinfachten „Gebäudetyps E“ in die Landesbauordnung auf den Weg gebracht und schließlich auch noch das „Bayern-Darlehen“ eingeführt – ein spezielles Zinsverbilligungsprogramm für Familien mit niedrigem bis mittlerem Einkommen. Außerdem hat der Freistaat im Bundesrat eine Initiative zur Wiedereinführung des Baukindergeldes und zur Einführung einer Eigenheimzulage angestoßen. „Wir versuchen aus der bayerischen Perspektive die Dinge auch tatsächlich umzusetzen, die möglich sind“, sagte der bayerische Staatsminister für Bundesangelegenheiten, Florian Hermann (CSU), im Bundesrat.

„Möglich“ ist freilich nicht gleichbedeutend mit „effektiv“ oder „sinnvoll“. Denn über das von Bayern initiierte Neubau-Förderprogramm für Familien mit geringem und mittlerem Einkommen kann man sich nur wundern: Die Förderung gilt ausschließlich für Familien „mit mindestens einem minderjährigen Kind im Haushalt und einem maximal zu versteuernden Jahreseinkommen von 60.000 Euro“. „Antragsberechtigt wären etwa 75 Prozent der Haushalte in Deutschland“, sagt das Bundesbauministerium. Das ist schön. Wie sich solche Familien bei den aktuellen Preisen selbst mit zinsverbilligten Krediten allerdings den Erwerb von Wohnungseigentum leisten sollen, ist aber absolut schleierhaft.

Keller im Wirtschaftsministerium muss gut isoliert sein

Trotzdem ist ein Förderprogramm, das grundsätzlich sinnvoll ist, aber kaum jemandem zugutekommt, tausendmal besser als völlige Untätigkeit. Und da sind wir dann auch wieder bei der niedersächsischen Landesregierung. Die sitzt seit ihrem Amtsantritt im November 2022 die sich immer weiter verschärfende Krise auf dem Wohnungsmarkt konsequent aus. Dass manche Grüne insbesondere mit dem Bau von Ein- und Zweifamilienhäusern ein Problem haben und sich kein Bein ausreißen, um hier wieder Schwung in den Markt zu bringen, kann man ja irgendwo nachvollziehen. Dass aber eine sozialdemokratisch geführte Landesregierung es nur schulterzuckend zur Kenntnis nimmt, dass sich immer weniger Menschen in Niedersachsen noch Wohneigentum leisten können, ist dann schon befremdlich.

Die Mieten und Kaufpreise kennen in Niedersachsen seit Jahren nur eine Richtung: nach oben. 2022 stiegen die Wiedervermietungsmieten um 7,5 Prozent wie eine aktuelle Studie im Auftrag der N-Bank ergeben hat. Schon 2021 hatten sich die Mieten um den gleichen Prozentwert verteuert. | Grafik: N-Bank

„Bezahlbarer Wohnraum ist für uns die soziale Frage“, sagte Umwelt- und Bauminister Olaf Lies (SPD) noch vor vier Jahren. Der Wirtschafts- und Bauminister Olaf Lies wirkt aber beim Wohnungsbau inzwischen schon beinahe resigniert. Weil er sich in einer rot-grünen Landesregierung mit seinen Ideen nicht durchsetzen kann? Ernsthafte Bemühungen von SPD und Grünen, die immer weiter steigenden Miet- und Immobilienpreise in Niedersachsen einzudämmen oder gar zu senken, sind auf jeden Fall gegenwärtig noch nicht feststellbar. Wo bleibt zum Beispiel die von allen Seiten geforderte „Umbauordnung“ für Niedersachsen, um endlich die Bestandssanierung zu erleichtern? Der Keller im Wirtschaftsministerium, in dem die Fachleute an dem Entwurf für die Umbauordnung arbeiten, muss gut isoliert sein. Bisher ist davon nämlich nichts nach außen gedrungen.

Der Sanierungsbedarf des deutschen Wohnungsbestands ist enorm. Jedes vierte Gebäude wurde vor 1950 gebaut. 63 Prozent der Häuser entstanden vor 1980. | Grafik: Bulwiengesa AG

Die soziale Frage ist das eine, der Klimaschutz das andere. In Niedersachsen gibt es derzeit so wenig Wohnungen, dass sich die Leerstandsquote auf einem historischen Tiefstand befindet. Das hat nicht nur steigende Preise zur Folge, sondern behindert auch Sanierungen und Modernisierungen, denn bewohnte Wohnungen können nicht kernsaniert werden. Die energetische Ertüchtigung des in größten Teilen veralteten Wohnungsbestands wird durch den Wohnungsmangel empfindlich ausgebremst und das Erreichen der Klimaziele im Wohnungssektor rückt immer weiter in die Ferne. Klar ist: Die Versiegelung von Flächen muss nicht nur zurückgefahren, sondern zurückgedreht werden.

In Deutschland werden immer neue Flächen für Siedlung und Verkehr beansprucht. Doch das Tempo des Flächen-Neuverbrauchs geht bereits zurück. | Grafik: Umweltbundesamt, Quelle: Destatis

Es ist eigentlich unstrittig, dass die Zahl der Ein- und Zweifamilienhäuser mittel- bis langfristig deutlich sinken muss und für viele (vor allem schlecht sanierte) Gebäude der Abriss in Verbindung mit einer Entsiegelung folgen muss. Aber nicht gerade jetzt, denn dann geht man wohnungspolitisch den zweiten Schritt vor dem ersten und kommt ins Stolpern.

Die grünen Hardliner, die jetzt schon den völligen Stopp von Flächenversiegelung zugunsten des Wohnungsbaus fordern, erweisen dem Klimaschutz einen Bärendienst. Ohne Neubau ist die Bestandssanierung in dem Ausmaß, der dringend benötigt wird, nicht möglich. Das ist eine Erkenntnis, die bei Rot-Grün dringend mehrheitsfähig werden muss, wenn diese Legislaturperiode für den Wohnungsbau in Niedersachsen nicht eine verlorene sein soll.