Klimakrise oder norddeutscher Sommer? Landtag will den Ackerbauern helfen
Die Ernte der niedersächsischen Bauern fiel in diesem Jahr durchwachsen aus. Wie die Landwirtschaftskammer vorige Woche bilanzierte, habe der starke Regen dem Getreide geschadet, Mais und Zuckerrübe erging es bei der diesjährigen Witterung hingegen gut. Die Grünen im niedersächsischen Landtag nahmen diese Bilanz nun am Donnerstag zum Anlass für eine „aktuelle Stunde“, um über Trockenheit und Starkregen und die Klimafolgen für die Landwirtschaft zu diskutieren.
„Die Ernte ist nicht nur Indikator für die Gesundheit unserer Landwirtschaft, sondern auch Spiegelbild des Klimawandels“, sagte Pascal Leddin, der agrarpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion. Er meint, dass die „katastrophal schlechte Maisernte“ im vergangenen Jahr und die verregnete Getreideernte in diesem Jahr kein Zufall seien, sondern das Ergebnis des Klimawandels, den die Landwirte nun als allererste zu spüren bekämen.
Man dürfe die Augen nicht davor verschließen, appellierte er und klagte in Richtung der AfD an: „Wer den Klimawandel leugnet, stellt sich gegen unsere Landwirtschaft. Die nicht vorhandene Klimapolitik der AfD ist landwirtschaftsfeindlich.“ Jetzt sei die Zeit, den Ökolandbau auszubauen, Fruchtfolgen anzupassen und jene Landwirte zu unterstützen, die dies vorantreiben. „Die Klimakrise bedroht nicht nur Ernten, sondern unsere Zukunft.“ Niedersachsen solle jetzt Vorbild und Spitzenreiter werden beim klimaangepassten Ackerbau, so die abstrakte Botschaft des Abgeordneten.
Was aber muss die Politik tun, um die Landwirte dabei zu unterstützen? Frank Schmädeke, Agrarpolitiker der CDU-Fraktion, fühlte sich bei den Ausführungen des Grünen-Politikers an eigene Anträge seiner Fraktion erinnert. Darin forderte die Union von der Landesregierung etwa, sich für ein regionales Wassermengenmanagement einzusetzen. Dabei sollten die Akteure vor Ort Konzepte entwickeln, wie das rare Gut gewinnbringend eingesetzt werden könne, wobei es zu einem fairen Ausgleich zwischen den konkurrierenden Interessen kommen müsse.
„Als CDU-Fraktion wollen wir das Wasser als solches managen, und nicht nur die Landwirte“, sagte Schmädeke und führte aus, dass Landwirte nach seinem Verständnis immer Land-, Pflanzen- und Wasser-Wirte seien. Als Experten an der Basis hätten die Landwirte ein eigenes Interesse daran, die Art und Ausrichtung der Bewirtschaftung so zu wählen, dass der Boden nach Starkregen nicht weggespült wird. Dadurch leisteten sie auch einen Beitrag dazu, Überschwemmungen vorzubeugen. „Es ist nicht das Handwerkszeug, das den Männern und Frauen auf den Höfen fehlt. Es sind die Hülle und Fülle, die dem Klimawandel geschuldet sind, die die Betriebe emotional und finanziell überfordern. Hier ist Hilfe unabdingbar“, sagte er und fügte an, dass eine „Welle aus Belastungen und Bürokratie“ die Höfe weggespült habe – „das ist unser Problem.“
AfD-Sprecher Dannenberg sieht keine Klimakrise
Der grundlegenden Problembeschreibung der Grünen will man sich in der AfD-Fraktion unterdessen gar nicht anschließen. „Ist es trocken: Klimakrise. Ist es nass: Klimakrise. Ist es erst trocken, dann nass, dann wieder trocken: Klimakrise. Das war ein ganz normaler norddeutscher Sommer“, versuchte deren agrarpolitischer Sprecher Alfred Dannenberg das Plenum des Landtags zu überzeugen. Er habe mit Landwirten gesprochen, die ihm allesamt das Bild bestätigt hätten, das er von seinem eigenen Betrieb habe: Dem Grünland sei es wunderbar ergangen, auch dem Wald habe der Regen gutgetan.
Die Getreideernte sei zwar unterdurchschnittlich gewesen, aber schon bei den Kartoffeln stimmt die Klage über Krautfäule auch nur bedingt, denn in der konventionellen Produktion habe es keine so großen Probleme damit gegeben. „Wo ist eigentlich ihre Krise, liebe Grüne?“, fragte Dannenberg polemisch und antwortete sich selbst: „Nur in ihrem Kopf.“ Das eigentliche Problem seien Regelungswut, Dieselpreise und Moorvernässung.
Darauf reagierte die SPD-Agrarpolitikerin Karin Logemann allerdings entrüstet: „Die süffisante Art der Polemik ist der ernsten Lage nicht angemessen“, sagte sie und referierte die aktuellen Meldungen zur Dürreentwicklung im Land, die zwar besser werde aber noch nicht gut sei. Es gehe nun darum, die Landwirtschaft krisenfest aufzustellen. Dazu gehörten aus ihrer Sicht dringende Anpassungen bei der Bodenbewirtschaftung, Humusaufbau und mehr Vielfalt auf den Feldern.
Daran knüpfte Agrarministerin Miriam Staudte (Grüne) an, die erklärte, der „Zustand des Zitterns“ drohe für die Ackerbauern zum Dauerzustand zu werden. Der Blick in die Welt mache deutlich, dass die Wahrscheinlichkeit, dass Missernten in wichtigen Anbaugebieten zeitgleich stattfinden, größer sei als gedacht. Die Botschaft der Statistiken sei, dass man sich auf große Schwankungen wird einstellen müssen. Auf ihrer Sommerreise, berichtete die Ministerin, habe sie Ackerbauern getroffen, die eine sechsteilige Fruchtfolge anpflanzten, um das Risiko zu streuen. Das sei aber noch die Ausnahme.
Gleichwohl kündigte sie an, dass ihr Ministerium gerade prüfe, wie zusätzlich zu den bestehenden EU-Förderungen für die Landwirtschaft künftig eine Kombination aus den EU-Ökoregelungen und den Agrarumwelt- und Klimaschutzmaßnahmen so gestaltet werden kann, dass der Umstieg zu vielfältigen Fruchtfolgen vergrößert werden könne. Die Landwirtschaftskammer hatte dies vorige Woche angeregt. Zudem sei geplant, in der laufenden EU-Agrarförderperiode die Mehrgefahrenversicherung so umzugestalten, dass diejenigen Landwirte davon profitieren, die beim Anbau umstellen und dabei etwas Neues ausprobieren.
Dieser Artikel erschien am 15.09.2023 in der Ausgabe #159.
Karrieren, Krisen & Kontroversen
Meilensteine der niedersächsischen Landespolitik
Jetzt vorbestellen