Kirchen sind verstimmt: Geplantes Verstreuen der Asche verletzt die Totenruhe
Die rot-grüne Landesregierung will die Regeln für die Bestattung liberalisieren – und stößt damit auf vehementen Protest der Kirchen. Besonders umstritten ist dabei die geplante Vorschrift, das Verstreuen der Asche eines im Krematorium verbrannten Leichnams auf einem Teil des Friedhofs zu gestatten. „Diese Regelung lehnen wir ab und bitten, sie aus dem Entwurf wieder herauszunehmen“, heißt es in einer Stellungnahme der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen. Auch aus der katholischen Kirche kommen ähnliche Vorbehalte. Im rot-grünen Gesetzentwurf hingegen wird bewusst eine Öffnung für neue Formen der Beerdigung angepeilt. So weit wie in Bremen, wo ein Verstreuen der Asche wie auch eine Urnenbeisetzung im eigenen Garten erlaubt ist, will Niedersachsen allerdings nach wie vor nicht gehen. Trotzdem steht auch hierzulande nun eine heftige Debatte über die Reform des Friedhofswesens bevor.
Anlass für die Gesetzesnovelle, die über das Sozialministerium vom Kabinett Ende April auf den Weg gebracht wurde und nun den Verbänden zur Stellungnahme vorliegt, sind zunächst die Vorkommnisse rund um den Krankenpfleger Niels H., der in Delmenhorst und Oldenburg bis zu 43 Morde begangen haben soll. Viele dieser Taten sind auch deshalb nicht aufgefallen, weil eine gründliche Leichenschau versäumt wurde. Im Gesetz soll nun ermöglicht werden, in besonderen Fällen eine spätere Obduktion bei rechtsmedizinischen Instituten zu veranlassen. Auch eine ärztliche Meldepflicht bei der Polizei, wenn es Anhaltspunkte für einen nicht natürlichen Tod gibt, soll nun gesetzlich festgelegt werden. Das Ziel des Gesetzes sei, so erklärte Sozialministerin Cornelia Rundt (SPD) Ende April, „das Bestattungswesen im Interesse einer besseren Aufklärung von Todesursachen weiterzuentwickeln“. Zur Liberalisierung der Bestattungsformen sagte sie nichts – und die Konföderation evangelischer Kirche beklagt nun auch, dass man darüber gern intensiv in den eigenen Gremien diskutiert hätte. Dies sei aber nicht möglich gewesen, da die Landesregierung der Konföderation eine verkürzte Frist zur Stellungnahme auferlegt habe.
Es sind vor allem zwei Punkte, an denen sich die christlichen Kirchen reiben – die Möglichkeit, die Asche auf dem Friedhof zu verstreuen, und die Möglichkeit, teile der Asche aus der Urne zu entnehmen, damit diese beispielsweise zu einem Diamanten eingeschmolzen werden kann. In der Stellungnahme der Kirche heißt es, die Begründung der Landesregierung, man könne aus Gründen der Menschenwürde eine „erdfreie Bestattung“ nicht verweigern, sei nicht überzeugend. Die Totenruhe sei beim Verstreuen der Asche nicht gewährleistet, da Menschen und Tiere auf die Asche treten oder ein Windstoß sie an andere Orte tragen könne. Möglich sei auch, dass die Asche beim Rasenmähen aufgefangen und mit dem Grüngutabfall vermischt werde. „Dies widerspricht einem würdevollen Umgang mit sterblichen Überresten von Verstorbenen und somit dem Grundsatz der Achtung der Menschenwürde“, erklärt die Kirchen-Konföderation. Das katholische Büro schreibt dazu: „Durch das Betreten dieser Streuwiesen können Aschereste an Schuhsohlen haften bleiben und unkontrolliert an verschiedene Orte transportiert werden. Das ist ein Umstand, der dem Grundsatz der Wahrung der Totenwürde nicht entsprechen dürfte.“ Wenn die Asche von Verstorbenen verstreut werde, widerspreche das „dem menschlichen Bedürfnis, einen Ort der Trauerbewältigung zu haben, bei dem diese Asche auch tatsächlich an Ort und Stelle verbleibt“.Dieser Artikel erschien in Ausgabe #114.