Sinkende Kirchenmitgliedszahlen machen auch vor den Schulen nicht halt. Weil immer häufiger zu wenige Schüler oder zu wenige Lehrer für einen bestimmten konfessionellen Religionsunterricht vorhanden sind, haben sich die evangelischen Landeskirchen und katholischen Bistümer in Niedersachsen auf ein neues Modell verständig. Künftig soll es nach Ansicht der Schulreferenten beider Kirchen nur noch einen einheitlichen christlichen Religionsunterricht geben.

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Von den knapp 800.000 Schülern an allgemeinbildenden Schulen in Niedersachsen seien nach Angaben der kirchlichen Schulreferenten derzeit noch 46 Prozent evangelisch und 16 Prozent katholisch, fast ein Viertel der Schüler gehöre aber gar keiner Religionsgemeinschaft an, etwa 9 Prozent bekennen sich zum Islam, die Übrigen zu einem anderen Glauben. Doch obwohl nur 62 Prozent der Schüler einer christlichen Kirche angehören, belegen dennoch drei Viertel der Kinder den konfessionellen Religionsunterricht. Jörg-Dieter Wächter, Leiter der Bildungsabteilung im Bistum Hildesheim, erkennt darin eine große Nachfrage nach Religionsunterricht und auch eine große Bedeutung für die Allgemeinbildung.

Mit der Vorstellung eines Positionspapiers gaben die zuständigen Kirchenvertreter gestern den Startschuss für einen Beratungsprozess, an dessen Ende die Einführung des neuen Unterrichtsfachs ab dem Schuljahr 2022/23 stehen soll. In den kommenden Monaten soll nun zum einen mit den Religionslehrern, den innerkirchlichen Gremien und den Theologen an den Universitäten, zum anderen mit den Schüler- und Elternvertretern sowie dem Kultusministerium über die Details verhandelt werden, erklärte Winfried Verburg, Leiter der Schulabteilung im Bistum Osnabrück, gestern vor Journalisten.

Interreligiöser Unterricht wird ausgeschlossen

Kerstin Gäfgen-Track, Bevollmächtigte der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen, bezeichnete den bevorstehenden Beratungsprozess als „halboffen“ – das Positionspapier werde sich in der Zwischenzeit sicher verändern, bestimmte Eckpfeiler stünden aber nicht mehr zur Disposition. Dazu zähle unter anderem, dass am Ende ein „gemeinsam verantworteter christlicher Religionsunterricht“ stehen soll, der nach wie vor offen sei für andere Schüler. Eine Öffnung hin zu einem interreligiösen Religionsunterricht, wie es ihn beispielsweise in Hamburg gibt, sei aber ausgeschlossen, so Gäfgen-Track.

Der neue christliche Religionsunterricht werde von gemeinsamen Inhalten ausgehen und nach Gemeinsamkeiten im Verständnis vom Bekenntnis und von der Bibel suchen. Dadurch sei nach Ansicht der Theologin sichergestellt, dass es sich auch nach dem neuen Modell noch um bekenntnisgeleiteten Religionsunterricht handele, wie ihn Artikel 7 Absatz 3 des Grundgesetzes garantiere. Bei der inhaltlichen Ausrichtung des Religionsunterrichtes sprach Gäfgen-Track von einem Perspektivwechsel: Die Inhalte blieben dieselben, sie würden nur pädagogisch unterschiedlich aufbereitet.

Es wird ein gemeinsames Kurrikulum für den christlichen Religionsunterricht geben, nach dem dann auch Abitur gemacht werden kann.

Dass evangelische und katholische Schüler in Niedersachsen denselben Religionsunterricht besuchen, ist derweil nicht ganz neu. Schon seit knapp 20 Jahren wird dieser Unterricht auch (und zuletzt immer häufiger) in einer sogenannten konfessionell-kooperativen Form angeboten. Rechtlich und formal ist der Unterricht aber an der Konfession der unterrichtenden Lehrkraft orientiert – ein evangelischer Religionslehrer darf also auch katholische Schüler unterrichten, offiziell handelt es sich aber um evangelischen Religionsunterricht.

Diesen Zustand möchten die Schulreferenten der Kirchen nun beenden und betreten damit nach eigenen Angaben bundesweit einen neuen Pfad. Kooperative Modelle gebe es zwar schon in mehreren anderen Bundesländern, in Niedersachsen soll nun aber über eine Kooperation hinaus der Unterricht komplett gemeinschaftlich von beiden Kirchen organisiert werden. „Es wird ein gemeinsames Kurrikulum für den christlichen Religionsunterricht geben, nach dem dann auch Abitur gemacht werden kann“, erläuterte Gäfgen-Track.

Außerdem soll künftig die Akkreditierung entsprechender Studiengänge, die Anerkennung von Lehrmitteln und die Beratungs-, sowie die Aus- und Fortbildungsangebote von einer neu einzurichtenden zentralen Stelle beider Kirchen gemeinsam übernommen werden. Sogar die Entsendung der Lehrer erfolgt dann von dieser Stelle aus. Das Lehramtsstudium soll jedoch nicht vereinheitlicht werden, damit Religionslehrer aus Niedersachsen auch in anderen Bundesländern arbeiten können und umgekehrt.