1. Nov. 2023 · 
Gesundheit

Keine Ärzte für Bereitschaftsdienst? Die KVN ist in Sorge nach einem Gerichtsurteil

Ein aktuelles Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) versetzt die Kassenärztliche Vereinigung in Niedersachsen (KVN) in Aufregung. Ein Zahnarzt in Baden-Württemberg, der als sogenannter „Pool-Arzt“ im Bereitschaftsdienst eingesetzt war, kann nicht mehr wie bisher eingesetzt werden. Für ihn müssen Sozialversicherungsbeiträge entrichtet werden, da er nach Auffassung des BSG de facto als Angestellter der dortigen Kassenzahnärztlichen Vereinigung gewirkt hatte.

Das Bundessozialgericht hat entschieden, dass ein „Pool-Arzt“ im vertragszahnärztlichen Notdienst nicht automatisch selbstständig ist. Dieses Urteil hat Auswirkungen auch auf Niedersachsen. | Foto: BSG/Dirk Felmeden

Damit ist das Problem der „Scheinselbstständigkeit“ angesprochen, das in der Vergangenheit schon öfter zum Problem wurde – vor mehr als zehn Jahren in Niedersachsen beispielsweise mit Bezug auf Honorarkräfte, die an Schulen tätig waren. Nun hofft die KVN auf eine rechtliche Klärung der Deutschen Rentenversicherung, die für die Beurteilung der Beschäftigungsverhältnisse zuständig ist. „Der Bereitschaftsdienst läuft seit Jahrzehnten ohne Beanstandung, und es hängt doch sehr stark von der Einschätzung der Rolle der eingesetzten Kräfte ab“, sagt KVN-Sprecher Detlef Haffke dem Politikjournal Rundblick. „Mit denen haben wir ja keine Angestelltenverträge – sondern wir erlauben lediglich, dass sie im Bereitschaftsdienst aktiv werden und das abrechnen können.“

Der Bereitschaftsdienst der KVN beruht im Wesentlichen auf 14.000 niedergelassenen Kassenärzten landesweit, die neben Dienst in Praxen auch hier aktiv werden. Landesweit gibt es in Niedersachsen nun 160 sogenannte „Pool-Ärzte“, die zusätzlich angefordert werden, wenn nicht ausreichend niedergelassene Ärzte eingeteilt werden können. Diese „Pool-Ärzte“ sind zumeist hauptsächlich als Fachärzte in Krankenhäusern fest angestellt und nutzen die Bereitschaftsdienste nebenher. Es gibt aber, wie Haffke betont, unterschiedliche Einstufungen. Es seien auch Ärzte dabei, die sich voll und ganz auf die Bereitschaftsdienste konzentrieren, zudem ältere Ärzte, die keine eigene Praxis mehr betreiben aber weiter unterstützend wirken.

KVN setzt Verträge mit 160 "Pool-Ärzten" aus

Laut Haffke sind von den 160 auf der Liste 60 Ärzte dabei, die regelmäßig in die Dienstpläne aufgenommen werden. Das betreffe vor allem die Großstädte Hannover und Braunschweig. Als Reaktion auf das Urteil hat die KVN die Verträge mit den 160 „Pool-Ärzten“ ausgesetzt. Verbunden ist das mit der Hoffnung auf ein positives Signal der Rentenversicherung, dass das bisherige System weiterlaufen könne. Das könnte ein Resultat eines „Statusfeststellungsverfahrens“ sein, das die KVN laut Ärzte-Zeitung für die 160 „Pool-Ärzte“ bei der DRV beantragen will. „Wenn das nicht so wie erhofft kommt, müssen wir uns beim Gesetzgeber um eine Änderung des Sozialgesetzbuchs stark machen“, erklärt Haffke. Vorbild sei dabei der Rettungsdienst, der auf Notärzte zurückgreift. Hierfür gebe es schon eine gesetzliche Klarstellung.

Das Urteil des BSG kommt aus Sicht der KVN noch aus einem anderen Grund ungelegen. Wegen zunehmender Schwierigkeiten, ausreichend niedergelassene Ärzte für die Bereitschaftsdienste zu finden, hatte die KVN erwogen, künftig stärker als bisher auf die „Pool-Ärzte“ zurückzugreifen. Dies sollte sich vor allem auf Fälle beziehen, in denen die Ärzte im Bereitschaftsdienst für Hausbesuche eingesetzt werden. „Wir hatten sogar erwogen, den Ärzten dann jeweils einen Fahrer an die Seite zu stellen“, erklärt Haffke.

Die Vertreterversammlung der KVN sollte sich mit dem Konzept beschäftigen. Es dürfte nun aber, meint der Sprecher der Vereinigung, zunächst mal gestoppt werden, bis die Rechtslage für den Einsatz der „Pool-Ärzte“ geklärt ist. Beim Problem der „Scheinselbstständigkeit“ geht es um den Vorwurf, Mitarbeiter würden de facto als abhängig Beschäftigte nur eines Arbeitgebers eingesetzt, ohne dass für sie Renten- und Krankenkassenbeiträge entrichtet werden. Sie seien dann also nur scheinbar Selbstständige, in Wahrheit aber in einem beruflichen Abhängigkeitsverhältnis zu einem einzigen Arbeitgeber.


Dieser Artikel erschien am 1.11.2023 in Ausgabe #188.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

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