Die Droge Crack ist in niedersächsischen Kommunen angekommen. Damit verändert sich die Szene der Drogenkonsumenten vor Ort, wird aggressiver und schwerer erreichbar für Hilfsangebote. Aus Großstädten wie zum Beispiel Bremen gibt es die Erfahrung, dass sich die Crackszene in die Bahnhofsbereiche und Innenstädte ausbreiten kann. Fachleute aus der Suchthilfe tauschten sich dazu bei einer Online-Veranstaltung der Landesstelle für Suchtfragen aus. Prof. Heino Stöver vom Institut für Suchtforschung der Frankfurt University of Applied Sciences forscht seit Ende der 1990er Jahre zu Crack. Damals gab es nur Szenen in Frankfurt am Main, Hamburg und Hannover. Stöver hatte gehofft, kleinere Städte blieben von der als „Arme-Leute-Kokain“ bekannten, aus Kokain und Natron hergestellten Substanz verschont. Doch seit rund zehn Jahren entstünden in immer mehr deutschen Städten lokale Netzwerke von Dealern und Konsumenten, berichtet er.

In Wolfsburg sei Crack bereits die dominierende Substanz. Während der Corona-Zeit, als Hilfsangebote schwer erreichbar waren, begann sie sich zu verbreiten. „Wir sind im engen Austausch mit der Stadt und der Polizei“, sagte Malte Plönnigs von der Drogenberatung Wolfsburg. Unter dem Einfluss von Crack würden Menschen agitiert und aggressiv. Sie spürten keine Müdigkeit, keinen Hunger oder Durst und sind manchmal 36 Stunden „on the run“. Das mache es schwierig für die Sozialarbeiter, sie zu erreichen und zu beraten. Mit Lebensmittelspenden, berichtete Plönnigs, lassen sich Betroffene motivieren, ins Kontaktcafé zu kommen. „Aber sie rauschen herein und gleich wieder heraus“, beschrieb er. Auch in Leer, Osnabrück und Verden sind einzelne Fälle aufgetaucht. Die Sozialarbeiter erkennen die Veränderung daran, dass die Klientel aggressiver und der Austausch von Spritzen kaum noch nachgefragt wird. Denn während Heroin gespritzt wird, wird Crack geraucht. „Crack löst Heroin ab“, stellte Prof. Stöver fest. Kokain in Pulverform werde nur noch in bürgerlichen Szenen konsumiert. Auf der Straße, sagen die Experten, gebe es Crack nur noch in Form von rauchbaren Klumpen, so genannten „Steinen“ – laut Stöver die lukrativste Darreichungsform für die Drogenhändler.
Heino Stöver fordert, dass in dieser Situation die Mittel aufgestockt werden, um die Abhängigen ins Hilfesystem zu integrieren. Es müssen hochkalorische Nahrungsmittel bereitgestellt, Notschlafstellen und „ultra-niedrigschwellige“ Konsumräume geschaffen werden. Weil Crack-Süchtige nicht von sich aus in die Beratungsstellen kommen, müsse die Straßensozialarbeit aufgestockt werden. Der Sicherheitsdienst der Deutschen Bahn solle nicht nur durch den Bahnhof stolzieren, sondern die Konsumenten über Hilfsangebote informieren. „Die Städte möchten lieber crackfrei bleiben. Aber es ist unsere Aufgabe, auf die Veränderungen hinzuweisen, ohne zu skandalisieren“, beschwor er die Suchtberater. Wie Tobias Trillmich von der Landesstelle für Suchtfragen berichtete, versucht die Drogenhilfeeinrichtung Stellwerk in Hannover gerade, ihr Angebot um einen Konsumraum speziell für Crack zu erweitern. Doch die bürokratischen Auflagen sind hoch.