10. Sept. 2025 · 
KommentarInneres

Kommentar: Kein Befreiungsschlag

Vor der Landtagssitzung am 10. September war die Spannung groß gewesen. Würde Innenministerin Daniela Behrens, die seit Tagen öffentlich zum „Fall Friedland“ schweigsam blieb, die von der CDU beantragte aktuelle Debatte für einen Befreiungsschlag nutzen? Würde sie nun, im Abstand von einigen Tagen, doch Fehler ihrer Behörden einräumen und Besserung geloben?

Behrens hat es nicht getan, und damit in dieser für sie prekären Situation eine Chance verstreichen lassen. Ihre Bemerkung, „mit dem Wissen von heute“ hätte die Landesaufnahmebehörde (LAB) gegen eine negative Gerichtsentscheidung zur Abschiebung des 31-jährigen Asylbewerbers Beschwerde einlegen müssen, ist bei näherer Betrachtung eine Selbstverständlichkeit. Klar: Heute wissen wir, dass der Mann als mutmaßlicher Urheber des Todes einer 16-Jährigen für die Gemeinschaft gefährlich war. Die eigentliche Frage, die für Behrens zum Problem geworden war, ist doch eine andere: Haben die niedersächsischen Behörden alles ihnen Mögliche getan, einen abgelehnten Asylbewerber wieder in das sichere Drittland, aus dem er gekommen war, abzuschieben? Polizeibekannt war der Mann bereits, und eine Diagnose seiner psychischen Belastung lag ebenfalls vor – auch wenn die bisherigen Gesetze eine Weitergabe dieser Information an die Sicherheitsbehörden noch unterbinden.

Mit dieser Landtagsdebatte ist der „Fall Friedland“ nicht erledigt. Es bleiben offene Fragen – und es kommen weitere hinzu. Behrens verwahrte sich gegen den Vorwurf, die LAB sei inkompetent und überfordert. Über die Wortwahl mag man streiten. Aber der jetzt bekannt gewordene Briefwechsel zwischen der Kreisrätin des Kreises Göttingen und dem LAB-Chef vom Februar 2025 ist entlarvend. Dort wird auf praktische Probleme bei der Organisation von Abschiebungen hingewiesen, ergänzt mit der Erwartung, die LAB solle die Kommunen besser vorab über Details informieren. Oft, heißt es in dem Schreiben, seien LAB-Mitarbeiter in schwierigen Situationen gar nicht erreichbar gewesen. Das führt zu einer Grundsatzfrage: Ist die LAB überhaupt fit genug für die schwierige Aufgabe, die Rückführung abgelehnter Asylbewerber rechtssicher und konsequent in die Wege zu leiten? Große Zweifel sind mehr als berechtigt. Dass Behrens diese bisher nicht offen einräumen will, ist kein Ausweis politischer Stärke.

Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

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