
Ist die Klosterkammer plötzlich gierig geworden – oder hat sie jahrzehntelang viel zu niedrige Zinsen verlangt? Nachdem stark gestiegene Erbbauverträge landesweit für Empörung gesorgt haben, hat der Streit nun auch den Landtag in Hannover erreicht und eine Grundsatzdebatte ausgelöst. Als Antwort auf eine "Kleine Anfrage" von Verena Kämmerling und Marco Mohrmann (CDU) stellt die Landesregierung klar: Nicht die Klosterkammer hat ihre Praxis verändert, sondern die für die Landesbehörde verbindlichen Regeln der Landeshaushaltsordnung (LHO) sind das Problem. Für Wohnhäuser gilt pauschal: Fünf Prozent des Bodenwertes müssen als jährlicher Erbbauzins gezahlt werden. Läuft ein alter Vertrag aus, wird automatisch auf dieses Niveau angehoben – unabhängig davon, wie niedrig die Zahlungen vorher waren.
Warum die Sprünge derzeit so drastisch wirken, erklärt das zuständige Wissenschaftsministerium ebenfalls: „Bei etlichen sehr alten Verträgen ist keine Wertsicherungsklausel zum Inflationsausgleich vorgesehen. Der Erbbauzins ist deshalb in diesen Fällen seit mehreren Jahrzehnten unverändert und steht deshalb in keinem Verhältnis zum Wert des Grundstücks.“ Jahrzehntelang wurden die Zinsen also nicht an die Inflation angepasst – für die Klosterkammer bedeutete das Einnahmeausfälle in Millionenhöhe. Während die Anpassung für die eine Seite eine längst überfällige Korrektur darstellt, ist sie für die Betroffenen eine abrupte Mehrbelastung. Heute gehören Wertsicherungsklauseln dagegen zum Standard. Nach Angaben der Klosterkammer wäre ein Verzicht ohnehin nicht möglich, da er gegen das Haushaltsrecht verstoßen würde, wonach rechtmäßige Ansprüche vollständig zu erheben sind.

„Es gehört zu unserer Aufgabe als Vermögensverwaltung, das uns anvertraute Geld zeitgemäß und wirtschaftlich solide zu verwalten. Unsere Aufgabe ist es nicht, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Das ist Aufgabe der Politik und des Gesetzgebers. Dieser Spagat ist für die jeweils Betroffenen schwierig zu verstehen", stellt Klosterkammerpräsidentin Thela Wernstedt im jüngst veröffentlichten Jahresbericht für 2024 klar. Für soziale, kirchliche und Bildungsprojekte stellte ihre Behörde demnach rund dreieinhalb Millionen Euro bereit – ein Betrag, der ohne die Einnahmen aus Erbbauzinsen nicht zu erwirtschaften wäre.
Dass die Fünf-Prozent-Regel nicht so wirklich mehr zeitgemäß ist, hatte bereits die CDU-geführte Landesregierung unter David McAllister erkannt. Mit einem Erlass von 2012 bekam die Klosterkammer die Möglichkeit, bei vorzeitigen Vertragsverlängerungen mit einer Restlaufzeit zwischen fünf und 40 Jahren von den Vorgaben der LHO abzuweichen. Die Idee dahinter: Eigentümer sollten durch günstigere Konditionen ermutigt werden, ihre Verträge frühzeitig zu verlängern, während die Klosterkammer im Gegenzug Planungssicherheit für ihre Einnahmen bekam. Statt fünf Prozent des Bodenwertes werden bei diesen Verlängerungen nur vier angesetzt, zusätzlich gibt es einen Abschlag je nach Restlaufzeit. Ganz praktisch heißt das: Wer früh verlängert, kommt um einiges günstiger weg. „Insgesamt hat die Klosterkammer bislang ca. 2000 Erbbaurechte vorzeitig verlängern können“, berichtet das Wissenschaftsministerium. Wer dagegen bis zum Ende der Laufzeit wartet, fällt automatisch zurück in die Fünf-Prozent-Regel – und muss den vollen Satz tragen.
Und was passiert, wenn sich die Erbbaurechtsnehmer die neue Monatsrate nicht leisten können? „In diesem Fall läuft der Vertrag aus und das Eigentum am Gebäude fällt dem Grundstückseigentümer zu“, heißt es in der Regierungsantwort. Die Klosterkammer zahlt dann eine Entschädigung, die nach eigenen Angaben inzwischen bis zu 100 Prozent des Verkehrswerts erreichen kann. Für die Betroffenen bedeutet das dennoch den Verlust des Eigenheims. Betroffeneninitiativen aus Osnabrück, Lüneburg, Hildesheim und Hannover fordern deswegen „langfristig sozialverträgliche Konditionen“ – etwa durch eine Absenkung des Prozentsatzes, die Herausrechnung spekulativer Bodenwertsteigerungen oder Härtefallregelungen. Nach eigenen Angaben befindet sich das Wissenschaftsministerium mit der Klosterkammer derzeit „in einem intensiven Austausch zu möglichen Abmilderungen der gestiegenen Erbbauzinsen“. Ob die Gespräche am Ende auch die Fünf-Prozent-Regel betreffen, wird sich zeigen.


