6. März 2018 · 
Kommentar

Jetzt muss aus dem neuen freien Tag ein bewusster Feiertag werden

Darum geht es: Die Landesregierung hat gestern einstimmig entschieden, einen Gesetzentwurf mit dem Reformationstag am 31. Oktober als neuen arbeitsfreien gesetzlichen Feiertag einzuführen. Allerdings soll das nur ein Beitrag sein – die Abstimmung im Landtag darüber wird den Abgeordneten voraussichtlich freigestellt. Dazu ein Kommentar von Klaus Wallbaum. Wenn die Politik den Menschen einen neuen arbeitsfreien Tag beschert, sollte das eigentlich bei der breiten Mehrheit der Bevölkerung auf Wohlwollen stoßen. Die meisten sind keine Ökonomen, die alle unbestreitbaren Nachteile eines solchen Schrittes für die Wirtschaft im Blick haben. Die meisten sind Arbeitnehmer, die sich über ein solches Geschenk vermutlich freuen. Aber nun lief und läuft es in Niedersachsen irgendwie anders. An der Feiertagsdiskussion entzündet sich ein teilweise leidenschaftlich geführter Streit, der manchmal an frühere Zeiten erinnert, die eine Fachhochschule geschlossen oder Einsparungen im Kultushaushalt festgelegt wurden. Welch Wunder: Es ist SPD und CDU bisher nicht gelungen, mit dieser eigentlich für die Masse angenehmen Entscheidung auch gleichzeitig eine angenehme Grundstimmung zu vermitteln. Über die Gründe kann man nun viel spekulieren. Vermutlich lief die Kommunikation nicht optimal. Man vermittelte den Eindruck von Geheimdiplomatie, während man gleichzeitig offiziell vollmundig „einen ergebnisoffenen Diskussionsprozess“ versprach. Man spielte – und spielt bis heute – eine Offenheit der Auswahl des gewünschten Tages vor, obwohl hinter den Kulissen die Weichen immer stärker in Richtung Reformationstag gestellt wurden. Sei’s drum, inzwischen haben die anderen norddeutschen Länder sich auch auf diesen 31. Oktober eingestellt, und deshalb dürfte viel dafür sprechen, dass am Ende eine klare Mehrheit der Landtagsabgeordneten in Niedersachsen für diesen Tag plädieren wird. Es dürfte zwar noch eine Initiative von Frauen für den Vorschlag von Landtagspräsidentin Gabriele Andretta geben, den Weltfrauentag am 8. März auszuwählen. Womöglich wird dieser Vorstoß auch stärker sein als bisher vermutet. Aber die Chancen, dass er den 31. Oktober bei der Abstimmung im Landtag schlagen kann, sind doch eher gering. Bis zur Entscheidung im Landtag im Mai oder Juni vergehen noch viele Wochen. Trotzdem wird es Zeit, den Blick nach ganz vorn zu richten, nämlich auf den 31. Oktober 2018. Wie wird dieser Tag, der wahrscheinlich Feiertag in Niedersachsen werden dürfte, ausgestaltet? Ministerpräsident Stephan Weil äußerte gestern den Wunsch, dass man an diesem Tag „respektvoll und tolerant miteinander umgeht“ und dafür auch Zeichen setzt. Auch die Schattenseite der Reformation, etwa religiöse Krieg und Intoleranz, solle vermittelt werden. Auch der evangelische Landesbischof Ralf Meister meinte, der Feiertag solle „nicht konfessionell, sondern interkonfessionell“ begangen werden – andere Religionen und auch nicht-religiöse Gruppen sollten angesprochen werden. Michael Fürst vom Landesverband der Jüdischen Gemeinden meinte, der Tag werde deshalb „kein schöner Tag werden“, weil die Juden „eben nicht dabei sein werden“. Was folgt aus dieser Vielstimmigkeit? Erstens zeigt die verkorkste Debatte, dass es im Fall der Fälle höchste Zeit wird, den Reformationstag als Feiertag würdig zu gestalten. Es muss Veranstaltungen geben, die zum Dialog zwischen den Religionen auffordern und sich damit beschäftigen. Das gilt für Christen, Juden, Muslime und auch nicht-kirchliche Gruppen. Wer tritt nun als Veranstalter auf? Die evangelische Kirche, die sich als treibende Kraft hinter der bisherigen Debatte angeprangert sieht und diesen Verdacht zurückweist, ziert sich – das ist verständlich. Der Ministerpräsident sieht nun auch nicht die Landesregierung in der Pflicht, der neue Feiertag soll doch keinen staatlichen Anstrich bekommen. Von Katholiken und Juden ertönt Skepsis. Wenn aber jeder nur auf den anderen verweist, wird am Ende der Feiertag kommen und niemand wird etwas vorbereitet haben. Das ist zwar kein Drama, schließlich soll ein arbeitsfreier Tag nicht mit einer amtlichen Bespaßung einhergehen. Aber wenn ein tieferer Sinn hinter dieser ganzen Diskussion stecken soll, dann doch wohl der, dass der Dialog der Religionen und die eigentlich selbstverständliche Haltung, den Andersartigen und Andersdenkenden zu tolerieren, in den Mittelpunkt gerückt werden müssen. Ein Feiertag der Vielfalt der Kulturen und religiösen Überzeugungen kann tatsächlich vorteilhaft für die Gesellschaft sein – auch übrigens als Abgrenzung gegenüber all jenen radikalen Kräften, die ihre religiöse Haltung nicht mit Toleranz verknüpfen. Deshalb sollte die Landesregierung schon mal vorsorglich eine Kommission berufen. Ihr Auftrag: Dem neuen Feiertag, für welchen Tag er denn auch festgelegt werden soll, eine Bedeutung zu verleihen. Und einen geeigneten Kreis zu finden, der das dann organisieren muss.   Mail an den Autor dieses Kommentars
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #45.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

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