Ist die Heizungs-Abwrackprämie ökonomischer Unsinn und purer Populismus?
Die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer hat mehrere Vorschläge für einen besseren Klimaschutz vorgelegt. Sie befürwortet die Forderung des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder, die Nachhaltigkeit als Staatsziel ins Grundgesetz zu schreiben – und sie setzt sich für eine Abwrackprämie für alte Öl-Heizungen in den Gebäuden ein. Ist das ein sinnvoller Weg? Die Rundblick-Redaktion streitet darüber.
PRO: Das Instrument der Abwrackprämie ist der Politik gewordene Mitnahmeeffekt. Annegret Kramp-Karrenbauer bringt mit ihrem Vorschlag nur noch mehr Unordnung in den umweltpolitischen Instrumentenkasten und macht deutlich, wie blank die CDU in der Klimapolitik ist, meint Martin Brüning.
Die Lage für die Autoindustrie vor mehr als zehn Jahren war infolge der Finanzkrise dramatisch, als die Politik ihr mit einem Instrument unter die Arme griff, an dem sich bis heute die Geister scheiden: der Abwrackprämie. 2500 Euro Staatsprämie konnten damals diejenigen mitnehmen, die ihr altes Auto unter bestimmten Voraussetzungen verschrotten ließen und sich einen Neuwagen zulegten. Zwar stiegen daraufhin die Neuzulassungen – allerdings profitierten in nicht geringem Maße auch die ausländischen Hersteller. Umweltpolitisch wird die Prämie bis heute kritisiert, schließlich wurden in Masse funktionsfähige Autos verschrottet und schon viel früher als erwartet durch mit hohem Energieaufwand gebaute Neuwagen ersetzt.
Die Abwrackprämie entpuppte sich als Instrument einer Wohlstandsgesellschaft, in der ein paar Jahre altes Fahrzeug keinen Wert mehr besitzt und auf dem Schrottplatz landet. Ein weiterer Einbruch bei den Neuzulassungen passierte übrigens zwei Jahre später dennoch, schließlich waren die Neuwagenkäufe von den Kunden nur vorgezogen worden. Einziger Vorteil: Die Steuerzahler hatten den zwei Millionen Kunden zum Kauf noch 2500 Euro geschenkt.
Die CDU-Bundesvorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer holt in die Klimadebatte mit der Abwrackprämie für Heizungen nun eine alte Prämienidee aus der förderpolitischen Mottenkiste, die auch nach ein paar Jahren des Vergessens nicht besser geworden ist. Erneut würde sie den Staat Milliarden kosten, erneut würden bestimmte Zielgruppen wie zum Beispiel Hausbesitzer mit entsprechend Geld auf der hohen Kante davon verstärkt profitieren. Schließlich muss man sich trotz Prämie die neue Heizung auch leisten können.
Die Abwrackprämie ist der Politik gewordene Mitnahmeeffekt. Wenn der Staat dafür in die Kasse greift, macht er das an der falschen Stelle. Der Bonus für wenige wird nur zur Milliardenbelastung für viele. Kein Wunder, dass angesichts immer neuer skurriler Förderideen eine völlige Abschaffung des Soli mit dieser Koalition auf Bundesebene nicht möglich ist.
Die Abwrackprämie ist der Politik gewordene Mitnahmeeffekt. Der Bonus für wenige wird nur zur Milliardenbelastung für viele.
Bei der Auto-Umweltprämie ging es einst um die Rettung der Autoindustrie, jetzt geht es um die Rettung der Umwelt. Dass Kramp-Karrenbauer dabei ausgerechnet eine einzelne Maßnahme wie die Abwrackprämie für Heizungen herausstellt, macht nur deutlich, wie blank die CDU in der Klimapolitik ist. Denn der Besserverdiener-Bonus für wohlhabende Hausbesitzer hat absolut nichts mit einer kohärenten Klimapolitik zu tun, sondern ist ein weiteres Herumdrücken um eine Antwort auf die Frage, wie CO2 künftig konkret bepreist werden soll.
Wer fossile Kraftstoffe verbrennt, wird in Zukunft mehr bezahlen müssen als heute. Ein entsprechendes Konzept kann ambitioniert sein, muss aber sozialverträglich umgesetzt werden. Allerdings braucht man dazu überhaupt erst einmal ein solches Konzept. Die Forderung nach einer einzelnen Abwrackprämie ist nur teures Stückwerk und gerade mal gut für eine kurze Schlagzeile. Ordnung in den umweltpolitischen Instrumentenkasten bringt man damit nicht, das Gegenteil ist der Fall.
Viele Fragen werden mit dieser Forderung zudem nicht beantwortet. Wieviel Innovationspotenzial steckt noch Ölheizungen, die zum Beispiel mit Photovoltaiksystemen aufgerüstet werden können? Was machen Hausbesitzer auf dem Land, die sich mit Alternativen schwertun? All das müsste bei der Milliardenförderung berücksichtigt werden und würde die Planung äußerst kompliziert gestalten.
Dabei gibt es schon heute Fördermöglichkeiten für Hausbesitzer, die sich eine effizientere, umweltfreundlichere Heizung zulegen wollen. Sie können sich die Sanierung unter bestimmten Bedingungen von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) bezuschussen lassen – eine umweltfreundliche Förderung ganz ohne Abwrackprämie.
Mit steigenden Kosten fossiler Energien wird ein Umstieg auf umweltfreundliche Heizungen ohnehin geschehen, eine ausgewogene CO2-Steuer könnte diese Lenkungswirkungen politisch noch sanft verstärken. Eine Abwrackprämie ist dagegen nur ein wildes Herumhantieren mit dem Förderbaukasten des Staates. Eine teure Prämie macht noch keine sinnvolle und zukunftsgerichtete Klimapolitik.
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CONTRA: Aus rein wirtschaftspolitischer Sicht sind staatliche Prämien, die bestimmte Investitionen belohnen sollen, sicher umstritten. Aber in diesem Fall geht es darum, einen notwendigen Wandel in einem Detail der Energiepolitik zu beschleunigen. Dafür sind derartige Schritte richtig und sinnvoll, meint Klaus Wallbaum.
Alle zehn Jahre eine neue Abwrackprämie? Man könnte versucht sein, den Politikern das zu unterstellen, denn im Jahr 2009 hatte die Politik bis zu 2500 Euro für all jene versprochen, die ihr altes Auto verschrotten lassen und sich dafür ein neues kaufen. Das Angebot löste tatsächlich eine Bewegung aus – viele Leute überlegten, ob sie die Gelegenheit zum Wagentausch nutzen sollten. Die Motivation war damals, der notleidenden Autoindustrie eine Hilfestellung zu geben. Und die Unternehmen haben es genutzt, sie schlitterten vielleicht besser durch die damalige Krise, als wenn es die Abwrackprämie nicht gegeben hätte.
Zur Ehrlichkeit der Betrachtung gehören allerdings ein paar einschränkende Aspekte dazu: Eine staatliche Prämie erhöht die Nachfrage und damit die Preise. So muss der damalige 2500-Euro-Zuschuss in Relation zu den gestiegenen Preisen gesehen werden – und fällt entsprechend geringer aus. Tatsache bleibt aber gleichzeitig, dass der Steuerzahler diesen Zuschuss spendiert hatte. 30 Millionen Steuerzahler gaben also fünf Milliarden Euro für zwei Millionen Nutzer der Abwrackprämie. Die konjunkturelle Wirkung war auch umstritten, denn nach Ablauf der Prämie fiel die Autoindustrie in einen Krisenmodus, da viele Kunden ihren Autokauf nur vorgezogen hatten. Außerdem brach der Gebrauchtwagenmarkt für noble deutsche Automobile ein.
Droht sich das nun alles zu wiederholen? Nein, es gibt mehrere deutliche Unterschiede. Erstens ist eine neue Heizung nicht mit einem Automobil zu vergleichen. Wer seine Heizung umstellt und erneuert, möchte möglichst in den kommenden 20 Jahren nichts mehr damit zu tun haben, am besten sogar lebenslänglich. Außerdem dürfte es so sein, dass sich viele alte, emissionsstarke Ölheizungen in Gebäuden befinden, deren Eigentümer schon betagt sind und eigentlich gar nicht mehr vorhatten, in eine neue Wärmeversorgung zu investieren.
Das heißt: Die Prämie muss, wenn sie wirken soll, so lukrativ sein, dass auch diese Leute sich dazu entschließen – möglicherweise auch deshalb, weil sie bangen müssen, bei Verzicht auf die Neuanschaffung auf Dauer höhere Abgaben für stärkere Kohlendioxidemissionen ihrer alten Heizung leisten zu müssen. Ein Zuschuss von zehn Prozent der Investitionskosten dürfte vermutlich nicht ausreichen – also ist eine staatliche Prämie allein noch nicht der Stein der Weisen, es müsste noch ein kluges und überzeugendes Angebot für eine moderne Wärmeversorgung in den Häusern hinzukommen. Phantasie ist gefragt, und das gute ist, dass die Prämie die Kreativität der Anbieter im günstigen Fall beflügeln wird.
Wer es wirklich ernst meint mit diesem Thema, muss auf viele kleinen Schritte gleichzeitig setzen.
Im Übrigen dürfte die neue Abwrackprämie, von der Kramp-Karrenbauer spricht, auch weniger konjunkturbedingt begründet sein. Sicher, auch in Deutschland verdüstern sich die Aussichten für die Industrie, es drohen Einbrüche – vor allem wegen der weltwirtschaftlichen Bedingungen. Aber ausschlaggebend für den Wunsch, möglichst die alten Ölheizungen aus den Wohnhäusern zu verbannen, ist etwas anderes. Es ist der Druck, wegen der ungünstigen Entwicklung des Klimas die Kohlendioxidemissionen drastisch zu senken, und das möglichst weltweit, schnell und effektiv.
Die Anzeichen des Klimawandels sind auch in diesem Sommer unübersehbar gewesen, und neben dem Straßenverkehr ist vor allem das Heizen mit fossilen Energieträgern eine der Hauptursachen für die hohen CO2-Ausstöße in Deutschland. Deshalb ist die Überlegung, die Heizungen in den Wohnhäusern zu erneuern und damit die Kohlendioxidemissionen drastisch zu senken, völlig richtig und angebracht.
Der Vorschlag von Kramp-Karrenbauer kann am Ende jedoch nur einer von vielen sein. Man könnte den Ausstieg aus der Kohle noch beschleunigen – allen zwangsläufigen Nachteilen in jenen Regionen, in denen dieser Industriezweig eine große Rolle spielt, zum Trotz. Man könnte mit erheblichen staatlichen Investitionen das Verkehrssystem verändern, vor allem in den Ballungsräumen. Und man könnte ein „klimafreundliches Verhalten“ zum wichtigen Bestandteil der Bildungspolitik erklären – das geht dann von der Mobilität über den Konsum bis zur Ernährung.
Wenn die Herstellung von Fleisch so unglaublich viel Kohlendioxid kostet, könnte man das ja auf den Preis zuschlagen. Fleisch würde erheblich teurer, die Menschen würden ihre Essgewohnheiten vermutlich umstellen. Wer es wirklich ernst meint mit diesem Thema, muss auf viele kleinen Schritte gleichzeitig setzen.