Innenminister zufrieden: Das Land ist so sicher wie seit zehn Jahren nicht
Zum ersten Mal hat das Innenministerium eine Halbjahresbilanz der Polizeilichen Kriminalstatistik veröffentlicht. Daraus geht hervor, dass die Zahl der in Niedersachsen verübten Straftaten im Vergleich zum Vorjahreszeitraum deutlich gesunken sei. Insgesamt 268.080 Straftaten hat die Polizei in den Monaten Januar bis Juni dieses Jahres registriert, im vergangenen Jahr waren in den gleichen Monaten noch 291.673 Straftaten festgestellt worden – ein Rückgang von 8 Prozent. „Verglichen mit den gleichen Zeiträumen der Vorjahre war Niedersachsen seit zehn Jahren nicht mehr so sicher“, sagt Innenminister Boris Pistorius. Der Innenminister rechtfertigt die Entscheidung zur Veröffentlichung mit dem gestiegenen Informationsbedürfnis der Bürger und des Parlaments. „Wir wollen die Debatte um die Sicherheit in unserem Land wieder auf eine sachliche Ebene heben und Fake News entgegentreten.“ Dafür brauche es konkrete Zahlen. Der CDU-Kandidat für das Innenministerium, Günter Heiß, nannte die Halbjahresstatistik „windig“ – erst mit gewissem Abstand seien solche Zahlen belastbar, deshalb sei Pistorius‘ Verhalten voreilig und dem Wahlkampf geschuldet.
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Die Zahlen könnten sich tatsächlich relativieren, wenn Anfang des kommenden Jahres die Statistik für das gesamte Jahr 2017 vollständig ist. Auch Pistorius gibt zu, dass die Daten der Polizeilichen Kriminalstatistik bis zum Jahresende noch Schwankungen unterliegen. Wie stark diese jedoch ausfallen können, zeige ein Vergleich der hochgerechneten Daten mit den Zahlen des Vorjahrs. Hochgerechnet ergibt sich für die Gesamtzahl der Straftaten für 2017 ein Wert von 536.160. Im Vorjahr sind insgesamt noch 561.963 Straftaten festgestellt worden. Bei gleichbleibender Kriminalitätsentwicklung gibt es damit nur noch einen Rückgang von 4,5 Prozent. Alexander Zimbehl, Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) Niedersachsen, kritisiert deshalb gegenüber dem Rundblick die Verbreitung solcher Halbjahresdaten. „Diese Zahlen sind bisher nie veröffentlicht worden, weil man damit nur intern arbeiten kann. Sie taugen aber nicht für einen objektiven Blick auf die Entwicklung der Kriminalität.“ Zimbehl wirft Pistorius deshalb vor, die Zahlen als Wahlkampfmanöver zu missbrauchen. Die Polizei dürfe aber nicht zum Spielball im Wahlkampf werden.
Wie groß die Schwankungen der Zahlen innerhalb eines Jahres sein können, zeigt ein Blick auf die Wohnungseinbruchsdelikte. 10.159 Mal wurde im Januar bis Juni 2016 in Niedersachsen eingebrochen, in diesem Jahr nur 8374 Mal. „Das ist ein Rückgang von 18 Prozent“, betont Pistorius. Geht man aber davon aus, dass die Frequenz der Einbrüche bis Jahresende konstant bleibt, so wird es in 2017 rund 16.700 Einbrüche gegeben haben – ein Zuwachs zum Vorjahr um zwei Prozent. So muss es aber nicht kommen, wie die Erfahrung aus 2016 zeigt. Denn obwohl die Einbrecher im ersten Halbjahr sehr aktiv waren, wurden im zweiten Halbjahr nur noch 6246 Einbrüche gemeldet – und ein Rückgang im Vergleich zu 2015 von einem Prozent notiert. Die starken Schwankungen entstehen unter anderem dadurch, dass Delikte nicht immer sofort angezeigt werden. Das schlägt sich vor allem bei Straftaten nieder, die lieber verdeckt als gemeldet oder sichtbar gemacht werden, wie etwa Vergewaltigung. Bei Wohnungseinbrüchen ist die Bereitschaft zur Anzeige sehr hoch, doch zwischen dem Einbruch und dem Bemerken können auch Wochen oder Monate vergehen, wenn die Bewohner etwa verreist sind. Dann zählen die Einbrüche nicht für den Zeitraum, in dem sie verübt wurden, sondern für den Zeitraum der Anzeige.
Pistorius lobte den Fortschritt, den die Polizei im Bereich der Einbruchsprävention gemacht habe. Die Intensivierung der Aufklärungsarbeit mache sich bezahlt. Doch er forderte auch das Handwerk und Sicherheitsgewerbe auf, der Sicherheit ein größeres Gewicht in ihren Geschäften zu geben. „Es kann doch nicht sein, dass ein Hausbesitzer nach einbruchssicheren Schlössern oder Fenstern explizit fragen muss“, sagte der Innenminister. „Die müssten ihm ohne Aufforderung gezeigt werden.“ Zugleich forderte er vom Bund, den finanziellen Zuschuss zur Aufrüstung von bestehenden Gebäuden auch auf Neubauten auszudehnen. „Das leuchtet doch ein, dass es billiger ist, gleich einbruchssichere Fenster und Türen einzubauen als hinterher.“
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #172.