16. Juli 2020 · 
Inneres

Informationsfreiheitsgesetz: Landesregierung befürchtet hohe Folgekosten

Die Grünen fordern es seit langem, und in dieser Wahlperiode hat auch die AfD einen solchen Vorstoß unternommen. In der FDP begleitet man das Vorhaben ebenfalls mit Sympathie: Soll es in Niedersachsen ein sogenanntes „Informationsfreiheitsgesetz“ geben, also eigenes Landesgesetz, das die Auskunftserteilung an jedermann vorschreibt? Ein Vertreter des Justizministeriums, Abteilungsleiter Frank-Thomas Hett, hat sich kürzlich überaus kritisch zu dem Ansinnen geäußert. Der Nutzen sei nicht unbedingt nachgewiesen, die Folgekosten könnten immens sein. Daher rate das Justizministerium von diesem Weg ab und befürworte vielmehr eine „Open-Data-Strategie“, also die gezielte Veröffentlichung vieler Verwaltungsdaten im Netz. Der Bund und elf Bundesländer haben sich hierzu bereits in dem Modell „GovData“ zusammengeschlossen. Mitte Februar hatte Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) angekündigt, Niedersachsen wolle sich an diesem Verbund ebenfalls beteiligen. „Open Data“ besagt, dass grundsätzlich alle Behördendaten, auch statistische Unterlagen, offen zugänglich sein sollen. Die Ausnahme ist, dass es um sicherheitsrelevante oder personenbezogene Daten geht, auch Geschäftsgeheimnisse sollen gewahrt bleiben. Unterdessen melden sich kritische Stimmen aus der Wissenschaft, und der Deutsche Journalisten-Verband erwägt auch, sich auf die Seite der Rufer nach einem solchen Gesetz zu begeben.
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Vor wenigen Jahren hätte ein „Informationsfreiheitsgesetz“ fast auch in Niedersachsen Erfolg gehabt, nachdem mehrere Bundesländer hier schon entsprechende Gesetze beschlossen hatten. Die rot-grüne Koalition verständigte sich 2013 auf dieses Ziel, kurz vor dem vorzeitigen Ende der Regierung 2017 hatte es auch bereits einen Kabinettsbeschluss dazu gegeben. Das Gesetz sollte es Bürgern erlauben, mit einem formlosen Antrag beim Land Einblick in bislang interne Verwaltungsvorgänge zu erhalten – und zwar auch dann, wenn sie nicht wie bisher ein „berechtigtes Interesse“ an der Auskunft darlegen (etwa ihre persönliche Betroffenheit als Anlieger, Nachbar oder Begünstigter einer Entscheidung). Damit Missbrauch vermieden wird, sollte die Nutzung nicht kostenlos sein, sondern bei einem höheren Aufwand auch eine entsprechende Gebühr zur Folge haben. Die Kommunen sollten einbezogen werden, äußerten seinerzeit aber sehr früh Bedenken und erinnerten an den Grundsatz der Konnexität – wenn Bund oder Land den Kommunen neue Aufgaben vorgeben, können diese dafür eine Kostenerstattung geltend machen. Kurz vor der Landtagswahl hatte die damalige Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz (Grüne) sich noch optimistisch gezeigt, doch die Diskontinuität brachte das Vorhaben dann im Herbst 2017 zu Fall. Seither dümpelt die Debatte so dahin.

Sechs Städte in Niedersachsen haben Open-Data-Regeln

Hett erklärte jetzt, ein solches Gesetz könne „einen erheblichen Verwaltungsaufwand verursachen“. Der Abteilungsleiter verwies auf die Chance der Kommunen, derartige Regeln für ihren eigenen Bereich zu verfügen. In Niedersachsen betreffe das sechs Städte, unter anderem Braunschweig, Cuxhaven und Göttingen, nicht aber die Landeshauptstadt Hannover. Viele Kommunen sähen „gar keinen Bedarf“, meinte Hett. In Bayern hingegen gebe es die stattliche Zahl von 90 Kommunen, die solche Regeln hätten. Thiemo Röhler (CDU) meinte, in Cuxhaven habe es seit dem Beschluss über eine entsprechende Satzung „nicht eine einzige Anfrage“ gegeben. Ulf Prange (SPD) aus Oldenburg entgegnete, viele Kommunen hätten auch deshalb solche Regeln bisher nicht, da sie auf eine landesweite Vorgabe des Landes warteten. Das sieht auch Helge Limburg (Grüne) mit Blick auf die Landeshauptstadt Hannover so. Wie Abteilungsleiter Hett aus dem Justizministerium berichtete, arbeitet derzeit ein „interministerieller Arbeitskreis“ mit mehreren Ressorts der Landesregierung daran, eine „Open-Data-Strategie“ zu entwerfen und den Beitritt zum Portal von Bund und elf Bundesländern vorzubereiten. Bis Mitte des Jahres könne dieser Schritt vollzogen werden, erklärte Hett vor wenigen Wochen. Inzwischen ist die Jahresmitte erreicht.

Niedersachsen zähle zum "Trio der Amtsverschwiegenheit"

Unterdessen hat Prof. Hermann Butzer, Staats- und Verwaltungsrechtler an der Uni Hannover, in einem jüngst erschienenen Beitrag für die „Niedersächsischen Verwaltungsblätter“ scharfe Kritik am Verhalten der Landesregierung geübt. Eine Open-Data-Regel sei eben etwas ganz anderes als ein Informationsfreiheitsgesetz, das den Anspruch jedes Bürgers auf Herausgabe bestimmter, von ihm gewünschter Behördenunterlagen festschreibe. Butzer geht so weit, der SPD/CDU-Koalition eine „Verzögerungsabsicht“ bei diesem Vorhaben zu unterstellen. Neben Bayern und Sachsen, die solche Gesetze auch nicht hätten, zähle Niedersachsen damit „zum Trio der Amtsverschwiegenheit“ und könne für die Auszeichnung „verschlossene Auster“ nominiert werden. Bayern habe diesen Negativ-Preis 2019 erhalten – eben dafür, auch kein Informationsfreiheitsgesetz geschaffen zu haben. Ende September berät der Verbandstag des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV) in Niedersachsen über die Forderung nach einem solchen Gesetz.
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #135.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

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