Im Streit um FFH-Gebiete verstärkt die EU den Druck
Die EU-Kommission hat am Mittwoch ein bereits laufendes Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland verschärft. Die EU fordert die Bundesrepublik nun letztmalig auf, die sogenannte Habitat-Richtlinie ordnungsgemäß umzusetzen. Die Bundesregierung habe nun zwei Monate Zeit, um zu reagieren, heißt es in einer Stellungnahme der EU-Kommission. Andernfalls werde diese den Fall an den Europäischen Gerichtshof verweisen. Darüber berichtete zuerst die Deutsche Presse-Agentur.
Auch Niedersachsen hinkt bei der Umsetzung der Richtlinie hinterher. Im niedersächsischen Umweltministerium geht man aber nicht davon aus, dass bereits mit der Feststellung der Vertragsverletzung durch das EuGH eine Geldstrafe droht. Dies sei erst durch ein nachfolgendes Sanktionsurteil möglich. Am Ende des Verfahrens könnte aber eine Strafzahlung von mehr als elf Millionen Euro und ein tägliches Zwangsgeld von über 860.000 Euro bis zur Beendigung des Verstoßes drohen, wie die Grünen-Landtagsfraktion vermutet.
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Bei der Habitat-Richtlinie geht darum, dass spezielle Schutzgebiete für wildlebende Tiere und Pflanzen ausgewiesen und entsprechende Maßnahmenpläne festgeschrieben werden müssen. Die EU-Richtlinie datiert bereits aus dem Jahr 1992, doch in Deutschland hat man die Fristen zur Sicherung dieser Natura-2000-Gebiete teilweise seit zehn Jahren verstreichen lassen. 2015 hatte die EU deshalb Deutschland zur Umsetzung der Richtlinie aufgefordert und diese Aufforderung im Januar 2019 noch einmal „nach langwierigen Gesprächen“ erneuert, wie die Kommission am Mittwoch in ihrer Stellungnahme schrieb.
Ferner heißt es dort: „Die Kommission ist der Auffassung, dass bei allen 4606 Natura-2000-Gebieten, in allen Bundesländern und auf Bundesebene, eine generelle und fortbestehende Praxis zu beobachten ist, keine ausreichend detaillierten und quantifizierten Erhaltungsziele festzulegen.“ Außerdem wirft die EU-Kommission sechs Bundesländern vor, keine Managementpläne an die Öffentlichkeit weiterzuleiten – also festzulegen, wie die gefährdeten Tiere und Pflanzen aktiv geschützt werden sollen.
Ministerium bestätigt: Nur 83 Prozent der FFH-Gebiete entsprechen den Anforderungen
Niedersachsen ist offenbar das einzige Bundesland, in dem noch nicht alle Natura-2000-Gebiete hoheitlich gesichert sind. Das bedeutet, es wurden zwar schon ordnungsgemäß 71 EU-Vogelschutzgebiete und 385 Flora-Fauna-Habitat-(FFH-)Gebiete ausgewiesen. Derzeit fehlen aber noch Auskunft des Umweltministeriums bei 79 FFH-Gebieten noch die entsprechenden Verordnungen, in denen die Regeln zur Nutzung der Schutzgebiete festgeschrieben werden. Im Umweltministerium schätzt man, dass insgesamt mehr als 83 Prozent der FFH-Gebiete entsprechend den formalen Anforderungen der EU unter Schutz gestellt worden sind.
Ein Hemmnis beim Erstellen der Schutz-Verordnungen ergibt sich hierzulande daraus, dass seit 2004 die unteren Naturschutzbehörden auf Landkreis- beziehungsweise Stadtebene für die Sicherung zuständig sind und nicht mehr die zuvor noch bestehenden Bezirksregierungen. Die unteren Naturschutzbehörden erarbeiten also Verordnungsentwürfe, die nach einem Beteiligungsverfahren schließlich von den Landkreisen und Städten beschlossen werden müssen. Nach Informationen des Umweltministeriums sind noch bei 21 Kreisen und Städten insgesamt um die 120 Sicherungsverfahren für Naturschutz- oder Landschaftsschutzgebiete anhängig.
Der Landkreistag fordert eine Task Force, das Umweltministerium lehnt das aber ab
Prof. Hubert Meyer, Geschäftsführer des Niedersächsischen Landkreistages (NLT), appelliert im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick an die Mitglieder des NLT, so viele Schutzgebiete wie möglich zu sichern. Er sagte aber auch, dass es nicht gelingen werde, alle laufenden Verfahren rechtzeitig abzuschließen. Sein Vorschlag, auf Landesebene nun eine Task Force einzurichten, die in Landkreisen mit Personalknappheit aushelfen soll, wurde vom Umweltministerium aber abgewiesen. Prof. Meyer hofft nun zumindest auf verstärkte Unterstützung von den Fachleuten des NLWKN.
Es ist absolut unzulänglich, dass das Land in der mittelfristigen Finanzplanung nur neun Millionen Euro für die Managementplanung zur Verfügung stellt.
Doch selbst wenn die Landkreise mit der Sicherung der FFH-Gebiete vorankämen, fehlten immer noch die von der EU ebenfalls angemahnten Managementpläne. „Es ist absolut unzulänglich, dass das Land in der mittelfristigen Finanzplanung nur neun Millionen Euro dafür zur Verfügung stellt“, klagt der NLT-Geschäftsführer. Seiner Ansicht nach sei vielmehr ein dreistelliger Millionenbetrag notwendig. Christian Meyer, Umweltpolitiker der Grünen-Landtagsfraktion, fordert schon seit längerem, den Kommunen für diese Maßnahmen mehr Geld bereitzustellen. Außerdem schlug er vor, das Land müsse die Sicherung der Naturschutzgebiete an sich ziehen, um den Prozess deutlich zu beschleunigen.