21. Okt. 2020 · 
Soziales

Im Streit um die Krankenkassen-Rücklagen droht das Land mit Vermittlungsausschuss

Die Pläne des Bundes, für die steigenden Corona-Kosten die Finanzreserven der Krankenkassen zu nutzen, stößt in Niedersachsen und anderen Bundesländern auf Widerstand. Durch die Pandemie laufen die Kassen Schätzungen zufolge auf ein Defizit von mehr als 16 Milliarden Euro zu. Fünf Milliarden Euro sollen vom Bund kommen, drei Milliarden durch höhere Zusatzbeiträge eingenommen werden. Die restliche Summe von gut acht Milliarden Euro soll den Rücklagen der Kassen entnommen werden, was mehrere Allgemeine Ortskrankenkassen besonders betrifft, denn allein die Hälfte der acht Milliarden käme voraussichtlich von den AOKs in Niedersachsen, Hessen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen, die besonders hohe Rücklagen haben. Weitere zwei Milliarden würden die Ersatzkassen zusteuern, bei denen die Techniker Krankenkasse  vermutlich den größten Teil übernehmen müsste.
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Das werde die AOK, die sich in der Krise als verlässlicher Partner erwiesen habe, vor massive Probleme stellen, hieß es am Mittwoch aus dem Sozialministerium. Alleine die AOK in Niedersachsen würde das Vorhaben der Bundesregierung 600 Millionen Euro kosten. Im Bundesrat versuchen Länder, darunter auch Niedersachsen, nun gegen die Pläne von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn vorzugehen. Am Mittwoch beriet der Gesundheitsausschuss des Gremiums über das Thema. Regierungssprecherin Anke Pörksen drohte bereits mit dem Vermittlungsausschuss, falls es in der Länderkammer nicht gelingen sollte, Spahn von seinem Plan abzubringen. Ministerpräsident Stephan Weil halte die Pläne für ein „Unding“, sie seien „in jeder Hinsicht nicht akzeptabel“. In der Landesregierung befürchtet man, dass aufgebrauchte Rücklagen später zu deutlich höheren Beiträgen für die Versicherten führen werden. Man wehre sich nicht generell dagegen, an die Rücklagen zu gehen, man dürfe sie aber nicht auf null abschmelzen, sagte ein Sprecher der Sozialministeriums. Kritisch sieht man in der Landesregierung auch, dass die gesetzlichen Kassen, die ohnehin das Gros der Kosten trügen, nun auch noch weiter geschröpft werden sollen. Es sei nicht einzusehen, warum eigentlich nur die Mitglieder der gesetzlichen Kassen von den Kostensteigerungen betroffen sein sollten, sagte Pörksen mit Blick auf die privaten Kassen. Die Kosten seien schließlich pandemiebedingt, ergänzte der Sprecher des Sozialministeriums. Das Virus mache keinen Unterschied zwischen einem gesetzlich und einem privat Versicherten. In Niedersachsen plädiert man deshalb dafür, die steigenden Kosten über einen größeren Steuerzuschuss und eine stärkere Beteiligung der privaten Kassen zu finanzieren. Die nächsten Probleme stehen für die Kassen derweil schon vor der Tür. Sobald es einen Impfstoff gegen das Corona-Virus gibt, kommen neuen Milliardenkosten auf die Krankenkassen zu. Hier dürften dann aber auch die privaten Kassen generell mit im Boot sein. Man gehe davon aus, dass sich die privaten Krankenkassen an den Empfehlungen der ständigen Impfkommission orientieren werden, so wie es bereits heute bei Schutzimpfungen in vielen Tarifen der Fall sei, hieß es kürzlich beim Verband der Privaten Krankenversicherung. Das bedeutet: Sobald es einen anerkannten Impfstoffs gibt, bekommen auch Privatpatienten diesen von ihren Kassen erstattet.
Unterstützung für die Gesundheitsämter: Man wolle möglichst weiter alle Infektionsketten in Niedersachsen nachverfolgen, so lautet das Ziel der Landesregierung. Dort ist aber auch klar, dass die Gesundheitsämter dafür zumindest vorübergehend mehr Personal brauchen. Das Deutsche Rote Kreuz in Niedersachsen teilte am Mittwoch bereits mit, dass man die Kontaktverfolgung in den Kommunen in nächster Zeit mit 600 DRK-Helfern verstärken wolle. „Wir wollen unseren Beitrag dazu leisten, dass bei der stetig steigenden Zahl an Corona-Infizierten die Nachverfolgung der Kontakte weiterhin leistbar ist“, sagte der DRK-Vorstandsvorsitzende Ralf Selbach. Neben den Hilfswerken sucht man laut Landesregierung auch bei der Bundeswehr, in der Landesverwaltung und unter Studierenden noch helfen Hände für die Gesundheitsämter. Auch Behördenmitarbeiter im Ruhestand sollen angesprochen werden.
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #188.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

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