IHK-Chefin: „Wir müssen die Städte umbauen“
Die neue Hauptgeschäftsführerin der IHK Hannover, Maike Bielfeldt, sieht im Wandel der Innenstädte eine große Herausforderung. Es müsse gelingen, ganz neue Formen zu finden und Wege anzubieten. Zu lange schon brauche die Politik, dafür den nötigen Rahmen zu setzen. Bielfeldt sieht aktuell die Lage der Wirtschaft in Niedersachsen geteilt. Wenn die Corona-Krise nicht zu einem neuen Lockdown zwinge, zu einem Herunterfahren des öffentlichen Lebens, dann könne man vorsichtig optimistisch in die Zukunft blicken. Die IHK-Hauptgeschäftsführerin äußerte sich beim Besuch der Redaktion des Politikjournals Rundblick.
Rundblick: Sie sind in Hamburg geboren und haben lange in Stade, also vor den Toren der Hansestadt, gearbeitet. Was hat Sie nun ausgerechnet nach Hannover verschlagen?
Bielfeldt: Tatsächlich bin ich das schon öfter gefragt worden. Aber wer Hannover etwas näher kennt, sieht die Liebenswürdigkeit dieser Stadt. Hier kann man gut einkaufen, essen gehen, sich in der Natur erholen oder Kulturangebote erleben. Viele wissen das gar nicht. Ein Geheimtipp also.
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Rundblick: Nun hat die Corona-Krise vieles von diesen gewohnten Verhaltensweisen vieler Menschen zunichte gemacht, zumindest vorübergehend…
Bielfeldt: Ja, aber es hat sich auch etwas bewegt. Vieles ist in enormer Geschwindigkeit möglich geworden, wofür wir über Jahre ergebnislos gestritten hatten. So hat etwa der Bundestag die gesetzlichen Regeln so verändert, dass wir innerhalb der IHK viele Entscheidungen virtuell im Netz erledigen konnten – ohne eine umständliche und in den Anfangstagen der Pandemie unmögliche Präsenz-Sitzung anberaumen zu müssen. Wir haben in der Corona-Krise umgestellt und Beratungsteams gebildet, die den Firmen digital etwa durch den teilweise schwierigen Antragsdschungel der Corona-Hilfen einen Weg geebnet haben. Und wir haben natürlich Weiterbildung verstärkt angeboten.
Für den Tourismus und das Beherbergungsgewerbe sehe ich große Schwierigkeiten, die Messe leidet auch enorm.
Rundblick: Gab es einen Run auf die Weiterbildungsangebote?
Bielfeldt: Ja, das kann man sagen. Viel musste, wie gesagt, über Video-Konferenzen und Webinare absolviert werden. Aber die Sorge, dass Unternehmen diesen Weg nicht würden gehen wollen, war unberechtigt. Die Nachfrage war enorm.
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Rundblick: Wie ist die Stimmung der Firmen: Kommen wir gut durch die Krise?
Bielfeldt: Im Sommer erlebten wir nach den ersten Beschränkungen erstmals eine Trendumkehr, die Zuversicht nahm zu. Was die aktuelle Lage angeht: Wir wissen alle nicht, wie es weitergeht. Wenn die Politik ihre erklärte Absicht verwirklichen und ein landesweites Herunterfahren des gesellschaftlichen Lebens verhindern kann, dann können wir verhalten optimistisch sein. Man kann derzeit gar nicht genau beschreiben, wer gut und wer weniger gut durch diese Zeit kommt. Für den Tourismus und das Beherbergungsgewerbe sehe ich große Schwierigkeiten, die Messe leidet auch enorm. Aber wir können auch Potenziale erkennen: Wenn die Menschen für ihren Urlaub in Zukunft nicht mehr ins ferne Ausland fahren, dann sollte es doch auch Möglichkeiten geben, das schöne Niedersachsen stärker als bisher zu einem Urlaubsgebiet auszuformen. Nehmen Sie Hannover: Dort gibt es den Maschsee, die Eilenriede, viele attraktive Ausflugsziele – und alles liegt direkt vor der Haustür.
Die Menschen müssen gern in die Innenstädte kommen. Es muss Mitnahmeeffekte geben wie ein nettes Café oder eine reizvolle Ausstellung in der Nähe der Einkaufszone.
Rundblick: Zu der Beratung der Firmen: Die Digitalisierung kommt nicht so rasch an wie erhofft, oder?
Bielfeldt: Natürlich liegt es auch an der Netzqualität. Mit großen Anstrengungen kommt man hier gerade in Niedersachsen voran, aber natürlich sind da noch viele Defizite. Der nächste Schritt ist, dass auch kleinere und mittlere Unternehmen erkennen, wo ihre Möglichkeiten sind. Dass die Politik hier Impulse über Digitallotsen geben will, halte ich für einen guten Ansatz. Eine kleine Firma kann für diesen Bereich nicht mal eben jemand abstellen. Wenn ein Berater von außen kommt, der wichtige Tipps für den Anfang gibt, ist vielen schon sehr geholfen.
Rundblick: Corona verändert auch unsere Innenstädte. Da müssen plötzlich Kaufhäuser, die schon seit Generationen ansässig sind, schließen. Es gibt Leerstände in den Mittelstädten. Was soll nun dort geschehen?
Bielfeldt: Wichtig ist: Die Menschen müssen gern in die Innenstädte kommen, sie müssen sich dort wohl fühlen. Es muss Mitnahmeeffekte geben wie ein nettes Café oder eine reizvolle Ausstellung in der Nähe der Einkaufszone. In einigen Städten verschärft sich das Problem, weil die inhabergeführten Läden schließen – und für ein neues Geschäft, das sich dort einmietet, die Renditeerwartungen einfach viel zu niedrig sind. Jede Kommune muss deshalb definieren, ob das Sortiment an Warenangeboten stimmt, ob nachgebessert werden muss und wie man das am besten anstellt. Freie Läden könnte man kurzfristig mit Pop-Up-Stores belegen, das ist dann für junge Leute cool. Den Gewerbetreibenden vor Ort soll es möglich werden, ihre Quartiere als Business-Improvement-District aufzuwerten und mit Bäumen, Bänken oder auch kulturell attraktiver zu gestalten. Entsprechende Pläne des Landes, so etwas zu unterstützen, liegen schon lange in den Schubladen. Es geht leider zu langsam voran damit. Ob die Städte vom Autoverkehr befreit werden sollten? Ich glaube, so radikal darf das nicht geschehen. Die Menschen müssen immer noch bequem dort hinkommen können – und dazu bedarf es vielfältiger Möglichkeiten der Mobilität. Wenn es um die Verkehrsplanung geht, sollten Maß und Mitte die Leitgedanken der Stadtplaner sein.
Rundblick: Noch ein Wort zur Ausbildung: Schwächt die Corona-Krise nicht das Problem vieler Betriebe, überhaupt noch genügend Lehrlinge zu finden, zusätzlich?
Bielfeldt: Grundsätzlich macht sich in diesem Jahr erst einmal deutlich der fehlenden Abi-Jahrgang bemerkbar. Corona hat uns dann zusätzlich getroffen. Der Lockdown hat im Frühjahr über mehrere Monate die Besetzung von Ausbildungsplätzen stark ausgebremst. Aber jedem jungen Menschen, der noch keinen Ausbildungsplatz hat, ist zu sagen: Bis Ende dieses Jahres sind die Chancen auf eine solide duale Ausbildung noch sehr groß. Also bitte: Zugreifen!