15. Juli 2021 · 
Inneres

Hochwasserkatastrophe in NRW schreckt auch Katastrophenschutz-Planer in Hannover auf

Mehrere Menschen, darunter zwei Feuerwehrleute, sind im Hochwasser gestorben, etliche Hausbewohner warteten gestern auf ihren Dächern noch auf eine Evakuierung – und in 50.000 Haushalten war der Strom ausgefallen. Die Staumauer einer Talsperre drohte zu brechen. Die dramatischen Meldungen, die seit Dienstag aus Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz verlauteten, haben auch die Katastrophenschützer in Niedersachsen nachdenklich gestimmt. Jörg Schallhorn, Landesbranddirektor im Innenministerium, bekam nachts einen Hilferuf – in Rheinland-Pfalz wurden Hubschrauber benötigt, die auch nachts fliegen und Menschen retten können. Schallhorn musste ablehnen, da die Feuerwehr in Niedersachsen über solche Geräte nicht verfügt. Das ist an sich kein Drama, denn die beiden neuen Hubschrauber, die die Landespolizei jetzt anschafft, sind entsprechend gerüstet – und zur Not hat die Bundeswehr auch passendes Gerät.

Aber mahnende Worte sprachen Schallhorn, der neue Landesfeuerwehrpräsident Olaf Kapke und sein Vorgänger Karl-Heinz Banse, Präsident des Deutschen Feuerwehrverbandes, gestern trotzdem im Landtags-Innenausschuss. Banse sagte, an manchen Orten in Niedersachsen sei man gut auf solche Ereignisse vorbereitet, etwa in Hannoversch Münden. Das, was jetzt in NRW und in der Pfalz geschehen sei, sprenge aber noch die Verhältnisse beim Elbe-Hochwasser vor Jahren oder bei der Hochwassersituation im Kreis Hildesheim vor vier Jahren. Viele kleine Orte seien mit solchen Lagen „schlicht überfordert“ und es zeige sich einmal mehr die Notwendigkeit eines verbesserten Katastrophenschutzes. „Das sollten alle Landespolitiker wissen: Einsparungen beim Brand- und Katastrophenschutz wären fatal. Man muss immer auf außergewöhnliche Ereignisse vorbereitet sein“, betonte Kapke. „Gute Ausrüstung, gute Liegenschaften und gute Ausbildung sind das A und O“, ergänzte Schallhorn. In Niedersachsen werde derzeit daran gearbeitet, das System der Kreisfeuerwehrbereitschaften neu aufzustellen – mit dem Ziel, die Vernetzung der Kreis- und Ortswehren untereinander noch effektiver zu gestalten und kurzfristige gegenseitige Hilfen noch zu erleichtern. Kapke und Banse fügten noch einige Wünsche an das Land hinzu:

Waldbrandüberwachung: Kapke sagte, die Feuerwehr wünsche sich eine noch effektivere technische Kontrolle der Wälder im Sommer, damit Feuerstellen frühzeitig aufgespürt und Waldbrände verhindert werden können. „Die Feuerwehr darf sich nicht wie ein Bittsteller fühlen, damit das Flugzeug wieder in den Einsatz geht.“

Ausbildung verbessern: Die Investitionen in die Ausbildungsstandorte der Feuerwehr in Loy, Scheuen und Celle sollten immer auf der Höhe bleiben, mahnte Kapke. Wegen der Corona-Krise musste viele Lehrgänge ausgesetzt werden, daher sind viele Orts- und Gemeindebrandmeister nur kommissarisch eingesetzt worden, da sie noch nicht ausgebildet sind. „Der Rückstau ist gewaltig, im März konnten wir 7000 Kameraden nicht schulen“.

Technische Ausrüstung: Ein moderner Fahrzeugpark sei enorm wichtig, betonte Banse. „Wir können 20-jährige Einsatzführer nicht mit 35 Jahre alten Fahrzeugen losschicken.“ In Berlin bewähre sich gerade ein elektro-getriebener Löschzug, der seine Diesel-Reserve so gut wie nie brauche. In waldreichen Gegenden seien auch geländegängige Wagen, etwa Unimogs, für den Einsatz bei Waldbränden notwendig – in solchen Fällen seien die 18 Tonnen schweren Fahrzeuge aus Hannover ungeeignet, weil sie im Boden versinken können.

Europäisches Katastrophenschutzzentrum: Banse unterstützt die Bewerbung der brandenburgischen Stadt Senftenberg für den Standort eines europäischen Katastrophenschutzzentrums (auf einem früheren Flugplatz der sowjetischen Armee), das mit eigenem Krankenhaus und konzentrierten Kompetenzen im Herzen der EU entstehen soll. „Es wäre schön, wenn alle Länder das gutheißen würden – die Franzosen etwa sind sicher ziemlich schnell, wenn es um einen Standort in ihrem Land ginge.“

Rente und Unfallkasse: Der Deutsche Feuerwehrverband verhandelt laut Banse gerade mit der Deutschen Rentenversicherung Bund über ein System, das Feuerwehrleuten höhere Rentenansprüche bescheren könnte – wenn etwa die Kommune oder das Land für jeden Feuerwehrmann Sondereinzahlungen bei der Rentenversicherung leisten. „Das ist eine gangbare Lösung“, sagte Banse. Er rät im Übrigen dazu, die Niedersächsische Feuerwehr-Unfallkasse in ihrer Eigenständigkeit zu erhalten und alle Fusionswünsche anderer öffentlicher Unfallkassen (etwas aus Hannover, Braunschweig und Oldenburg) abzuwehren.

Dieser Artikel erschien in Ausgabe #134.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

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