1. Dez. 2020 · 
Inneres

Hilfskräfte können leichter mobilisiert werden

Der Aufbau von bis zu 60 Corona-Impfzentren in den Kreisen und kreisfreien Städten steht unmittelbar bevor, bis zum 15. Dezember sollen die Kommunen die nötigen Vorbereitungen getroffen haben. Zur rechtlichen Absicherung hat die Landesregierung gestern formell ein sogenanntes „außergewöhnliches Ereignis von landesweiter Tragweite“ nach dem Katastrophenschutzgesetz festgestellt. Mit anderen Worten: Jetzt ist in der Krise der Ernstfall definiert worden, die Leitung für die Arbeit der Impfzentren obliegt damit dem sogenannten „Kompetenzzentrum Großschadenslagen“ in Celle, das direkt an den Krisenstab um Sozial-Staatssekretär Heiger Scholz angegliedert ist. Im Sozialministerium, das in den vergangenen Wochen personell verstärkt wurde, ist jetzt eine Sondereinheit „Corona-Steuerung“ gebildet worden – sie steht unter Führung der Leiterin der Gesundheitsabteilung, Claudia Schröder. Die Aufgaben neben der Corona-Bekämpfung übernimmt nun auch formell vorübergehend ihr Stellvertreter, Cornelius Siewerin. Lesen Sie auch: Impfzentren sollen bis 15. Dezember einsatzbereit sein Die Erklärung des „außergewöhnlichen Ereignisses“ hat nun mehrere Folgewirkungen: Erstens wird es jetzt leichter möglich, zur Unterstützung der Arbeit der Impfzentren ehrenamtliche Kräfte heranzuziehen – und für diese dann auch Entschädigung oder Verdienstausfall zu zahlen, falls die Beanspruchung über das für Arbeitgeber zumutbare Maß hinausgeht. Mirko Temmler vom Katastrophenschutz-Stab erklärte, man stütze sich zunächst auf Feuerwehr, THW, Rettungsdienste und die Bundeswehr. Es könne aber sein, dass wegen der längeren Dauer des Betriebs der Impfzentren – sie könnten ein Jahr lang laufen – auch hauptamtliche Kräfte zur Verstärkung benötigt werden. Im Notfall wären auch Dienstverpflichtungen und Beschlagnahmen erlaubt, doch daran denkt man im Krisenstab derzeit noch nicht. https://www.youtube.com/watch?v=kUANQF4SMmk&feature=youtu.be Für die Kommunen ist nun das Signal wichtig, dass mit Feststellung des „außergewöhnlichen Ereignisses“ das Land komplett die Kosten trägt, auch die Vorhaltekosten. Das gilt für die Besatzung der Impfzentren: ärztlicher Leiter, organisatorischer Leiter, mehrere Ärzte und Impfpersonal – also je Zentrum mehr als 100 Leute. Temmler und seine Kollegen müssen dafür sorgen, dass die Zentren möglichst ausgelastet sind und das Personal nicht tatenlos herumstehen muss, weil kein Impfstoff vorhanden ist oder die zur Impfung vorgesehenen Bürger nicht zu den vereinbarten Terminen gekommen sind. Erhebliches Organisationstalent ist jetzt Gold wert. Wie es heißt, gibt es mit den Kommunen eine Absprache, dass das Personal in den Impfzentren vom Land bezahlt wird, nicht aber die Mitarbeiter der Kommunalverwaltung, die von ihrer Behörde aus den Betrieb der Impfzentren begleiten, steuern oder unterstützen.

Bisher sind noch mehrere Probleme nicht endgültig gelöst:

Keine Klarheit beim Impfstoff: Mehrere Impfstoffe mit mehreren Wirkungen dürften demnächst verfügbar sein, manche von ihnen müssen kurzfristig verbraucht werden. Von 200.000 Impfdosen für Niedersachsen im ersten Schritt ist die Rede, das hieße bei einer zweimaligen Impfung pro Person 100.000 Impfungen in der Anfangsphase. Es gilt, den jeweils passenden Impfstoff an die ausgewählte Gruppe zu impfen, der Einsatz hängt davon ab, welche Nebenwirkungen welches Stoffes bei welcher Gruppe am größten sind. Bevor die Arbeit beginnen kann, stehen die Impfzentren also vor mehreren unbekannten Faktoren. Laut Claudia Schröder muss die zweite Impfung bei einigen Impfstoffen nach 21, bei anderen nach 28 Tagen wiederholt werden. Einige Impfstoffe schützten zwar den Geimpften vor Ausbruch der Krankheit, nicht aber vor einer Weiterverbreitung der Infektion. Das Land werde aber den Impfstoff anwenden müssen, der dann gerade angeboten wird, eine Auswahlchance besteht wohl kaum. Freiwillige Meldung: Die Impfung soll in Krankenhäusern, Altenheimen und im Gesundheitsbereich starten – bei Patienten, Bewohnern und Pflegekräften. Danach setzt das Land auf Freiwilligkeit, Risikogruppen sollen sich in einem Portal anmelden können und bekommen dann einen Termin zugewiesen. Was geschieht, falls zu wenige Menschen sich impfen lassen wollen, steht noch nicht fest. Claudia Schröder verweist auf eine breit angelegte Aufklärungskampagne. Bisher plane man nicht, über die Einwohnermeldeämter die Mitglieder der Risikogruppen herauszusuchen und gezielt anzuschreiben – „das geht nach den bisherigen Vorschriften auch gar nicht“. Arztvorbehalt: Jeder, der geimpft werden soll, soll vorher mit dem Arzt unter vier Augen vertraulich reden können. Das könnte bei einem starken Andrang zu enormen Verzögerungen führen, da die Ärzte überbeansprucht werden könnten. Claudia Schröder sagt, an dieser Vorgabe müsse man aber festhalten. Zentrale Terminvergabe: Geplant ist bisher, die Terminvergabe für die Impfung zentral zu steuern. Das heißt aber, dass kurzfristige Umbuchungen vor Ort kaum möglich sind. Auch können Betroffene, die plötzlich meinen, ihre Impfung vorziehen zu müssen, kaum dazwischengeschoben werden. Die bei derartigen Großereignissen vorteilhafte Flexibilität droht auf der Strecke zu bleiben. Gesundheitsämter überlastet: Vier niedersächsische Gesundheitsämter haben mitgeteilt, dass sie an die Grenzen ihrer Möglichkeiten starten. Das Land hat die Nachricht an das Robert-Koch-Institut weitergeleitet, damit von dort gezielte Unterstützung organisiert wird.
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #217.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

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