Der frühere niedersächsische Finanzminister Reinhold Hilbers (CDU) sah sich über viele Jahre als eiserner Kämpfer für die Schuldenbremse. Auch zu seiner Amtszeit gab es Vorschläge, das in Grundgesetz und Landesverfassung verankerte Verbot der Neuverschuldung zu lockern – etwa über eine Neudefinition der Darlehen, die das Land aufnimmt und dann an Dritte weiterleitet. Als derartige Überlegungen in seinem Ministerium auf den Tisch kamen, war es der Minister höchstselbst, der davon abriet und für eine „harte Schuldenbremse“ plädierte.

Jetzt sind andere Zeiten angebrochen, anstelle von Hilbers führt der Grünen-Politiker Gerald Heere im Finanzministerium Regie. Und Heere will genau das, von dem Hilbers immer abgeraten hatte. Einen Vorschlag zur Änderung der Landeshaushaltsordnung ließ der jetzige Minister in den Entwurf des Haushaltsbegleitgesetzes schreiben, das jetzt in den Landtagsgremien zur Diskussion und später zur Entscheidung vorliegt.
Im Kern geht es nun darum, dass das Land diejenigen Kredite, die es aufnimmt und an Dritte weitergibt, nicht auf die Schuldenbremse anrechnen muss. Mit anderen Worten: Solche Kredite sollen erlaubt sein. Bedingung dafür ist dann allerdings die Werthaltigkeit der Darlehen. Das heißt, es muss von vornherein gewährleistet sein, dass diese später auch zurückgezahlt werden können. Als das Konzept jüngst im Haushaltsausschuss des Landtags vorgestellt wurde, verzichteten die Vertreter der SPD/Grünen-Koalition darauf, mögliche Anwendungsfälle der geplanten neuen Norm vorzustellen.
Es blieb damit der Phantasie der Opposition aus CDU und AfD überlassen, derartige Planspiele zu erwähnen. Eines lautet so: Das Land könne dann Kredite aufnehmen, die es an die geplante neue Landeswohnungsgesellschaft (LWG) weitergibt – und mit denen diese dann marode Wohnungen von Wohnungsunternehmen erwirbt. Diese könne das Land dann aufrüsten und neu vermieten, und mit den Mieteinnahmen könnten die Kredite von der LWG später wieder an das Land zurückgezahlt werden. Landesrechnungshof-Präsidentin Sandra von Klaeden sieht die Idee sehr kritisch und wies darauf hin, dass ein Problem in der zeitlichen Abfolge bestehe: Zu Beginn der Kreditvergabe sei die Prognose entscheidend, ob das damit finanzierte Unternehmen „werthaltig“ sei. Ob diese Prognose aufgeht, weiß man nicht – man muss aber auf Basis dieser Prognose eine Entscheidung fällen.
Hilbers wirft Rot-Grün jetzt in einem Aufsatz, den er verfasst hat, „kreative Buchungstricks“ vor. „Damit wird die Leitplanke aufgemacht, zusätzliche Verschuldungsmöglichkeiten werden eröffnet.“ Dieses Schlupfloch habe er in seiner Amtszeit bewusst nicht öffnen wollen. Die Praxis, Darlehen an Dritte zu vergeben, die dann erst in weiter Ferne zurückgezahlt werden müssen, sei „ein gefährliches Spiel mit der finanziellen Zukunft Niedersachsens“. Es sei nämlich nie sicher, ob diese Darlehen auch tatsächlich zurückgezahlt werden. Die Verlockung für die Politik sei groß, über den geplanten neuen Weg Ausgaben zu tätigen, für die die Regierung eigentlich gar kein Geld übrig habe. Mit der wachsenden Verschuldung würden so – quasi unbemerkt – die Zinskosten steigen. Die Finanzpolitik werde instabiler, da für die Landesregierung keine Notwendigkeit bestehe, Ausgaben mit Prioritäten zu versehen und auf Dinge zu verzichten, die sich das Land aktuell nicht leisten könne.