18. Sept. 2019 · 
Finanzen

Hilbers in Sorge: Ohne Grundgesetzreform droht bei der Grundsteuer die große Hektik

Niedersachsens Finanzminister Reinhold Hilbers (CDU) befürchtet große Schwierigkeiten, falls in Bundestag und Bundesrat in den kommenden Wochen eine Grundgesetzänderung zur Grundsteuer-Reform nicht zustande kommen sollte. „In diesem Fall würde der Bund wohl ein Freigabegesetz beschließen – aber das würde bedeuten, dass Niedersachsen dann in höchster Eile bis Jahresende ein eigenes Grundsteuer-Modell beschließen müsste“, sagte Hilbers gestern im Haushaltsausschuss des Landtags. Sollte unter diesen Umständen ein Landesgesetz nicht bis Ende 2019 wirksam werden können, dürften die niedersächsischen Kommunen von Anfang 2020 an keine Grundsteuer mehr kassieren. Ihnen gingen dann insgesamt 1,4 Milliarden Euro an Einnahmen verloren. „Damit das nicht passiert, hoffe ich sehr auf Mehrheiten zur Grundgesetzänderung in Bundestag und Bundesrat“, sagte Hilbers und appellierte an FDP und Grüne, die beide in Berlin gebraucht würden, um eine Zweidrittelmehrheit für die Reform mehrerer GG-Artikel in Bundestag und Bundesrat zu erreichen. Inhalt dieser Änderung ist die „Öffnungsklausel“, die es den Bundesländern erlauben soll, vom Modell des Bundes für diese Steuer abweichen zu können.

Hilbers wirbt für Misch-Modell

Zur Diskussion stehen zwei Modelle. Bundesfinanzminister Olaf Scholz will sich bei der Berechnung der Grundsteuer sehr stark am Verkehrswert des jeweiligen Grundstücks orientieren. Die CSU favorisiert ein Modell, das im Wesentlichen bei der Fläche und dem Grad der Bebauung des Grundstücks ansetzt, den Verkehrswert also ausklammert. Hilbers selbst wirbt seit Wochen mit einem Misch-Modell, das die Grundstückslagen in einer Kommune in unterschiedliche Stufen einteilt – also Elemente des Verkehrswertes enthält, ohne den hohen Verwaltungsaufwand zur Berechnung des konkreten Immobilienwertes zu riskieren. Sollte die Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat für das Gesetzesvorhaben scheitern, würde sowohl die Rechtsgrundlage für das Scholz-Modell entfallen als auch die für die Öffnungsklausel.

Oberstes Ziel müsste dann sein, den Fortbestand der Grundsteuer an sich zu sichern.


Wie Hilbers im Ausschuss erklärte, habe der Bund signalisiert, in diesem Fall rasch ein „Freigabegesetz“ zu beschließen – mit der Folge, dass dann jedes Bundesland eilig ein eigenes Grundsteuer-Gesetz entwickeln müsste. Ein Niedersachsen-Gesetz müsste dann bis Jahresende beschlossen und verkündet sein, sonst entfiele nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts jegliche Rechtsgrundlage für die Grundsteuer. „Wir müssten dann sehr schnell einen Gesetzentwurf vorlegen, der dann eilig im Landtag beraten und beschlossen werden müsste – vielleicht sogar so, dass viele Details erst im Jahr 2020 in einer Novelle überarbeitet werden“, erklärte Hilbers. „Oberstes Ziel müsste dann sein, den Fortbestand der Grundsteuer an sich zu sichern.“

1240 neue Stellen im Haushaltsplan

Im Haushaltsausschuss hat der Finanzminister am Mittwoch den Entwurf des Etats für 2020 erläutert. Dabei erklärte er, dass im kommenden Jahr 1240 zusätzliche Stellen geschaffen werden – für 700 Lehrer, 200 Polizisten und 230 Justizbedienstete. Die neuen Lehrer seien vor allem nötig, da mit dem Übergang von G8 auf G9 ein doppelter Abiturjahrgang 2021 ansteht. In den Finanzämtern seien 252 Stellenhebungen geplant. Rechnungshof-Präsidentin Sandra von Klaeden übte scharfe Kritik an dem Haushaltsentwurf: Ein Vorschlag für die Tilgung der Altschulden fehle, außerdem eine Prioritätenliste für die Ausgaben. Die Aufgabenkritik als Vorstufe der Verwaltungsreform lasse weiter auf sich warten. Die Pensionsausgaben würden von 3,9 Milliarden Euro (2017) auf 5,3 Milliarden (2027) steigen, in der Rücklage des Landes dafür befänden sich aber nur 750 Millionen Euro. Hier müsse besser vorgesorgt werden. In den Schulen müssten die Lehrer sich stärker auf den eigentlichen Unterricht konzentrieren können, es würden zu viele Aufgaben doppelt erledigt – und ein großes, aber nicht thematisiertes Problem sei, dass nur ein Viertel der Lehrer bis zum regulären Ruhestandsalter unterrichte.

Rechnungshof will "harte Schuldenbremse"

Von Klaeden appellierte an die Koalition, eine „harte Schuldenbremse“ wie ursprünglich geplant einzuführen – also mit Ausnahmen, die zwingend eine Zweidrittelmehrheit des Landtags benötigen. Auf den Rundblick-Bericht von gestern, wonach die Koalition eine Neuverschuldung bis 160 Millionen Euro in Notlagen von einer einfachen Mehrheit im Landtag beschließen lassen will, eine höhere Kreditaufnahme dann von einer Zweidrittelmehrheit, beurteilt die Rechnungshofpräsidentin skeptisch. „Denken Sie an das Signal, Ihrer Verantwortung gerecht werden zu müssen.“ Auch Peer Lilienthal (AfD) und Christian Grascha (FDP) warnten vor einer „Aufweichung“ der Schuldenbremse in den neuesten Koalitionsplänen. Grascha empfahl, die Altschulden des Landes abzubauen – um 5 Milliarden Euro in den kommenden zehn Jahren. Stefan Wenzel (Grüne) griff die Kritik des Rechnungshofes auf und zweifelte an mehreren Positionen im Etatentwurf. Manches davon sei sehr positiv geschätzt, so werde der Neubau der Uni-Kliniken in Hannover und Göttingen vermutlich viel teurer als bisher angenommen. Die Landesregierung hält an 2,1 Milliarden Euro für beide Vorhaben fest, der Rechnungshof rechnet bereits mit bis zu 5 Milliarden Euro.
Lesen Sie auch: Hilbers wirbt für ein neuartiges Modell zur gerechten Ermittlung der Grundsteuer Koalition legt Streit um Schuldenbremse bei: Schwellenwert soll das Quorum bestimmen
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #163.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

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