Der hannoversche Herzchirurg und Gesundheitsexperte Prof. Axel Haverich hat an die niedersächsischen Unternehmen appelliert, die Gesundheitsvorsorge für die Mitarbeiter zu verbessern und auch finanziell zu unterstützen. „Man sollte täglich eine halbe Stunde der Arbeitszeit dafür verwenden, die Gesundheit der Beschäftigten zu verbessern. Das kann etwa nach der Methode gehen: erst eine halbe Stunde ins Fitness-Studio, danach dann zum Mittagessen. Eine Alternative ist, mit dem Rad zur Arbeit zu fahren“, sagte Haverich beim Besuch der Redaktion des Politikjournals Rundblick.

Der 70-Jährige, der bis zum Frühjahr noch an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) tätig war, sieht die Arbeitgeber in der Pflicht, zumal diese auch einen Nutzen davon hätten: „Regelmäßige Bewegung und körperliche Anstrengung ist die beste Vorbeugung vor weit verbreiteten Erkrankungen“, erklärt Haverich. In Zukunft werde es immer stärker darum gehen, die im Arbeitsprozess stehenden Mitarbeiter gesund und fit zu halten. Auch ein Heraufsetzen der Ruhestandsgrenze „in die Richtung von 70 Jahren“ könne er sich „gut vorstellen“, fügte Haverich hinzu.
Der Herzspezialist hat kürzlich für die Metropolregion Hannover-Braunschweig-Göttingen-Wolfsburg ein Konzept zur Gesundheitsprävention entwickelt und in den Gremien vorgestellt. Dabei geht es um die Vernetzung der hier ansässigen großen Gesundheitsfirmen (so etwa Kind-Hörgeräte, Sartorius-Pharmazeutik und Ottobock-Prothesen), aber auch um die Verbindung von gesunder Lebenshaltung, Bewegungstherapie, Schulbildung, Arbeitswelt und Wohnumfeld. Als Basis für seine Empfehlungen verweist Haverich auf aufschlussreiche frühere Untersuchungsergebnisse. Volkswagen beispielsweise habe an einem Versuchsprogramm für übergewichtige Mitarbeiter teilgenommen.

Im Ergebnis wurde festgestellt, dass jene, die sich täglich eine halbe Stunde lang bewegen und anstrengen, nicht nur körperlich viel gesünder sind als jene, die das nicht tun. Dabei geht es um Bluthochdruck, Arteriosklerose, Rückenschmerzen und Diabetes – aber auch um die psychische Gesundheit. Bei der Messung des „Work Ability Index“ für jene Beschäftigten, die beim Sportprogramm teilnahmen, sei eine „Absenkung des gefühlten Alters um 6,8 Jahre festgestellt worden“, berichtet Haverich – also das Gefühl, leistungsfähiger zu sein. In einer App hätten die Teilnehmer ihre Resultate ablesen können. Die meisten Beschäftigten hätten das Sportprogramm über die tägliche Fahrt mit dem Rad zur Arbeitsstelle geleistet. „Nur bewegen reicht nicht, es muss eine Anstrengung geben, die an der erhöhten Herzfrequenz gemessen werden kann“, erläutert Haverich.
„Ich werbe daher für ein Unterrichtsfach, das sich der ,gesunden Ernährung und der Bewegung‘ widmet.“
Prof. Axel Haverich
Die neusten Zahlen der durchschnittlichen Lebenserwartung in Deutschland zeigten wieder einen Rückgang, nachdem es lange Zeit einen Anstieg gegeben hatte. Die Gründe sieht Haverich in der Umweltbelastung, etwa mit Feinstaub in den Städten, aber auch in der ungesunden Ernährung. Vor allem der Zuckerkonsum bei Kindern sei problematisch – das beziehe sich auf Fertiggerichte, aber auch auf Limonaden und andere gesüßte Getränke. 30 Prozent der Kinder würden übergewichtig die Grundschule verlassen, die Hälfte der Kinder könne heute keinen Purzelbaum mehr schlagen.
„Ich werbe daher für ein Unterrichtsfach, das sich der ,gesunden Ernährung und der Bewegung‘ widmet“, sagt Haverich und fügt noch einen Vorschlag hinzu: „Man könnte modellhaft in einigen Kommunen erproben, dass Schulen bei plötzlichem Unterrichtsausfall die Stunden kurzfristig umwidmen – und dann Vertreter von DLRG, DRK, pensionierte Ärzte oder Sport-Übungsleiter für Fitness-Training oder die Vermittlung von Formen der gesunden Ernährung einspringen.“ Aufgabe der Metropolregion Hannover-Braunschweig-Göttingen-Wolfsburg könne es sein, für ein Programm zur besseren Gesundheitsvorsorge in den verschiedenen Bereichen eine EU-Förderung möglich zu machen.